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Samstag, 5. Mai 2012

Trau keinem unter 60!

Als ich heute im Auto zu einem Termin unterwegs war, rief mich ein Freund an und meckerte mich sofort an: „Du kannst wohl kein Fettnäpfchen auslassen? Warum hast du denn jetzt Chussodovsky ausgegraben?“ Er meinte, dass ich mich nicht mit „Verschwörungstheoretikern“ beschäftigen sollte, weil das meinem Ruf schaden würde. Und ich hätte mir doch sowieso schon genug Feinde geschaffen. Nun er hatte ja Recht. Interventionisten (1) und Transatlantiker (2) nannten mich antiamerikanisch, antizionistisch, „linksextrem“. Andere nannten mich dann wiederum einen „Rechtsextremen“. Weil ich mich für die Rechte Palästinas eingesetzt, und die Aussage von G. Grass positiv diskutiert hatte. Weil ich versuchte, eine Friedenspolitik zu vertreten, die ziviler Krisenprävention den Vorzug gibt, und Kooperation, Fairness und Sicherheitsgarantien als wirksamere Maßnahmen zum Erhalt von Frieden ansehen, als Boykott, Blockaden und Krieg. Und es ist auch nicht angenehm als Mörder, Söldnersklave oder Imperialistenschwein beschimpft zu werden, wenn man versucht, einem Extrempazifisten das Ideal einer wehrhaften humanistischen Demokratie zu erklären. 




Es war ebenso wenig angenehm für mich, als Ergebnis für das Vertreten meiner Meinung in einer AG und einer Mailinglist als Troll gemobbt zu werden, weil ich „demagogisch“ bin, von „der Linken“ Befehle abhole. Auch fand ich es etwas seltsam zum Austritt aus der Partei aufgefordert zu werden, weil ich mit meinen Ansichten „zu extrem“ wäre. Aber warum aufregen? Es ist klar, dass jemand, der sich nicht von einer Seite vereinnahmen lassen will, wenige Freunde hat. Wir leben im Zeitalter der Konfrontation. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“.

Allerdings muss ich sagen, dass ich nicht immer so entspannt reagiert habe. Da war die Phase der hormonellen Daseinsbestimmung, danach kam eine Phase, in der man nach Anerkennung und Karriere strebte. Und mehr als einmal war da die Schere im Kopf, die immer mehr schmerzte, bis ich mich endlich wieder von ihr befreite. Aber im Alter von 60 Jahren habe ich es inzwischen nicht mehr nötig, Karriere zu machen, mit meiner Meinung zurück zu halten, oder an eine „gesicherte finanzielle Zukunft“ denken zu müssen. Ich brauche weder Zustimmung um in ein Amt, noch um auf eine Kandidatenliste gewählt zu werden. Deshalb kann ich vollkommen frei meine Meinung sagen. Aber gleichzeitig kann ich auch meine Meinung ändern, wenn ich etwas dazu gelernt habe, was ich grundsätzlich nie ausschließe, ohne mich um „Wendehals“-Beschimpfungen kümmern zu müssen.

Nun gut, jeder möchte irgendwie geliebt werden. Aber davon bekomme ich glücklicherweise in meiner Familie genug. Und natürlich sucht auch jeder nach Anerkennung. Aber die bekomme ich glücklicherweise außerhalb der politischen Arbeit.

KANN MAN MENSCHEN UNTER 60 VERTRAUEN?

Natürlich kann man das. Egoismus und Hedonismus liegen in ihrer Wirkung für die Umwelt viel näher zusammen, als man allgemein annimmt. Auch hedonistische Aktionen dienen letztendlich der Befriedung egoistischer Gefühle. D.h. Albert Schweitzers hedonistische Aktionen, mit denen er sein Leben für Unterprivilegierte opferte, erfüllten ihn, befriedigten letztendlich seinen Egoismus, ausgedrückt in Hedonismus. Die Piratenpartei ist voll von solchen Typen. Sie bauen Parteitage auf, führen endlose Protokolle, stehen Stunden an Info-Ständen, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Sie sind die wahren Helden dieser Welt, und natürlich kann man ihnen vertrauen.

Und dann gibt es noch die Egoisten. Für die ist das Dienen eine Last. Trotzdem übernehmen sie alle möglichen Arbeiten und verbringen viel Zeit für die Partei, nicht ohne sich zu verraten, weil sie unter der Last stöhnen und ächzen. Aber durch ihre Arbeit sind sie natürlich auch wertvoll und in der Regel vertrauenswürdig. Wenn auch solche Mitglieder öfter eine machiavellische Intelligenz aufweisen, wenn sie sich z.B. intensiv um neue Mitglieder bemühen.

WAS TREIBT MICH AN?

Ich bin natürlich der hedonistische Typ ;-). Nachdem ich viele Jahre „nichts habe anbrennen“ lassen, fand ich es befriedigender, mich für Wahrheit, Gerechtigkeit und Fairness einzusetzen, als schnelle Autos zu fahren, hübsche Mädels auszuführen oder in Nachtclubs rum zu hängen. Es war keine bewusste Entwicklung. Die Ungerechtigkeit, die ich im Ausland vorfand, war so viel schlimmer als in Deutschland, die Zensur und Propaganda so viel offensichtlicher, dass man nicht mehr daran vorbeisehen konnte. Und da Karriere, Suche nach Liebesleben und wirtschaftliche Absicherung nicht mehr die Hauptantriebsmotive darstellten, war der Kopf frei. Nun gut, so ganz abgeklärt und vernünftig bin ich immer noch nicht, sonst würde ich vermutlich nicht mehr Motorrad fahren. Aber immerhin mache ich jedes Jahr ein Sicherheitstraining mit, um die schleichenden Alterseinschränkungen nicht erst zu erkennen, wenn es zu spät ist.

ALSO …

Schickt mir weiter Hassmails, mobbt mich oder beschimpft mich. Aber wenn ihr wollt, dass ich meine Meinung ändere, dann bringt einfach verdammt gute Argumente und nennt mir überzeugende Quellen.

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(1) Interventionisten: Menschen, die der Meinung sind, dass man Menschenrechte, Demokratie und notfalls Handelsrechte mit Gewalt, evt. sogar Krieg durchsetzen müsse.
(2) Transatlantiker: Menschen, die der Meinung sind, dass wir den USA dankbar sein müssen und ihre moralischen Schwächen vertretbar sind, weil es gegen einen viel schlimmeren Feind geht. Der Feind der USA ist oft automatisch ihr Feind.
(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Machiavellische_Intelligenz

P.S. Morgen geht es weiter mit der Buchbesprechung


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