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Mittwoch, 20. Juni 2012

Offener Brief eines politischen Gefangenen an Amnesty International


Hintergrund: In Thailand gibt es ein archaisches Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, das als das schärfste seiner Art in der Welt gilt. Ein falsches Klicken auf Facebook (like) oder ein Tweet kann zu 18 Jahren Gefängnis führen. Hunderte sitzen wegen ähnlicher Vergehen im Gefängnis. Aber die amerikanische Regierung behauptet, dass es keine politischen Gefangene in Thailand geben würde. Und Amnesty International, dessen Vertreter in Thailand mit einer durch das Militär an die Macht gebrachten Regierung kooperiert, verweigert solchen Gefangenen bis jetzt ihre Hilfe. (1)

(Andrew Spooner) Nach Jahren des Wartens auf eine Unterstützung durch Amnesty International, haben Gefangene wegen Lèse Majèsté einen Brief auf dem Gefängnis geschmuggelt, in der Hoffnung, dass dies endlich die Organisation zur Hilfeleistung bewegen würde.
Der folgende Text ist eine Übersetzung eines Briefes ins Deutsche, der von dem politischen Gefangenen in Thailand, Thanthawut Taweewarodomkul, der zu 13 Jahre Gefängnis verurteilt worden war, weil er gegen Thailands drakonisches Lèse Majèsté-Gesetz verstoßen hatte, an Amnesty International gerichtet wurde.

Scans des originalen handgeschriebenen Briefes kann man (2) finden. Der Brief wurde aus dem Untersuchungsgefängnis von Bangkok geschmuggelt und fand seinen Weg nach London, wo er persönlich heute am 11. Juni 2012 durch den ehemaligen Menschenrechtskommissar Thailands, Jaran Ditapichai, Amnesty International übergeben wurde. Thanthawat bat auch darum den Brief zu veröffentlichen.

In seinem Brief ersucht Thanthawat Amnesty, den Gefangenen zu helfen, und ihre Situation vor die internationale Öffentlichkeit zu bringen. „Bisher wurden wie noch nicht durch irgendjemanden von Amnesty International kontaktiert oder hatten irgendeine Nachricht von AI erhalten“.

Hoffen wir, dass sich die Situation jetzt ändert. Amnestys Übersehen von Thailands Lèse Majèsté-Gefangenen ist ein schrecklicher Fleck auf dem Ruf der hochgeschätzten Organisation und sollte so schnell wie möglich beseitigt werden.
Betr: Bitte um Hilfe für Gefangene, die nach dem Militärputsch vom 19. September 2006 wegen des Gesetzes gegen die Majestätsbeleidigung in Thailand inhaftiert wurden.
Bangkok, Untersuchungsgefängnis, 14. Mai 2012

Liebe Amnesty International,

Mein Name ist Thanthawut Taweewarodomkul. Ich bin 40 Jahre alt und ein Gefangener wegen Lèse Majèsté, der zu 13 Jahren verurteilt wurde. Ich bin bereits seit 2 Jahren und 1 Monat inhaftiert, ohne dass ich in Erwartung auf mein Verfahren eine Freiheit auf Kaution erhalten hätte. (3) Im Moment habe ich gerade meine Berufung zurückgezogen, weil ich um eine königliche Begnadigung bitten will. 7 andere Lèse Majèsté Gefangene haben sich auch entschlossen, nicht weiter zu kämpfen und hoffen auch auf einen Gnadenerlass.

Außer den Gefangenen wegen Lèse Majèsté gibt es viele andere Gefangene, die während der politischen Demonstrationen seit dem Militärcoup von 2006 inhaftiert wurden. Sie sind nun im Laksi-Gefängnis in Bangkok und an vielen anderen Orten im Land verteilt inhaftiert. Alle wurden verfolgt, weil sie ihre Bürgerrechte und ihre politischen Rechte für die Demokratie, als Bürger ihres Landes, beanspruchten.

Aber wir haben niemals ein gerechtes Verfahren erhalten. Unsere Grundrechte, wie die auf Kaution bis zur Verhandlung auf freiem Fuß zu sein, oder der Anspruch, mit Respekt und Würde als Gefangene aus Gewissensgründen und als politische Gefangene behandelt zu werden, wie unter internationalem Gesetz garantiert, wurden uns verwehrt. Die Behörden haben viele der Gefangenen misshandelt. Viele wurden in vollkommen überfüllten Zellen eingepfercht und ihnen wurde angemessene medizinische Behandlung verwehrt. Was schließlich zum Tod von Amphon Tangnoppakul alias Ar Kong führte, der mit 62 Jahren am 8. Mai 2012 an Krebs starb. Er hatte zu keinem Zeitpunkt eine angemessene Behandlung erhalten.

Bis heute leiden wir physisch und psychisch durch diese Art der Inhaftierung. Viele sind schon seit über 2 Jahren im Gefängnis, obwohl sowohl Regierungsorganisationen als auch internationale Menschenrechtsorganisationen in Thailand und im Ausland immer wieder versuchen zu helfen.

Deshalb hoffen wir, dass jetzt Amnesty International, eine Organisation die weltweit respektiert ist wegen ihrer außergewöhnlichen Arbeit für Menschenrechte, und die eine großartige globale Organisation hat, auch in Thailand, uns helfen kann.

Bisher wurden wir weder kontaktiert, noch haben wir irgendeine Art von Aufmerksamkeit von Amnesty International in Thailand erhalten. Wir sind zutiefst traurig darüber, haben aber immer noch die Hoffnung, dass eines Tages Amnesty International auf uns aufmerksam werden könnte.

Im Moment hat Thailand eine demokratisch gewählte Regierung und die Politik der Regierung ist ausgerichtet auf Versöhnung in Thailand. Thailand ist ein Land das seit dem Militärcoup von 2006 tief gespalten ist. Viele Organisationen in Thailand und im Ausland arbeiten daran, diese Versöhnung so schnell wie möglich zum Tragen kommen zu lassen.

Wir hoffen daher, dass Amnesty International seinen Teil zum Versöhnungsprozess beitragen wird, und alles tun wird, um sicher zu stellen, dass die Grundrechte von politischen Gefangenen internationalen Standards entsprechen. Wir wären sehr glücklich, wenn Amnesty International sich darum kümmern würde.

Darüber hinaus hoffen wir, dass Thailand schon bald in Frieden leben kann. Wir haben immer an eine demokratische Regierung mit dem König als Staatsoberhaupt geglaubt, und wir sind bereit alles zu unternehmen, damit das Land wieder normal werden kann.

Schließlich hoffen wir, dass Sie in Betracht ziehen können, uns so viel Hilfe wie möglich zukommen zu lassen, und wir hoffen auf den Tag, an dem dies der Fall sein wird.

Respektvoll,

Thanthawut Taweewarodomkul
Lèse-Majèsté-Gefangener, der für weitere 55 inhaftierte Gefangene in Thailand schreibt.

Hinweis: Das Gesetz über Lèse Majèsté entstand nach dem Besuch des thailändischen Königs Chulalongkorn im kaiserlichen Deutschland und basiert auf der deutschen Vorlage aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Bis heute gibt es Reminiszenzen dieser Gesetze in vielen europäischen Ländern, die aber seit Jahrzehnten nicht mehr zu nennenswerten Verurteilungen geführt haben. Als es dann doch wieder zu einer geringfügigen Verurteilung kommen sollte, hatte der europäische Gerichtshof vor ca. 2 Jahren entschieden, dass alle existierenden Lèse Majèsté-Gesetze gegen Menschenrechte verstoßen und unwirksam sind.

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(1) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/05/die-verschleierte-kauflichkeit-der.html

(2) https://twitter.com/andrewspoooner/status/212181615605063681
https://twitter.com/andrewspoooner/status/212181829720088576

(3) Vergewaltiger, mehrfache Mörder u.ä. Verbrecher erhalten in der Regel in Thailand Freiheit gegen Kaution bis zur Verhandlung.


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