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Dienstag, 19. Juni 2012

Noam Chomsky zu Bahrain, Saudi-Arabien, Türkei und Syrien

 Nuam Chomsky ist der weltweit angesehenste Friedensaktivist, der sich, heute in den 80ern, ein Leben lang gegen Krieg, für Schwache und Benachteiligte eingesetzt hat. Der folgende Text ist Teil eines Interviews vom 14.02.2012 auf dem Campus des MIT, und hier in Deutsch vorgestellt. Dr. Chomsky äußert sich hier zu Bahrain, Saudi Arabien, die Türkei und Syrien.
FRAGE: In Bahrain ist heute der einjährige Jahrestag der brutalen Unterdrückung der friedlichen Demonstranten durch Bahrain und Saudi Arabien. Sehen sie derzeit irgendwelche erfolgreichen demokratischen Aufstände in irgendeinem Land?
CHOMSKY: Ja es gab versuche in Saudi Arabien Freitagsdemonstrationen zu organisieren, aber die Sicherheitsmaßnahmen waren so gewaltig, dass die Menschen zu eingeschüchtert waren, um auf die Straße zu gehen. In Bahrain wurde der Aufstand wirklich brutal nieder geschlagen. Mit ausländischen Streitkräften, die dem Regime zur Hilfe kamen. Die USA schwieg natürlich darüber. Die Hauptsorge der USA und ihrer Alliierten sind die Öl produzierenden Staaten. Bahrain ist kein wichtiger Ölproduzent aber das Land ist Teil des Öl produzierenden Systems deshalb wollen sie keinen Ärger dort haben. In Saudi Arabien, Kuwait, Bahrain, den Emiraten ist alles unter Kontrolle. Dort gibt es keinen arabischen Frühling. Wird es jemals so etwas dort geben? Nun schwer zu glauben. Denken Sie daran, Saudi Arabien ist ein ziemlich skrupelloses Land. Zunächst ist es das extremistischste islamistisch fundamentalistischste Staatssystem in der Welt. Und die USA und Großbritannien hatten dies stets unterstützt. Traditionell haben sie die Länder unterstützt und radikalen Islamismus gefördert, als Waffe gegen jede Form des säkularen Nationalismus. Und das sind außerdem die Leute, die uns das Öl verkaufen. Also wird natürlich der Westen sie unterstützen.

Mit dieser Konstellation der Kräfte ist es schwer zu glauben, dass ein Aufstand stattfinden und erfolgreich sein könnte.

FRAGE: Sie sagten kürzlich, dass die Türkei stolz sein könnte auf seine Kultur des zivilen Ungehorsams. Aber kürzlich mussten über 400 Studenten ins Gefängnis. Zeigt dies, dass der zivile Ungehorsam doch nicht funktioniert? Die Regierung scheint immer totalitärer zu reagieren, nicht weniger repressiv?

CHOMSKY: Das war genau, was ich sagte. Ich sprach in erster Linie über bekannte Schriftsteller, Akademiker, Selbständige und Verleger die ständig in Aktionen des zivilen Ungehorsams eingebunden sind. Und ich denke, dass die Türkei stolz sein sollte, eine Intellektuellenklasse wie diese zu haben. Aber sie gehen dafür ins Gefängnis.

Das erste Mal, als ich in die Türkei flog, war es im Wesentlichen um teil zu nehmen als Mit-Verteidiger an einem Verfahren, und sie wollten mich unbedingt haben, es war ein Verleger. Und dadurch gab es eine Menge internationale Aufmerksamkeit … so dass sie … diese Verfahren sind totaler Betrug, sie tun was sie wollen … sie nehmen ihn fest aus irgendeinem Grund … Aber wenn ich nicht dort gewesen wäre, dann hätte er wohl einige Jahre im Gefängnis verbracht. Und gerade jetzt gibt es eine sehr repressive Periode.

Und da gibt es einen Hintergrund. Vor 10 Jahren, also als ich dort war, war das System sehr repressiv. Sie hatten gerade eine vergiftete Periode der Aufstandsbekämpfung in der südöstlichen Türkei hinter sich gebracht. Damals wurden 10-tausende von Menschen getötet, und tausende von Dörfern und Städten zerstört, es gab jede Art von Folter und Horror, den man sich kaum vorstellen kann, und Millionen von Flüchtlingen. Alles unterstützt durch die USA. Die USA schickte Militärhilfe, selbst als diese Verbrechen bekannt geworden waren. Aber im Laufe der folgenden 10 Jahre hatte sich das beruhigt.

Es hat beträchtlichen Fortschritt gegeben, natürlich ist nicht alles wie es sein sollte, aber es hat sich viel verbessert. Und es ist heute ein viel freieres Land als damals. Aber nun gibt es wieder eine zunehmende Unterdrückung, von der Sie berichtet haben.

FRAGE: Glauben Sie, dass die USA, Großbritannien oder Frankreich militärisch in Syrien intervenieren sollte?
CHOMSKY: Ich glaube nicht, dass irgendjemand, der die syrische Situation kennt, glaubt, dass eine militärische Intervention Sinn machen würde. Ich denke, dass es Menschen gibt, die Syrien kennen. Einer der wichtigsten ist Patrick Seale, einer der wichtigsten Historiker Syriens. Oder Jonathon Steele, das ist ein britischer Korrespondent, Charles Glass, ein Amerikaner, der als Korrespondent arbeitet. Jeder den ich kenne, der sich wirklich Sorgen macht um Syrien, sagt das. Nicht wie die, die nur laut rufen um sich selbst zu beweihräuchern. Ich denke, dass eine Militärintervention die Sache nur noch schlimmer machen würde.

Natürlich sind die Verhandlungen schwierig. Aber es ist die einzige Möglichkeit, die internen Konflikte zu beseitigen. Es ist sehr ähnlich zu der Situation in Libyen.

Es wird hier nicht darüber berichtet, aber Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika waren ziemlich isoliert in der Welt. Der größte Teil der Welt hatte nach Verhandlungen verlangt, um die wahrscheinliche humanitäre Katastrophe abzuwenden. Aber das konnte man hier nicht berichten. Und wir loben uns selbst für unsere Großartigkeit.

Und natürlich ist dies zumindest ein Teil der Gründe, warum China und Russland keine einseitige UN-Resolution unterzeichnen wollen. Sie wurden beim letzten Mal ganz einfach ausgetrickst. Die UN Resolution hatte nichts von dem verlangt, was die drei imperialen Mächte dann unverzüglich auf den Weg gebracht hatten.

Es gibt keine einfache Lösung, die ich sehen könnte, aber die schlechteste und schlimmste ist sicherlich eine militärische Intervention.

FRAGE: Denken Sie, dass der Sicherheitsrat das Vetorecht, mit dem man internationales Recht einfach ignorieren kann, abschaffen sollte?
CHOMSKY: Nun zunächst sollten sie sich daran erinnern, wer das Veto am meisten benutzt. In den frühen Tage, als die USA so überwältigend einflussreich und dominant in der Welt waren, und damals den Sicherheitsrat als Instrument im Machtspiel gegen Russland einsetzen konnte, da legten die Russen ihr Veto ein. Aber seit den 1950er Jahren hat sich das geändert. Die Entkolonialisierung machte die UN repräsentativer in Hinsicht auf eine Vertretung der ganzen Welt. Die Länder die sich vom Weltkrieg erholt hatten usw. Mitte der 1960er Jahre, ich denke es war 1966, legten die USA ihr erstes Veto ein. Seitdem führen sie mit großem Abstand bei der Nutzung des Vetorechts. … Also wenn wir das Vetorecht abschaffen, würden wir im Prinzip das Vetorecht der Vereinigten Staaten von Amerika abschaffen. Nun die USA und Großbritannien werden das kaum akzeptieren. Also wenn man das Veto loswerden will, werden sie einfach ihr Veto einlegen. So wie das die USA sowieso immer machen.

Aber das ist es, was die Macht ausmacht. Wenn man die Macht hat und eine solche gehorsame, stille intellektuelle Klasse, dann kann man eben machen, was man will.
http://www.youtube.com/watch?v=ioJkxCXWJMs



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