Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 16. Juni 2012

Buchbesprechung: Lenz, Die Fratze der Gewalt


Immer wieder wird zivile Krisenprävention, Friedenspolitik und Gewaltfreiheit ins Lächerliche gezogen. Der Geruch der Feigheit haftet diesen Bewegungen an, obwohl es heute bereits wesentlich mehr Mut erfordert, offen für Gewaltfreiheit einzutreten, als sich von der Empörungswelle zu einer Kriegshysterie treiben zu lassen. Das wichtigste aber wird bei jeder Kritik vergessen. Dass Krisenprävention und Friedenspolitik nicht anfängt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen, bzw. der Krieg bereits begonnen hat, sondern weit davor. Wenn man dies nicht zulässt, ist jede Kritik an dieser alternativen Politik, die sich bis heute noch niemals wirklich durchsetzen konnte, vorsichtig gesagt inhaltslos. Ich will über ein Buch berichten, von dem ich annahm, dass es eine Lücke im Verständnis von Gewalt und Gewaltlosigkeit schließen könnte. Dass es erklären würde, warum Friedenspolitik, keine einfache Appeasement-Politik ist, wie ihr oft vorgeworfen wird, sondern eine vorausschauende, Krisen vorhersehende und vermeidende Politik. Wie von Hanne-Margret Birckenbach am Beispiel von Syrien hervorragend beschrieben. (1)

In verschiedenen Erklärungsversuchen, wurde bereits versucht deutlich zu machen, wie Krisenprävention grundsätzlich funktioniert, wann sie einsetzt. (1+4) Beispiele, wie man Aggression und Krisen in einem Prozess entgegenwirken kann, hatte ich nun auch von Rüdiger Lenz und seinem neuen Buch „Die Fratze der Gewalt“, Versuch einer Aufklärung (5), erwartet.

Aber am Anfang wird man mit Rhetorik konfrontiert, die etwas manipulativ wirkt, weil man ihr schlecht ausweichen kann.
Kampf/Krieg sind Formen der Gewaltübetragung – die Schaffung eines künstlichen Rahmens, um Gewalt zu entfalten und damit sind beide ein Mittler von etwas ganz anderem, dessen Kernübel im Inneren des Menschen und nicht auf den Schlachtfeldern irgendwelcher Heldengeschichten fußt. (Seite 23)
Aber dann beginnt Lenz damit zu erklären, wie Gewaltneigungen entstehen. Und wie Ichstärke und Ichschwäche in einem Wettstreit stehen. Zunächst stellt er die drei wichtigsten Einflüsse auf die kindliche Psyche fest. Beziehungsbindungsdichte, Bedeutsamkeitserleben und Bewältigungskomptenz. Keine Neue Erklärungen aber dennoch wichtig für das weitere Verständnis. Auch seine Schlussfolgerung wurde bereits von anderen ähnlich ausgesprochen:
Werden einem jungen Menschen diese drei Grundnahrungsmittel für die Ausreifung seiner gesunden Psyche entzogen, dann könnte seine Seele den Motor zum Bösen entwickeln und später auch anlassen. (Seite 28)
Nach der frühesten Kindheit folgt die Schule als prägendes Element. Keine neue Erkenntnis, aber mit anderen Vorzeichen erklärt.
Weil so viele in der Schule die Erfahrung gemacht haben, Schule sei blöd, haben sie auch gleichfalls die Erfahrung gemacht, dass Bildung Blödsinn sei. Das pädagogische Dilemma ist dabei Folgendes: Dort, wo ich etwas erfahre, lerne ich auch immer etwas. Egal, ob das nun gut oder weniger gut ist. Beim passiven Lernen, dem Frontalunterricht, machen viele die Erfahrung, dass Lernen ohne Bedeutung abläuft. (Seite 29)
Und wenn diese nicht in der Schule geleistet werden, so Lenz, folgt die Suche nach einem starken Halt.
Auch in der gesamten motorischen Entwicklung versuchen sie sich stark kraftstrotzend und schlagfertig in Richtung Unbesiegbarkeit zu trainieren. Auch ihr Neugierverhalten ist stark diesen Zielen untergeordnet. Sie erfassen nur diejenigen, die stark, kräftig, schlagerfahren oder irgendwie als unerbittlich gelten könnten. (Seite 30)
Mit der Pubertät verändert sich wieder der Einfluss, der den jungen Menschen am stärksten prägt. Und besonders aktiv nach Lösungen suchende Kinder werden oft für hyperaktiv gehalten, bzw. wie der Autor es ausdrückt, mit ADS / ADHS diagnostiziert. Und damit wird oft das gerade positive Entwickeln einer inneren Stärke verhindert:
Leider ist es aber so, dass unsere Gesellschaft die starke Persönlichkeit nicht fördert, weil ihr die schwache Persönlichkeit angenehmer ist und ihr besser gehorcht. Die schwache Persönlichkeit sucht Halt bietende Anker in der Werbung, im Superstar, in den Bildschirmmedien, durch Markenartikel, im Konsum von immer mehr Unnützem - immer nur über Informationspakete, die sie im Außen, nie im Innen zu finden glaubt. Denn ihre Erfahrung ist ja gerade die, dass sie weder im eigenen Inneren noch bei ihren Hauptbezugspersonen diesen Halt finden konnte. (Seite 31)
Durch die falsche Reaktion der Umwelt auf kindliche Entwicklungsphasen entstehen Selbstzweifel und negative Erfahrungen, die lt. Lenz zu Vermeidungsstrategien führen.
Angst und Selbstzweifel dominieren dann das eigene Selbstbild und um dem inneren Stress über lang oder kurz zu entgehen, entwickelt man dann dadurch Haltungen, die zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden. (Seite 33)
Dann schreibt Lenz etwas, bei dem der Verdacht aufkommen könnte, dass Poesie mit Gehirnforschung oder Psychologie verbunden wird. Auch wenn er anschließend maladaptive Bewältigungsstrategie erläutert.
Menschen bilden über ihr emotionales System Nervennetze aus, die das Selbstbild auf solche Haltungen und Erwartungen formen. Und damit verstärken sich die Nervennetze, die dafür zuständig sind, sich mit einem solchen Selbstbild ständig auch selbst zu identifizieren. (Seite 33)
Dann warnt der Autor:
Denn Ersatz- und Scheinlösungen haben einen ganz gravierenden Nachteil: Sie verengen die Sicht zur äußeren Welt und zum inneren Repertoire und sorgen damit dafür, dass die eigenen Verhaltensentwicklungen dort stehen bleiben, wo die Scheinlösungen begannen. Maladaptive Strategien bewirken das genaue Gegenteil von adaptiven Strategien. Adaptive Bewältigungsstrategien sind dem Problem zugewandte, offene, angepasste Strategien und lassen die Ressourcen optimieren und die Potenziale entfalten; sie sorgen letztlich für eine Optimierung der eigenen Ichstärke und bilden dann die starke Persönlichkeit heraus. (Seite 34)
Lenz beschreibt, wie gefährlich für die Entwicklung der Persönlichkeit unlösbare Probleme sind. Sie verursachen nicht nur psychische, sondern im Extremfall auch physische Veränderungen. Letztendlich kann das zu einer „erlernten Hilflosigkeit“ führen. In seinem Buch macht der Autor klar, dass Belohnung für einen jungen Menschen eines der wichtigsten Faktoren in der Entwicklung der Persönlichkeit ist.

Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass Kinder und Jugendliche für ihr Gehirn angemessene Herausforderungen erhalten.
Alles, was schwierig ist, wird Kindern häufig viel zu früh abgenommen. So werden sie ihre Ressourcen und Potenziale nicht auszureizen erlernen und jammernd vor dem Wohlstand stehen, weil sie ihn nicht als Wohlstand sondern als Weltverständnis wahrzunehmen erlernen. Kinder können auch auf diese Weise missbraucht werden, nämlich durch dauerhafte Verwöhnung. Dieses Erleben wird dann zur Vorstellung über die Welt, wie sie zu sein hat. (Seite 37)
Lenz weist dann darauf hin, dass das Gehirn kein Lernorgan, sondern an Anknüpfungsorgan ist. Es macht permanent Erfahrungen und knüpft an Erfahrungen und bekannte Muster an. Jeder, so Lenz, befinde sich auf einem solchen Weg durch sein Leben.
Das ist ein Paradigmenwechsel über die Auffassung von unseren Gehirnen, der in seiner Dramatik noch gar nicht von den pädagogischen Systemen erfasst und verstanden wurde und auch in der breiten Öffentlichkeit noch nicht angekommen. (Seite 39)
Leben ist also ein ständiger Anknüpfungsprozess. Und der Autor weist dann darauf hin, wie auch Angst mit diesem Prozess in Zusammenhang steht.
Wenn das alles durcheinandergerät, dann breitet sich Angst aus. Diese Angst wird immer schlimmer und man lässt sich dann von der Angst leiten. Diese Biologie der Angst greift immer und damit auch immer bei denen, die ihre Probleme gut zu meistern erlernt haben. Sie meistern sie jedoch nur aus einem einzigen Grund besser:
Weil sie durch ihre zahlreichen Erfahrungen im Leben immer etwas abrufen konnten oder ihnen jemand beistand, der mit einem zusammen diese Herausforderungen gemeistert hat. (Seite 40)
KAMPF, FLUCHT, ERSTARREN

Lenz beschreibt ausführlich, wie Lösungsfindung im Gehirn abläuft. Dabei ist genetisch vorprogrammiert, wie der Ablauf vonstatten zu gehen hat, nämlich durch Kampf, Flucht, Erstarren. Aber nicht alles ist genetisch wirklich bis ins letzte Detail geregelt. Das Prägungsverhalten, die Verknüpfungserlebnisse und das gestaltwahrnehmende Erlernen sind wichtig. Und schließlich bildet sich jedes Gehirn seine eigene Welt.
Das Gehirn bestimmt zu einem überragenden Teil selbst, was aus ihm wird, nicht der Mensch, denn der Mensch ist Teil seines Gehirns. (Seite 43)
Aber dann folgt auch ein Beispiel für Erklärungen, zu denen ich gerne konkrete Quellenangaben gefunden hätte. So schreibt der Autor:
So gibt es tatsächlich Patienten mit Allergien und anderen schwereren Krankheiten, die nach einem Ausfall des Erinnerungsvermögens und nachdem sie wieder zu Bewusstsein kamen, ganz plötzlich auch keine Allergien und auch keine schweren Krankheiten mehr hatten. Das Gehirn bildet die gesamte sie selbst betreffende Realität in sich ab, die es von allen Seiten bekommt. (Seite 43)
Auch wenn es kein wissenschaftliches Buch ist, hätte ich hier gerne nachgelesen, auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Hirnforschung dieser Satz, stellvertretend für andere, basiert. Lenz beschreibt dann, wie sich das Gehirn unter verschiedenen Anforderungen verhält. (Die allgemeine Quellenangabe am Ende des Buches ist zwar hilfreich, aber zu aufwendig für eine Recherche hinsichtlich der konkreten Aussagen im Buch.)
Wenn wir sehr konzentriert etwas angehen, geht unser Gehirn fast vollständig aus. Kreativität gelingt aber nur, wenn wir unser Gehirn, soweit dies eben möglich ist, anschalten und loslassen von aller Anspannung. (Seite 44)
Daraus folgert lt. Lenz, dass Bildung, wie sie bisher definiert ist, nur auf der Minimalnutzung des Gehirns basiert. Wie Lenz es nennt, der Stabilität von Kümmernis. Er schlussfolgert, dass die bedeutendsten Einfälle nicht dort gemacht werden, wo konzentriert gearbeitet wird, sondern dort, wo alle Last von den Menschen abfällt. Etwas, das die Chinesen „Wu wei“ nennen.

ANGST

In der Erklärung von Angst finden wir Elemente wieder, die auch Mearsheimer in seiner Theorie der Internationalen Politik beschreibt (2). Und was für Staaten gilt, gilt zuvorderst für Menschen. Angriff ist die erste Reaktion auf ein Angstgefühl. Die genetisch bedingten Lösungen folgen der Sequenz Angriff, Flucht, Erstarren. Woraus zu erkennen ist, dass Präemptivkrieg oder Präemptivkampf, also vorbeugende Angriffe aus archaischen Angstprogrammen stammen.

Lenz beschreibt verschiedene Therapien zur Bekämpfung der Angst. Und kommt dann zum nächsten Kapitel, in dem er fragt, ob Aggressivität nur etwas Böses wäre. Er erklärt den lateinischen Ursprung des Begriffs und erklärt dann seine Bedeutung. Er schließt daraus, dass Aggressivität nicht unbedingt etwas Negatives wäre, sondern auch „Ichstärke“ bedeuten kann, wenn es an etwas Konstruktives gebunden ist. Andererseits gibt es im gesamten Tierreich keine Spezies, die eine ähnlich zerstörerische Aggressivität entwickelt hat wie der Mensch.

Lenz erklärt, dass durch alle Lebewesen ein aggressiver Impuls fließt. Ein Impuls der antreibt. Der hilft, über sich selbst hinaus zu wachsen. Und Lenz bestreitet, dass Aggressivität mit Gewalt gleichzusetzen ist, und er begründet seine Annahme. Aggressivität kann zwar Schlimmes anrichten, aber auch positiv und konstruktiv wirken.

Was Lenz aber feststellt, ist, dass bei Straftätern, die immer wieder straffällig werden, zwar der Wille zur Verbesserung geäußert wird, aber dies nicht in Aktionen umgesetzt wird, weil dafür gebahnte Nervensysteme nur unzureichend ausgebildet wären.
Ziel von Erziehung und Bildung sollte auch sein, diesen Unterschied {zwischen Sprechen und Handeln} zu erkennen und schon früh Sorge dafür zu tragen, dass eine vermehrt konstruktiv kreative Aggressivität die Entscheidungsfindung bei jungen Menschen dominiert. (Seite 52)
Lenz wendet sich gegen eine Laissez-faire-Haltung der sozialpädagogischen Berufe und schreibt:
Erziehung, Bildung und Therapie haben dort eine gemeinsame Wurzel, wo sie wirkliches Tun verlangen und ein bloß daher gesagtes »ich will ja, aber…« als eine Schutzbehauptung entlarven. Denn, wer behauptet, etwas nicht zu können, der sagt eigentlich nur, dass er bis hierher in seinem Leben noch nicht gegangen ist. Je höher der eigene Grad an Ichschwäche anwächst, desto vehementer wird ein Idealselbst aufgebaut und verteidigt. (Seite 53)
Sofort kommt der Verdacht auf, dass sich die Gedanken eines Schill oder Sarrazin wiederfinden könnten. Aber weit gefehlt. Nicht die Gene, so Lenz, bestimmen Charakter oder Verhalten eines Menschen, sondern die Erfahrungen, die er macht.
Wie richtet ein Mensch sein Aggressionspotenzial aus? Wie versteht er es, diese Impulspotenz sinnvoll in die richtigen Bahnen zu lenken? Diese Fragen zu beantworten ist erheblich wichtiger und interessanter, als Aggressivität allein im Fokus von Gewalt zu betrachten. Denn solche Fragen lenken unsere Interessen in Richtung der Ressourcen und nicht, wie allgemein üblich, allein in Richtung der Defizite oder an der Straffälligkeit aus. Diese Umorientierung würde auch die Methoden verändern, die bisher in Sozialtherapien angewendet werden. Dort versucht man vor allem die Frustrationstoleranz (Aggressionshemmung) zu stärken. Um jedoch Rückfälligkeit so gering wie möglich zu halten, benötigen junge Täter einen Rucksack voller Angebote und Möglichkeiten. Dieser kann jedoch nur aus dem bestehen, was an eigenen Ressourcen vorhanden ist oder erweckt wurde. Die einzige Möglichkeit, ein Leben ohne Gewalt zu leben ist die, sich seiner Ressourcen zu bedienen. Die Hirnforschung sagt dazu: Gehirne strukturieren sich in Abhängigkeit von ihren Nutzungsbedingungen. Das, was Du machst, was Du erlebst oder welchen Wegen Deiner Aufmerksamkeit Du folgst, zu dem wird und formst Du Dein Ich. (Seite 54)
Lenz schreibt dann über positive und negative Aggressivität und arbeitet heraus, wie diese sich ausdrücken, und wie man sie beurteilen sollte. Aber auch, wie man zerstörerische Aggressivität in kreative Aggressivität umwandeln kann. Dann greift er die Politik als untätig und unfähig an, diese Erkenntnisse in reale Politik umzusetzen:
Das Erschreckende daran ist, dass mir bisher kein Bildungs- Kultus oder Schulminister im persönlichen Gespräch sagen konnte, dass er um derlei Sachstände keine Kenntnis besitzt. (Seite 57)
Und er beschreibt die fehlenden Aktionen in vielen gesellschaftlichen Bereichen, die letztendlich dazu führen, dass sich nichts ändert. Er stellt die Frage, ob das Handeln der Ausdruck des Willens ist. Und ob man immer wollen darf, was man will. Und er kommt zu einer Gesellschaftskritik:
Wollen wir tatsächlich Frieden - darauf will ich jetzt hinaus, dann sollten wir das auch mit unseren Handlungen beweisen können. Doch was wir mit unseren Handlungen tagtäglich beweisen, das sind unsere inneren Haltungen zur Kampfgesellschaft. Kampf, Gewalt und eine zerstörerisch aggressive Expansion sind unsere Haltungen, die durch einen ›Gewaltungeist‹ den Geist des Friedens längst überholt haben. (Seite 58)
Lenz schreibt dann, was zerstörerische Aggressivität ausrichtet, und dass sie auf psychischer Unreife basiert.
Hoher Empathieverlust oder der unvollständige und nur im Ansatz vorhandene Umgang mit sich und seinem wahren inneren Selbst, ist die Wohlwollensgrenze aus der heraus zerstörerisch aggressiv besetzte Menschen sinnlose Zerstörung anrichten. Sie halten alle genau so klein, wie sie sich selbst als klein und unfähig erkennen. Wobei solche eben über sich selbst das genaue Gegenteil aussprechen. (Seite 59)
Die eigene Schuld wird stets in die Schuld der anderen umdefiniert. Und letztendlich ist der Grund für das Versagen von ambulanten Therapietrainings die Schwierigkeit, dass die Jugendlichen niemals ichkonfrontativ therapiert wurden, so Lenz.

GEWALT IST KEINE LÖSUNG – UND WAS WENN DOCH?

Lenz erklärt, dass der Ausdruck „Gewalt ist keine Lösung“ in die Irre führt. Er schreibt:
Natürlich darf Gewalt keine Lösung sein und es müsste demnach richtig heißen: ›Gewalt darf keine Lösung sein‹. Und natürlich ist Gewalt für Gewalttäter eine Lösung. Nämlich eine Lösung im Sinne einer Scheinlösung für das gegenwärtige Problem. (Seite 65)
Er beschreibt dann, wie Machtfantasien verwaltet werden müssen, und immer wieder kommt die Angst ins Spiel. Lenz erklärt dann, wie Gewalttäter Aggressivität aufstauen und dadurch noch leichter reizbar werden, wie sie schließlich Opfer missbrauchen, um sich vor dem Opfer aufzuwerten. Und schließlich beschreibt Lenz, wie aus dem Verwalten von Gewalt eine Sucht wird.

Ich will jetzt einen großen Sprung machen, denn schließlich will ich nicht das ganze Buch hier beschreiben. Ich werde einige Fallbeispiele überspringen, ebenso wie die Erklärung des Konfliktprinzips.

Im zweiten Teil des Buches beschreibt Lenz den unsinnigen Glauben vom Kampf. Er bestreitet implizit, dass Kampf aus Darwins Grundannahme, das Phänomen der Kooperation verdrängen könnte. Und das tut er recht ausführlich. Und er begründet auch, dass „der gute Kampf“ eine Illusion ist.

Er bemängelt, dass wir aber in unserer Gesellschaft auf antikooperatives Verhalten hin erzogen werden. Und er plädiert für Potenzialentfaltung in konstruktivem Sinn, an Stelle von Kampf.
Das oberste Prinzip der Kampf- und Konfliktgesellschaft ist, auf dieses Kapitel mit äußerster Ignoranz zu reagieren, denn der Glaube an den Kampf ist fast allen zur Religion geworden. (Seite 110)
Lenz schreibt dann über Machtkampf und Kohärenz, und wie in der Gesellschaft gegen Kooperation angekämpft wird. Und er bestreitet, dass es einen „Kampf der Arten“ gibt.
Es gibt überhaupt gar keinen Kampf der Arten untereinander und gegeneinander und es gab einen solchen Kampf nie - nur in der Interpretation unserer Köpfe. Der Glaube an den Kampf, als ein alles bedingendes Prinzip, ist eine Propaganda der Herrschenden, um uns den Wettkampf und das Leistungsprinzip einzuhämmern. Kampf ist die Legitimationsstrategie der Zivilisation selbst, ihr Odem. Gesetzt und durchgeboxt von den Herrschenden zu allen Zeiten als ihr Herrschaftsprinzip. Herrschende sind Gewinner von Machtkämpfen um Landbasen, weil sie Rohstoffe benötigen und durch sie Werte erschaffen, mit denen sie ihren Lebensstandard gerechtfertigt sehen. (Seite 114)
SCHUL MASSAKER

Lenz beschreibt das neue Phänomen des Schul-Massakers, das wenig mit einem herkömmlichen Amoklauf zu tun hat. Denn die „School Schooter“ planen ihre Taten und töten nicht wahllos, sondern planvoll. Er erklärt dies auch an Hand von Beispielen. Und kommt schließlich wieder zu seiner Grundsatzkritik wegen eines Ignorierens von Fakten und Meinungsmache in der Gesellschaft.
Ich referierte an diesem Tag nämlich zum ersten Mal prägnant über die neusten Studien, die in der neurobiologischen Präventionsforschung gemacht wurden. Dabei brachte ich zusätzlich noch die zahlreichen Statistiken zur Diskussion, die heute vielfach als Bildschirmmedienkonsum, Einlass in die öffentliche Diskussion gefunden haben. Nach dem Seminar kam die Veranstalterin empört zu mir und meinte tatsächlich: »Wem habe ich diese Verschwörung zu verdanken? Ich finde das heraus!« Zwei Wochen später hat sie mich angerufen und sich für ihr Verhalten, für das dann auch das Verhalten der anderen Teilnehmer maßgebend war, entschuldigt und das Seminar gewürdigt. (Seite 119)
Er beschreibt dann, wie stark Medien Einfluss auf die Meinungsbildung auch von eigentlich gebildeten und aufgeklärten Menschen nehmen, und wie schwierig es ist, gegen die geballte Vorurteilsmacht aus Medienverfälschungen anzukommen. Und er zitiert, wie auch andere Wissenschaftler bedauern, dass oft selbst auf Fachtagungen nichts als Massenmedienwissen verbreitet wird.

Er geht dann noch ein auf Spiele, Belohnung und Prägung von Kindern. Und er bestreitet, dass Killerspiele und Schusswaffen die Wurzeln der Probleme wären. Gewalt, so Lenz, wäre eine Desintegrationsproblem und damit auch ein Problem der Gesellschaft.

Lenz wagt dann einen Blick in die Seele und versucht School-Shooter zu analysieren. Und er beschreibt, dass in jedem Menschen ein Hybride steckt, und welches Egoideal School Shooter verfolgen.

Dann gerät er, wie auch an anderen Stellen, ins Schwelgen in Worten. Er ist ganz offensichtlich selbst begeistert von seinen Gedanken:
Nichts lässt den Menschen in seinem Streben nach Glück höher erstrahlen, als die Erfahrung, selbst das eigene Lösungsmuster für die anfallenden Lebensprobleme zu sein. Und genau diese wichtigste Erfahrung, wird über eine selbstgerechte Erziehung behindert. Kinder brauchen Probleme, an denen sie wachsen können - nicht etwa solche, an denen sie häufig scheitern. (Seite 122)
Eine konkrete Beschreibung der üblichen Verhaltensweisen in Konfliktsituationen gibt Lenz auf Seite 123:
Ist eine Auseinandersetzung für mich aussichtslos und könnte meine Unversehrtheit dadurch eingeschränkt werden, dann fliehe ich. Ist eine Sache vollkommen aussichtslos, dann bewältige ich sie dadurch, indem ich den anderen verdränge, zusammenschlage oder gar töte. Ist die Sache hingegen dermaßen aussichtslos, dass ich nie mehr auf die Beine komme, dann töte ich mich selbst.
Wobei er allerdings auch auf kulturelle Unterschiede hinweist.
Das wirklich Erstaunliche dabei war, dass japanische Männer nicht annähernd so deutliche antisoziale Haltungen zur Gewalt aufweisen, als US-amerikanische Frauen! [...] Das heißt auch, wie eine Gesellschaft zur sozialen Gewalt Stellung nimmt und wie sie ihre Haltungen dafür ausformt, erhöht oder vermindert automatisch auch den Ausbau von antisozialem Potenzial. (Seite 148)
EGOSHOOTER

Dann kommt er doch noch einmal auf Egoshooter zurück und ernennt sie „eine neue Droge“. Im Prinzip wäre es Teil einer Verdrängungsstrategie.
Verdrängung ist also nicht nur bloßes Verdrängen, sondern auch das Erschaffen einer Struktur, durch die man das Problem aus den alltäglichen Bewusst seinszuständen auslagern kann. (Seite 132)
Statt Verdrängung sollte man Konfliktlösungskultur an Schulen lehren und in die elterliche Erziehung einbinden.

KULTUR DES BÖSEN

Lenz beschreibt, dass viele Verbrecher Psychopathen sind, und noch dazu intelligente, die sich gut verstellen können. Er zitiert dann auch aus der Zeitschrift „Gehirn & Geist“, die in Ausgabe 4/2009 beschrieb, wie gut Psychopathen oft „bluffen“ können, um entlassen zu werden. Und er versucht die Unterscheidung zwischen Soziopath und Psychopath zu beschreiben. Dabei geht er wieder tief ins Gehirn und beschreibt ausführlich welche Bereiche des Gehirns wie einbezogen sind. Und schließlich kommt er wieder auf Gesellschaftskritik zurück:
Zu Zeiten Nazi-Deutschlands hatten antisoziale Persönlichkeiten größte Chancen zu forschen, zu quälen, zu herrschen und zu beherrschen, zu gestalten, zu richten und zu foltern. Auch haben die USA in zahlreichen Kriegen auf der Welt nach 1945 Kindersoldaten mit Waffen beliefert und ihre Ausbildung zum Morden gefördert - natürlich inoffiziell. Die westlichen Gesellschaftsformen, vor allem die heutige USA, fördern in diesem Sinne antisoziale Persönlichkeitsmerkmale heute und zunehmend gewinnen Psychopathen und antisoziale Mitläufer wieder an Bedeutung. Krieg war und ist die Blütezeit aller Formen schwerster seelischer Krankheiten. …
Eine Gesellschaft fördert selbst ihren Grad an antisozialem Potenzial je intensiver sie in einem sozialen Regelwerk lebt, das jedem Einzelnen erlaubt, in der Wahl der Verteidigungshaltung a) ein hohes Maß an eigener Gewaltbereitschaft ausleben zu dürfen und b) die Wahrnehmung zur Verteidigung in geringen Angriffsreizen zu erlauben. ›Präemptivkriegs-Theorem‹: Die Angriffshemmung in der nationalen- und zivilen Selbstverteidigung wird stark gelockert, beispielsweise als Leitidee Angriff ist die beste Verteidigung, um Finalkonter schon im Ansatz zu ermöglichen und zu erlauben (Wettbewerbsvorteil). Beide Arten der ›gewaltverherrlichenden Vorbeugung‹ können schnell dem Irrtum unterliegen, einen Täter zeitlich und örtlich dort schon im Keime auszumerzen, wo er a) gar nicht vorzufinden ist und b) wo er sein könnte oder wo man ihn gerne hätte. Präemptivkriege locken auch in Demokratien Verführer an, wo verführende Autoritäten uneingeschränkt zu Willen sind. (Seite 149)
Er beschreibt, dass Herrschaft immer das Gewaltmonopol benötigt. Und zitiert Benito Mussolini, den Begründer des Faschismus mit den Worten
„Wenn die Industrie und die Politik dieselben Interessen vertreten, dann entsteht Faschismus“. (Seite 152)
FOLTER

In einem Kapitel geht Lenz auf Folter ein, und wie sich Folter seit den frühen 1960er Jahren zu einer „sauberen“ Folter weiterentwickelte. Namhafte Psychologen hatten sich an der Weiterentwicklung von „innovativen Verhörmethoden“ beteiligt. Und sie wurden und werden in den Gefangenenlagern in Abu Ghraib, Bagram und in Guantánamo eingesetzt. Lenz weist darauf hin, dass es kein Recht auf Folter gibt. Unter keinen Umständen. Er beschreibt dann verschiedene Foltermethoden und ihre Folgen.

DAS SOGENNANNTE BÖSE

Lenz zitiert Altbundeskanzler Helmut Schmidt kurz nach dem 11. September 2001 mit den Worten
Die Entschuldigungen der Großmächte in der Menschheitsgeschichte für ihre Invasionen waren stark wechseln, nie aber von großer Qualität“. (Seite 157)
Er beschreibt dann, wie Industrie und Militär daran gingen, „das Böse“ zu kultivieren. Und wie die freie Presse heute keine Rolle mehr spielt. Ebenso wenig wie die Freiheit in der Marktwirtschaft. Er beschreibt, dass man an nichts anderem so schnell so viel Geld verdienen kann wie an Krieg. Und er behauptet, dass schon der Großvater von Goerge W. Bush Geld verdient hätte, indem er ein Geldgeber für Hitlers Interessen war.

Und dann verliert man den roten Faden. Lenz schweift zu weit ab von seinem ursprünglichen Thema, was vielleicht sinnvoll ist, aber nur wenn dabei ausreichend die Beziehung zum Thema Gewalt und Aggression erläutert wird.

So behauptet Lenz auf Seite 161, dass die Finanzkrise von 2008 inszeniert worden wäre, und führt umfangreiche Begründungen dafür an. Schließlich erklärt er, dass die Federal Reserve Bank eine Privatbank ist, von der die Regierung das Geld erwerben muss. Eine etwas vereinfachte Sicht der Situation, die darauf hindeutet, dass zumindest an dieser Stelle auch politische Propaganda betrieben wird.

Schließlich befürchtet Lenz einen neuen Eisernen Vorhang, weil die zwei Großmächte, die nur gemeinsam in der Lage wären, USA in die Schranken zu weisen, Russland und China, keine andere Wahl hätten, als einen neuen Eisernen Vorhang aufzubauen, sollten sie sich entschließen, dem Weltdominanzanspruch der USA zu widersprechen. Was weitgehend mit der Sicht von Chossudovsky und Mearsheimer übereinstimmt. Wobei der Leser aber nicht ausreichend aufgeklärt wird, wie diese Entwicklung in Bezug auf das Grundthema des Buches, Gewalt und Aggression zu sehen ist.
Der Krieg ist die Legitimation allen Bösen im Menschen. Es kann also immer noch schlimmer kommen. In meiner Praxis habe ich Kriegstäter und Kriegsopfer therapiert. Was sie erlebt oder erduldet haben, ist derart grausam und für uns Zivilisten auch unvorstellbar, dass ich mich davor hüte, hier ihre Erlebnisse wiederzugeben. In den ersten vierzig Jahren nach 1945 wurde in der deutschen Bevölkerung und dem Parlament folgendes in Stein gemeißelt: Nie wieder darf von deutschem Boden aus Krieg ausgehen. Doch die Politik sieht dies anders. Auch Deutschland beteiligt sich wieder an Wirtschaftskriegen, denn da oben, so ist es nun mal, herrscht eine Wirtschaftsmafia, ein Bündnis der politischen und Industriellen Oberschicht, gegen die die italienische oder russische Mafia nichts weiter als ein Fliegenschieß ist. Seit eh und jäh hat das Böse seine Kultur im Wesen des Krieges bekommen. Folgen wir nun ihren Spuren und erfahren, dass das Unfassbare eine Realität ist, vor der uns die Mainstreammedien gekonnt abzuschirmen erlernt haben. (Seite 162)
Der Kult der Gewalt, so Lenz war niemals ausgeprägter als zum heutigen Zeitpunkt. Er beschreibt die ständig steigenden Ausgaben für Rüstung, und die immer größeren Ausgaben für Kriegsführung. Zusammen werden nach offiziellen Angaben in der Welt 1,57 Billionen US-Dollar ausgegeben. (www.yoice.de) Und legal wird von der Waffenindustrie, so Lenz, 1,2 Billionen US-Dollar legal umgesetzt. Diese Industrie würde so viele Patronen verkaufen, dass man jeden Menschen auf dem Planeten damit zweimal erschießen könnte.

Er beschreibt dann weiter wie Kriegsspieler und Kriegsmaschinen funktionieren. Lenz schlägt den Bogen vom School-Shooter zu illegalen Angriffskriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan, zu Uranmunition und der größten Bombe aller Zeiten, „die von einem Friedensnobelpreisträger entwickelt wurde“.

Von den Eingangserklärungen zu erlernter Hilflosigkeit in der Jungend, kommt Lenz dann dazu zu erklären, dass „alle Kriegstreibe eine Friedensmission und Foltergefängnisse mit positiven Psychologie und den Mitteln der Erlernten Hilflosigkeit optimier{en}; fast hört es sich nach Partiestimmung an.“ (Seite 167)  Lenz meint:
Allerdings zeigen die Feindbilder dabei immer auf einen Typus, auf Adolf Hitler. Sein Archetyp des Bösen muss für Friedenskriege herhalten. Für Saddam Hussein, für Slobodan Milosevic, für die Taliban, die Hamas, die Al-Kaida, … niemals aber für die eigene Kriegslist, die an Grausamkeit und Bestialität alles übertrifft, was je da gewesen ist. 8Seite 167)
DIE STAATSRÄSON

Das Buch wird immer mehr zu einer philosophischen Diskussion. Der Autor fragt, ob die Staatsräson der eigentlich Feind des Friedens, der Menschenrechte und der menschlichen Würde, der Demokratie und der kulturellen Kooperation wäre. Er beschreibt, dass Staatsräson den Grundsatz einer Regierung beschreibt, nachdem der Staat ein Anrecht darauf hat, seine Interessen unter Umständen auch unter Verletzung der Rechte des Einzelnen durchzusetzen, wenn dies im Sinn des Staatswohls für unbedingt notwendig erachtet wird. Und er fragt, ob denn nicht das Staatswohl durch den Volkswillen definiert würde.

Lenz kritisiert heftig die derzeitige Politik der USA und erklärt den Zusammenbruch des Sowjetreichs als das Verlieren im Kampf um Rohstoffplätze. Schließlich beschreibt er die jüngere Geschichte, die zum Zusammenbruch des Ostblocks geführt hat. Und kritisiert die Scheinheiligkeit, mit der Eroberungskriege als Friedensmissionen dargestellt werden.

Lenz bestreitet die dominante Rolle von Al-Kaida und erklärt, dass Robin Cook, ein Journalist, der einen kritischen Artikel darüber im The Guardian veröffentlicht hatte, wenige Tage nach dem Erscheinen des Artikel mit einem Genickbruch beim Wandern an einem kleinen Berg in Schottland aufgefunden wurde. Seitdem hat kein Journalist der Massenmedien mehr die offizielle Darstellung hinterfragt.

9/11

In diesem Kapitel gerät der Autor vollends weg von seiner anfangs empirisch und wissenschaftlich begründeten Auslassungen, die uns über philosophische Gedanken nun zu einem neuen Thema führen.

Lenz bezweifelt die offiziellen Beschreibungen der Ereignisse vom 11. September 2001 und nennt einige markante Gründe für seine Zweifel. Eines der wichtigsten Gründe für seinen Zweifel ist die Freifallgeschwindigkeit, mit der die Gebäude zusammen stürzten, folgt man den offiziellen Untersuchungsergebnissen. Die aber nicht erklären konnten, wie dies möglich war. Und er beschreibt die Darstellung auf Videos als äußerst unzufriedenstellend.

Lenz kritisiert dann noch einmal vehement den Einsatz von Uranmunition und bezeichnet diese als neue Holocaust-Waffe.
Am zweiten Dezember 2008 stimmten vier Länder bei der UNOVollversammlung gegen die Ächtung dieser Waffe: USA, Großbritannien, Frankreich und Israel. »Dort, wo die deutschen Soldaten stationiert sind, in Kunduz, Kabul und Masa-El-Sharif, wurden am Anfang des Krieges gegen Afghanistan verstärkt tonnenweise Uranbomben verschossen. Mittlerweile gelten beide Regionen als kontaminiert. Frauen bringen dort Neugeborene zur Welt, die aussehen, als hätte jemand sie zusammengeschlagen und danach in Mehl gewälzt, berichten Väter und Ärzte. Oft sind diese Neugeborenen gar nicht als Neugeborene zu erkennen. Mütter, die ein solches Kind gebären, erleiden oft beim Anblick einen so heftigen Schock, dass sie wenig später am Schock versterben. Die dort stationierten Soldaten, sowie die Zivilbevölkerung müssten dort eigentlich mit Schutzanzügen versehen sein, so stark ist die radioaktive Strahlung dort. Doch weiß kein Soldat etwas davon, weil unsere Regierung darüber schweigt und in Kauf nimmt, dass die Soldaten dort dem erhöhten Strahlenrisiko ausgesetzt sind. …
Die Alliierten setzen Eltern, Ärzte, Soldaten und Politiker unter Druck, darüber in der Öffentlichkeit zu schweigen«, berichtet der Grimme Preisträger FRIEDER WAGNER über seine Erfahrung mit diesem Thema. Er hat den Stein des Anstoßes in der Öffentlichkeit über Uranbomben mit seinem Kinofilm Deadly Dust und seiner Reportage über Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra gesetzt. Im Internet gibt es zahlreiche Beiträge dazu - in den meinungsbildenden Medien wird darüber geschwiegen. …
Wenn für ein Atomkraftwerk eine Tonne Brennstäbe hergestellt  werden, fallen sieben bis acht Tonnen Abfall an. Dieser Abfall wird  als ›abgereichertes Uran 238‹ bezeichnet. Er ist hochradioaktiv und  hochgiftig. Man schätzt, dass die Atomkraftwerke weltweit bisher  an die zwei bis drei Millionen Tonnen abgereicherten Urans produziert  haben. Dieser Abfall wird offiziell als Depleted Uranium DU be202  zeichnet. Das britische, das israelische und das US-amerikanische  Militär sehen im abgereicherten Uran eine militärische Waffe, die  jedes Material durchdringt, was sie zu einer dominanten und übermächtigen  Waffe macht. Seit 1991 wird sie in ›allen Kriegen‹ eingesetzt,  in denen das britische, das israelische und das USamerikanische  Militär eingebunden waren oder noch immer eingebunden  sind. Mit dieser Waffentechnologie wurde der Geist HITLERs  wiederbelebt, denn die Waffe eignet sich auch hervorragend dafür,  um ganze Bevölkerungsgruppen zu dezimieren oder gar auszurotten. 

»Das Kind hat eine Hautkrankheit und Fischaugen und Fischmund.  Es wird sterben«, so der Kommentator des Kinofilms Deadly Dust.  Ein Dokumentarfilm, der, völlig zu Recht, den europäischen Fernsehpreis  erhielt und, völlig zu Unrecht, nur ein einziges Mal im deutschen  Fernsehen ausgestrahlt wurde. Er ist zu brisant für die deutsche  Politik in Afghanistan, denn auch deutsche Soldaten könnten  solche Neugeborene zeugen. Die Staatsräson verbietet diesen Film  und das Wissen darum, für seine Bürger. Daher verhindert die  Staatsräson wichtige demokratische Prozesse und ist damit sogar  oft auch der Feind in den eigenen Reihen. 

»Das sind alles schlechte Prognosen. Die Kinder leben alle nicht  mehr lange. Furchtbare Situation. Das bedrückt mich alles so, wenn  ich das sehe, furchtbar, furchtbar, furchtbar…« Der Mann der das  mit gesenkten Kopf und sichtbarer Bedrückung sagt, war Schüler  des legendären Arztes ALBERT SCHWEITZER. SIEGWART-HORST GÜNTHER,  der seit über vierzig Jahren im Irak als Arzt tätig ist, untersuchte die  seltsamen Krankheitsbilder von Säuglingen und Erwachsenen schon  im zweiten Golfkrieg im Irak, wo sie als Golfkriegssyndrom Anfang  der 1990er Jahre bekannt wurden. Danach mehrten sich in den  nachfolgenden Kriegen, an denen die USA und Großbritannien beteiligt  waren, im Jugoslawienkrieg 1998, im dritten Golfkrieg im Irak  von 2003 Soldaten mit seltsamen Krankheitsbildern. Heute sind ihm  auch Fälle deutscher Soldaten in Afghanistan bekannt, die an solch  seltenen Krankheitsbildern litten. 

GÜNTHER ging zu den Kriegsschauplätzen, wo die Häufigkeit der  strahlenkranken Babys hoch war und untersuchte mit einem Gei203  gerzähler den Boden und die zerstörten Panzer. Dort, wo ein Geschoss  eingedrungen war und den Panzer zerstörte, waren die Messungen  ganz besonders hoch. Seine Vermutung, dass es sich bei den  Krankheitsbildern der Babys um radioaktive Verstrahlung handeln  könnte, fuhr ihm durch Mark und Bein. Hier wurden offensichtlich  hochradioaktive Geschosse eingesetzt, um den Krieg zu gewinnen.  GÜNTHER suchte nach Überbleibseln dieser Geschosse und wurde zufällig  bei einigen Müttern fündig. Denn deren Kinder spielten mit  diesen zehn bis zwanzig Zentimeter großen Geschossprojektilen. Sie  malten sie wie Puppen an, ließen sie nachts neben sich am Kopfkissen,  während sie schliefen, und spielten sorglos mit diesen giftigsten  aller Gifte tagein, tagaus.

»Die Prognose ist sehr schlecht«, sagt eine irakische Doktorin,  »achtzig Prozent der Kinder sterben. Alles ist inzwischen verseucht,  durch den Uranstaub, der mit dem Wind übertragen wird. Die Luft,  der Boden, das Essen, alles ist kontaminiert.« GÜNTHER sucht und  findet auch im jetzigen Irakkrieg abgefeuerte Überreste der Uranmunition.  Um aber einen Beweis dafür in Händen zu halten, dass es  sich tatsächlich auch um abgereichertes Uran handelt, mit dem die  Alliierten 1991 im Irakkrieg geschossen haben, fuhr er nach  Deutschland und bemühte die Humboldt-Universität um eine Untersuchung  und um den Beweis, doch die lehnte es ab, ein hochgiftiges  und radioaktives Material zu untersuchen. Dann ging er zur  Technischen Universität Berlin und die verhielt sich genau so und  lehnte eine Untersuchung strickt ab. Dann ging er zur Freien Universität,  zum Radiologischen Institut Berlin. Als er dort ankam, »da sagten  sie, heute ist Freitag, wir wollen das Zeug nicht, kommen sie am  Montag wieder«, berichtet GÜNTHER. Als er Montag zum Institut  kam, traute er seinen Augen nicht. Dort empfingen ihn sechzehn Polizisten,  die ihn verhaften wollten, weil er hochtoxische Gifte mit sich  trug. »Dann kam«, so fährt er fort, »ein Spezialkommando der Polizei  in Schutzkleidung, mit besonderen Behältern und beschlagnahmten  das Material.« 
Der Gutachter HERMANN JOSEF JUNG fand dann heraus, dass es sich  bei dem Material tatsächlich um hoch radioaktives abgereichertes  204  Uran handelt. Allerdings wurde gegen den Verursacher des Abfalls,  SIEGWART-HORST GÜNTHER, ermittelt. Ergebnis der Ermittlungen: 

Professor GÜNTHER bekam einen Strafbefehl des Amtsgerichtes  Berlin wegen Freisetzung ionisierender Strahlung. Darin heißt es:  Durch falschen Umgang mit dem Geschossprojektil entsteht die Gefahr  der Kontamination und in Kooperation radioaktives Material,  was zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann. Das Gericht verurteilte  GÜNTHER zu einer Geldstrafe von DM 3000,-. GÜNTHER lehnte  die Geldstrafe ab, weil er meinte, dass dann auch die US-Regierung  und die Verbündeten eine Geldstrafe zahlen sollten, die der Menge  angemessen sei, die dort noch immer liegt und die sie dort verschossen  hatten. Daraufhin wurde er für fünf Wochen inhaftiert,  wobei man ihm Schikanen aussetzte. Letztlich protestierten seine  Studenten so deutlich vor dem Justizvollzugsgebäude, dass man ihn  nach fünf Wochen entlassen hatte. Doch: Nun hatte er auch den  Beweis, dass die alliierten Truppen tatsächlich abgereichertes Uran  und Plutonium als Waffe eingesetzt haben und er hatte die Ursache  des Sterbens ausgemacht, an der so viele Menschen gestorben sind.  »Es beginnt mit einem Zusammenbruch des Immunsystems mit ansteckenden  Infektionskrankheiten, insbesondere auch Virusinfektionen,  dann Krebsbildungen und Leukämie, Funktionsstörungen bei  Nieren und Leber, dann vor allem auch Erkrankungen genetischer  Art, mit Missbildungen bei Neugeborenen und dann Frühgeburten  und Fehlgeburten ähnlich wie nach dem Unfall in Tschernobyl«, sagt  SIEGWART-HORST GÜNTHER in die Kamera. Er ist einer der angesehensten  Epidemiologen unserer Zeit und gehörte im Zweiten Weltkrieg  zur Widerstandsbewegung um CLAUS GRAF SCHENK VON STAUFFENBERG. 

Bis heute lehnen die Militärs jede Verantwortung ab. Es gebe keine  Beweise dafür, das Uranmunition das Golfkriegssyndrom auslöse, an  denen bis heute über einhundertfünfzig Tausend Soldaten erkrankt  sind, sagen sie. Die Kinder von Golfkriegsveteranen kommen drei  Mal so häufig missgebildet zur Welt, wie andere Kinder. In England  zeigten britische Soldaten dem Unterhaus ihre missgebildeten Kinder  und gaben dabei ihre im Krieg verdienten Auszeichnungen zurück. …(Seite 204)
Lenz erklärt weiter die schrecklichen Wirkungen. Folgt man seinen Ausführungen steckt hinter der Uranmunition ein ähnlicher Skandal, wie der, der nach dem Beginn der Versuche mit Atombomben aufgedeckt wurde. Nur dass heute die Uranmunition in viel weiterem Umfang und ohne jedes Anzeichen einer Begrenzung eingesetzt wird, während Atombomben bisher nur zwei Mal von den USA gegen Ende des 2. Weltkrieges eingesetzt wurden. Es handelt sich laut Lenz um den giftigsten Stoff, der jemals von der Menschheit entwickelt und verbreitet worden war. Und der Widerstandsfähigste. Denn es dürfte Jahrtausende dauern, bis der Uranabfall seine Giftigkeit verliert.

KONFLIKTLÖSUNG GAR NICHT ERWÜNSCHT?

Lenz erklärt, dass natürlich statt Krieg auch Kooperation möglich wäre. Er fragt aber, ob dies überhaupt gewünscht würde. Er fragt, ob es möglich wäre, dass der „Eskalierer von Anbeginn seiner Handlungen davon ausgeht, dass Konfliktlösungen gar nicht in Betracht kommen sollen, weil er Konfliktlösungen gänzlich ausklammert?“ Und er zitiert dann Hitler, der vor 70 Jahren seinem Militär vordiktierte:
»Die Auslösung des Konfliktes wird durch eine geeignete Propaganda erfolgen. Die Glaubwürdigkeit ist dabei gleichgültig, im Sieg liegt das Recht!« (Seite 207)
Lenz erklärt, dass es Grenzen für die Konfliktbewältigung gibt. Nämlich dann, wenn für einen Kriegstreiber nicht der Sieg, sondern der Krieg sein Ziel ist.

Lenz beschreibt, wie als Nachwirkung des Krieges im Irak heute die Anzahl schwerster Missbildungen drastisch gestiegen ist. Er beschreibt die Art der Missbildungen. Und er hinterfragt, ob ein Krieg dies Folgeschäden wirklich wert ist.
»Anfänglich hatte ich natürlich keine Erfahrung über die Nebenwirkungen der Uranmunition und habe mir selbst schwere Gesundheitsschäden zugezogen. Inzwischen hatte ich drei Operationen und stehe jetzt unter Medikamenten«, beschreibt SIEGWART-HORST GÜNTHER seinen im Irak sich zugezogenen Krebs. Die letzte Szene im Film zeigt einen siebenjährigen Jungen, der an Lymphknotenkrebs leidet. »Es ist furchtbar, das zu sehen. Meistens nehmen die Mütter ihre Kinder zurück nachhause, damit sie zuhause sterben«, sagt GÜNTHER. (Seite 208)
Lenz bezweifelt die klassischen Konfliktforschungsansätze, die davon ausgehen, dass man unter feindlichen Militärs und Politikern vermitteln könnte. Denn nach seiner Meinung geht es in den meisten Fällen NICHT um den Konflikt, den der Kriege mit Waffengewalt verursacht, oder darum, diese Sicht des Konflikts mit den Mitteln des Militärs zu lösen. Er sagt, dass
Der Krieg ist wie der Kampf, ein Mittler oder Übermittler von etwas ganz anderem. Krieg ist nicht nur die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln, sondern eine Möglichkeit, seine inneren Schwächen zu überspielen und sich zu nehmen, zu was man die eigenen Stärken und Potenziale im Volk noch nicht entwickelt hat, um es aus sich selbst heraus zu entwickeln. (Seite 210)
Durch diese Feststellung wird schließlich doch wieder der Bogen zu seiner anfänglichen Analyse und Therapievorschlägen geschlagen. Aber dann gleitet das Buch ab in unbeweisbare Theorien, indem Lenz behauptet, dass der „wahre Wert eines militärischen Konflikts liegt in den Schulden, die er verursacht und weitstreuend verteilt.“ Seiner Meinung nach haben Schulden einen höheren Wert als Geld, weil Schulden verzinst werden, „und die Dauer des Abzahlens (Energieabschöpfung des Schuldners) den des Geldwertes immer überschreitet(Seite 211)

Dieses Abschweifen wird bei vielen wohlmeinenden Lesern, die ihm über weite Teile seiner Argumentation folgten, als politische Propaganda aufgefasst werden.

VERWEIGERUNG VON KAMPF

Lenz erklärt, dass nur die vollkommene Verweigerung vom Kampf die gewaltfreie Lösung darstellt. Und er kritisiert den kritiklosen Konsum von Propaganda, der uns verroht und gewaltbereit macht.
Ich muss mich vom Kampfgeist entbinden, abnabeln, lossagen, entoptimieren und den Ersatz, die Alternative, das Wesentliche dazu in mir selbst sehen, in dem, was ich wirklich bin und nicht in dem, was ich meine, sein zu wollen. Nicht nur einfach nicht da sein, wenn uns jemand zu kämpfen auffordert, verhindert den Kampf, sondern: für die Kampfaufmerksamkeit des kämpfen Wollenden kein Licht zu sein, dessen Schatten sich in ihm spiegeln will, ist die Lösung. Das ist das Wesen des Nichtkampfs, kein Schloss für auch nur irgendeinen Schlüssel dazu zu sein. Das ist der wahre Weg der Gewaltlosigkeit: selbst nicht der Spiegel für den Kampf anderer zu werden oder es je zu sein. Kämpfe nicht führen zu wollen, die die Kämpfe und Kampfaufforderungen anderer sind und die nur mein tief verwurzeltes Bedürfnis zur Verteidigung benutzen, um ihren Angriffswillen auszuleben.

Weil ich gerne für das Sehnen zu etwas kämpfen will und dabei so gut wie nie bemerke, dass solche Kämpfe am Ende nur einen einzigen Menschen besiegen und ihn klein machen: Mich selbst und allen Mut, mich selbst mit aller Kraft zu wagen. Das ist die schwerste aller Kampfkünste überhaupt und ihr verborgenes Geheimnis und Rätsel zugleich: Trage dein Schwert stets bei dir und besiege deinen Geist, der dir dein Schwert schmiedete. Besiege zuerst die Schmiede und kämpfe niemals gegen fremde Schwerter an, denn sie sind alle gleich deinem Dämon, der dir deine Schmiede schuf. Kämpfst du gegen diese unendlich vielen Dämonen, lässt du es zu, dass sie dich reihenweise zum Kampf auffordern, wirst du dich in ihren Kämpfen wiederfinden und zum Dämon deiner selbst werden. Dieser Dämon wird es nicht schlimm finden, wenn du bei immer kleineren Gelegenheiten zuschlägst. Er wird dir sagen: Du hast das Recht, dich zu verteidigen, obwohl du es nicht bräuchtest. Diese Schmiede wirst du nicht wieder los.

Im zweiten Kapitel habe ich beschrieben, dass wir alle unser adgredere- Potenzial in konstruktiv kreative Lebensenergien lenken können und negativ zerstörerische Aggressivität nicht zulassen sollten. Zerstörerische Aggressivität tötet den Nichtkampfwille ab und räuchert alles Wahrnehmbare dazu aus. Wir sollten uns stets darum bemühen, diesen Unterschied in unsere Aufmerksamkeit einfließen zu lassen. Denn die älteren emotionalen Bahnen in unserer Gefühlswelt (die älteren Systeme in unserem Gehirn) spielen uns sonst die unangenehmsten Streiche mit unserer Wahrnehmung, durch die wir uns dann zu Schlussfolgerungen hinreißen lassen, die unseren sozialen Untergang formen. Aggressivität, die den Kampf und den Konflikt herbeiprojiziert und Gewalt überträgt, ist eine Zeitmaschine, die uns um Millionen von Jahren zurückwirft in eine Zeit, in der das Hightech Instrument dazu der Faustkeil war.

EINE VERDAMMT UNBEQUEME WAHRHEIT »LÜGEN UND PROPAGANDA IN KRIEGEN SIND WAFFEN: SIE TÖTEN DIE WAHRHEIT UND UNTERSTÜTZEN DIE GRAUSAME GIER DER KRIEGSVERBRECHER. IHRE TARNFARBEN SIND FREIHEIT, HUMANITÄT, DEMOKRATIE, MENSCHENRECHTE UND ›AUSCHWITZPRÄVENTION‹. DAS ALLES GELINGT DER LÜGE ABER NUR, WEIL DIE MENSCHEN SOLCHE PROPAGANDA FÜR WAHRHEITEN HALTEN, MIT DENEN SIE IHRE EIGENEN LEBENSWIRKLICHKEITEN ZUZUSCHÜTTEN ERLERNEN. IHRE GEFÜHLE UND EMOTIONEN SIND IM LAUFE IHRER ENTWICKLUNG ZUM ERWACHSENEN MENSCHEN VERHÄRTET UND VERROHT; EBEN ZIVILISIERT WORDEN. KRIEG IST DAS SELBSTBESTIMMUNGSRECHT DES GEFÜHLSTOTEN NEUROTISCHEN PSYCHOPATHEN. DES VON MACHT, HABGIER, NARZISSMUS UND EMOTIONALER VERPANZERUNG HERAUS SICH ENTWICKELNDEN MENSCHENTIERS. KRIEG IST DAS AUSLEBEN DES TOTALEN KONFLIKTKAMPFUNGEISTES, DEN DAS MENSCHENTIER GEGEN SEINE EIGENE WAHRE LEBENSKRAFTENERGIE FÜHRT. DIESE LEBENSKRAFTENERGIE WIRD IN ALLEN KULTUREN AUCH GOTT GENANNT. UND DA DER MENSCH SELBST EIN TEIL GOTTES IST, TÖTET ER GOTT IN SICH SELBST AB. DENN GOTT IST DIE LIEBE, DAS LICHT, DIE WAHRHEIT UND DAS LEBEN. KRIEG IST DIE BEJAHUNG ZUR VERNEINUNG DES LEBENDIGEN IN ALLEM UND JEDEM. « Wie anders würde unsere Welt aussehen, die Staaten würden jährlich 1,57 Billionen US-Dollar für Konfliktlösungen ausgeben und nicht für Konfliktlösungsverweigerung? (Seite 220)
Er zitiert dann aus verschiedenen Büchern Aussagen, die seine Meinung untermauern.

Schließlich zitiert der Autor Gandhi und Schopenhauer, die zu der Meinung gekommen waren, dass man nur dann eine Änderung der Welt erreichen könne, wenn man selbst zu dieser Änderung wird. Und dies will er im dritten Teil seines Buches beweisen.

LOB DER POTENZIALENTFALTUNG

In der Einleitung bestärkt Lenz noch einmal, dass aus der Natur gelernt werden kann, dass Gewaltprobleme nie mittels Kampf, sondern über Kooperation gemeistert werden.

Er leitet seine Erklärungen mit Ergebnissen aus der medizinischen Forschung ein, die nachgewiesen hat, dass Freiwilligkeit bei der Behandlung zu keinem erhöhten Kortisolspiegel führte, während erzwungene Behandlung den Kortisolspiegel steigen lässt. Entscheidend für das körperliche Befinden ist demnach die Freiwilligkeit.
Bin ich von den Haltungen des Zweikampfs überzeugt (ich muss gegen jemanden kämpfen, damit ich mein Ziel erreiche), dann werden Kampfhaltungen das Ergebnis sein. Alle gewaltlosen Haltungen werden dann nicht in der eigenen Realität oder Wirklichkeit ausprobiert und optimiert werden können. Kampf- oder Gewaltfreiheit gelten dann als realitätsfern und als blanker Unsinn. (Seite 232)
Er fordert ein neues Bewusstsein, Menschen, die bereit sind, ihre Haltungen zu ändern, und vorgefasste Einstellungen zu hinterfragen und dann vielleicht sogar zu ändern.

Der Geist in einer Gesellschaft, so Lenz, bestimmt darüber, welche Erfahrungen gemacht werden dürfen und können. Wer darüber hinausgeht, der lebt gefährlich. Die heutige Gesellschaft nach Lenz erlaubt den Menschen nicht, ihre Potenziale zu entfalten. Und er schlägt den Bogen von Gewalt der Jugend an den Schulen zur Fratze der Gewalt.
Die zwei Grundhaltungen, mit denen jeder Mensch groß wird, sind a) ich bin verbunden und will dazugehören und b) ich will autonom werden und wachsen können. Die Frage ist, wo und mit was kann ein Mensch das erreichen? Die Antwort ist banal: nur mit Liebe. (Seite 235)
Lenz schreibt, dass es vielen Erwachsenen zu unbequem geworden ist, sich unbequem zu machen, und eine andere Richtung einzufordern. Immer mehr würden in die falschen Wachstumsprozesse wachsen. Aber nur wenn ein Mensch das Gefühl hat, dass er wachsen darf, und dass er das mit der Gesellschaft im Einklang tut, wird er ein positives Sättigungsgefühl erleben.

Lenz fordert:

NEUE BILDUNGS- UND ERZIEHUNGSHALTUNGEN
Eine das individuelle Potenzial von Kindern und Jugendlichen entfaltende Pädagogik gibt es noch nicht, und wie mir scheint, wird es sie auch in naher Zukunft nur in entsprechenden Leuchttürmen geben. Weil nämlich eine solche Pädagogik auch gleich unsere gesamte Gesellschaft verändern würde. Pädagogik kann nie gelingen, indem die Kinder die Dinge die sie dort tun müssen, nicht verstehen können, die sie nicht mitgestalten können und durch die sie keine eigene Bedeutsamkeit erfahren können. Bildungsprozesse können nicht gelingen, wenn das was dort geschehen soll, nicht verstehbar ist, nicht mitgestaltet werden kann und wenn es den Kindern und Jugendlichen dabei an der gefühlten Bedeutsamkeit fehlt. Um sich dies aber dennoch vorzumachen, hat sich die Pädagogik eine Unmenge an Modellen ausgedacht. (Seite 239)
An verschiedenen Beispielen zeigt er, wie die Entwicklung von Potenzialentfaltung, von Kreativität möglich ist. Er spricht von einer Studie über Mathematik in der Grundschule. Durch sehr gutes balancieren, so die Ergebnisse der Studie, ließen sich mathematische Fähigkeiten verbessern. Und Klettern unterstützte die Kreativität in Mathematik. Räumliches Sehen, Begreifen und Erfassung der dreidimensionalen Umwelt und der darin befindlichen Körper wurde geschult. Und er weist darauf hin, dass Breitensport auch gut für die Entwicklung von konstruktiver kreativer Aggressivität ist. Und er bedauert, dass es Schulen gibt, die Sport sogar als Schulfach abschaffen wollen.

Im Nächsten Kapitel berichtet er dann über Beispiele zur Kooperativität.

KOOPERATIVITÄT

Lenz widerspricht der Auffassung, die aus Darwins Lehre gezogen wird. Darwin nannte seine Theorie „Krieg der Natur“. Demnach wäre der Kampf das Prinzip der Evolution.

Lenz schreibt:
Evolution beruht auf vielem, jedoch keineswegs auf den Kampf aller gegen alle. Es kommt noch radikaler: Einen Kampf um alles oder irgendetwas hat es nie gegeben. Kampf ist kein Leitziel der Evolution - kein primärer Entwurf, weil Kampf auf Zerstörung aus ist. Das heutige Leitbild der Lebenswissenschaften ist Kooperativität und Gefühl. »Nicht der Kampf ums Dasein, sondern Kooperation, Zugewandtheit, Spiegelung und Resonanz sind das Gravitationsgesetz biologischer Systeme«, schreibt JOACHIM BAUER in seinem Buch Prinzip Menschlichkeit sehr treffend. (Seite 248)
Die Darwin-Kritik von Lenz hat nichts mit Kreationismus zu tun. Sondern er findet sich in der Schule von Joachim Bauer. Und er erläutert, wie Theorien aus Darwins Forschungen zur Grundlage für den „totalen Krieg“ der Nazis wurden. Dabei glaubte Darwin auch, dass das Aussterben der Dinosaurier eine Folge des Kampfes der Rassen gewesen wäre.

Er bedauert, dass der „Krieg der Natur“ bis in die Schulausbildung, den Sport und alle Bereiche des Lebens eingedrungen ist. Und er fragt, wie anders unsere Wahrnehmen aufgestellt wäre, würden wir unsere Aufmerksamkeit nach dem Win-Win-Prinzip freischalten. Wenn wir dann keine Einzelkämpfer mehr wären, sondern kooperativ. Dies wäre eine andere Gesellschaft.
Zu viele unken ständig herum, dass eine Gesellschaft mittels Kooperativität keinesfalls so erfolgreich der Konkurrenz trotzen könnte, wie eine um Kampf und Sieg gefeite Gesellschaftskultur. Jedem Politiker, jedem Unternehmer, ja allen Führungspersonen kann ich mit Leichtigkeit davon unterrichten, dass das Gegenteil sogar der Fall ist: Eine an Kooperativität gebundene Strategie der Steigerung um Lebensqualität ist einer kampfbetonten Führung (sogar a priori) überlegen - und zwar im Ertrag, im Mehrwert und im Erwecken kreativen Potenzials. Aber sie wollen es nicht hören. Zu durchschlagend haben sie Angst vor dem Gefangenendilemma. (Seite 251)
An dieser Stelle möchte ich die Beschreibung des Buches mache ich einen Sprung, und empfehle dem interessierten Leser, den Teil selbst zu lesen, der dann schließlich über Bewältigungskompetenz und wie man sie erlangen und stärken kann, berichtet. Das darauf Folgende Kapitel beschäftigt sich mit Deeskalation und wie man Kämpfe überwinden kann.

DEESKALATION 2.0 – KÄMPFE ÜBERWINDEN
Wir nehmen im folgenden Text beide Seiten, den Eskalierer und den Deeskalierer genauestens unter die Lupe und werden verstehen lernen, dass Deeskalation der Beseitigung der in einem System sich entfaltbaren Gewaltmöglichkeiten dient und nicht, wie noch immer angewendet wird, der alleinigen Abwehr der Eskalationsgewalt des Eskalierers dienen sollte. Wir werden feststellen, dass eine Abwehr von Gewalt die Aufgabe von Selbstverteidigung ist und dass Selbstverteidigung keine Deeskalation darstellt, noch sein kann. (Seite 274-275)
Auf den ersten Blick wirkt die Aussage absurd. Weil ich mich ohne Selbstverteidigung der Vernichtung ausgesetzt sehe. Also darf man gespannt sein auf die Auflösung.

Lenz erklärt zunächst, dass wir durch das Erziehen zum Kampf glauben, dass Kampf das einzige Mittel zur Lösung von Konflikten wäre. Dass nicht der Verstand, sondern etwas Anderes die Reaktionen des Menschen bestimmen. Dann erklärt er das Subjektivitätsprinzip. D.h. er erklärt, dass jeder Mensch von sich zu jedem Zeitpunkt in der Annahme ist, im Recht zu sein. Lenz erklärt dann die „Die Frage, was erzeugt in uns den Zweikampf, wie entstehen Konflikte aus hirntechnischer Sicht oder warum fühlt sich jemand wann und wie bedroht,“ aus verschiedenen Blickwinkeln. Bis er schließlich zur Deeskalation kommt: Was will Deeskalation leisten, und: Was kann der Deeskalierer leisten?
Deeskalation bindet das Verhalten immer an ein Geschehen, das versucht ist, Gewalt direkt zu übertragen. Was aber ist Deeskalation und was gibt es vor zu können?
Die Frage, die sich daran anschließt und von so gut wie Niemanden gestellt wird, ist: »Von welcher Eskalation ›De‹ denn nun wirklich wegführen soll!?« Von der Gewalt des Gewalttäters oder von der Gewalt des Deeskalierers oder gar von der Gewalt beider? Das ist die Gretchenfrage im Zusammenhang von Deeskalation, denn seine Beantwortung gibt sein Handeln erst vor. Die Antwort ist: von der Gewalt beider. Denn wenn Deeskalation ein Verhalten bestimmen soll, das von der Gewalt weg weist, dann folgt daraus auch, dass Deeskalation den Versuch unternehmen sollte, die Unversehrtheiten beider zu schützen und zu wahren. Der Grad der Eskalation bestimmt oftmals auch die Antwort, also die Handlungen des Deeskalierers. Und diese Antwort spiegelt zum einen das jeweilige Praxiswissen der erlernten Deeskalationsfähigkeiten wider, zum Anderen das noch selbst vorhandene Vermögen, Eskalation, also Gewalt, in die Deeskalation mit einzubinden.

Natürlich verknüpfen wir gedanklich den Begriff der Deeskalation auch damit, dass Deeskalation sich ausschließlich gegen den Eskalierer und gegen das von ihm angestrebte Gewaltverhalten richtet. Dies sind die wesentlichen Argumente, unter denen viele Deeskalation verstehen und auch vermittelt bekommen. Dem systemischen Ansatz genügt dies jedoch nicht. Was oftmals bei der Deeskalation übersehen wird, ist, dass vor einer Handlung die gelingen will, auch immer eine Haltung stehen sollte. Wenn wir eine innere Haltung zur Handlung anbieten wollen, dann entsteht eine geistreiche Handlung. Diese Definition bestimmt, dass auch der Deeskalierer seine Aggressivität und Gewaltbereitschaft, seinen Konfliktgeist kennenlernen sollte und keinerlei Kampfszenario aus der Deeskalation hervorbrechen lassen darf. Weder aus seiner Tätigkeit, noch als Antwort auf das Gewaltverhalten des Eskalierers. Das ist der Unterschied: Viele Selbstverteidigungsexperten haben keine innere Haltung zur Deeskalation entwickelt, wohl aber eine zur Selbstverteidigung. Daher bieten sie oftmals eine leicht abgespeckte Version der Selbstverteidigung an, die im Sinne ihrer Haltungen zur Selbstverteidigung Deeskalation bestimmt. (Seite 276-277)
DAS GRUNDPROBLEM

Hier erkenne ich ein Grundproblem auch der Friedenspolitik. Man kann es auch im Leben der Aktivisten beobachten. Sie sehen eine Verteidigung als legitim an, sehen Deeskalation als Strategie einer Selbstverteidigung an. Kaum jemand will anerkennen, dass auch im Anspruch deeskalierend wirken zu wollen, Aggressivität versteckt ist, die insbesondere der Gegenüber deutlich spürt. Deshalb dürften die Seiten 278 ff besonders wichtig sein. Hier verdeutlicht Lenz wie Deeskalation wirksam Konflikte lösen kann. Abgekürzt:
Erstes Postulat der Deeskalation: Deeskalation nimmt a) den Kampfgeist ein, b) überwindet den Zweikampf und c) verhindert die Entfaltung weiterer Gewaltpotenziale beim Eskalierer und Deeskalierer schon zu Beginn der Gewalthandlungen. Zweites Postulat der Deeskalation:

 Deeskalation will über Eskalationen gewinnen, sie will nicht den Eskalierer besiegen. Denn dies hieße, dass Deeskalation sich etwas Gleichwertiges zur Selbstverteidigung suchen würde. Deeskalation besiegt Gewalt, nicht aber den Gewalttäter und ist auch nicht darum bemüht, den Täter besiegen zu wollen. Drittes Postulat der Deeskalation:

 Selbstverteidigung kann eine Randbedingung des Deeskalierens darstellen, nie aber darf sich die Idee der Selbstverteidigung in den Mittelpunkt der Deeskalation drängen. Selbstverteidigung ist nur insofern eine Randbedingung von Deeskalation, wenn die Fertigkeiten des Deeskalierers nicht ausreichen und der Gewalttäter eine gewalttätige Nothandlung beim Deeskalierer erzwingt (Notwehr).

Folgerungen:

Wer dem allem nun gerecht werden möchte, dem sei angeraten, Deeskalation nicht als Teil eines größeren Konzeptes zu betrachten, da die ganzheitliche Wirkung von Deeskalation so nicht angewendet werden kann. Sondern, Deeskalation a) auch als eine sportliche Tä282 tigkeit zu akzeptieren, als eine Bewältigungsstrategie von Ichschwäche durch Körpertherapie und Körperarbeit, b) in der Deeskalation auch psychologische Fertigkeiten zur Kontrolltheorie zu sehen, und c) Deeskalation als eine systemische Handlung zu begreifen, die vor allem sozialpädagogischen und sozialpsychologischen Prinzipien genügen soll. Nur dadurch kann Deeskalation eine therapeutische Wirkung entfalten. Deeskalation sieht in seiner Kompromisslosigkeit zum Überwinden des Zweikampfs seine Effektivität. Sowie in der Selbstverteidigung der eigene Kampfgeist hochgehalten wird, so wird in der Deeskalation die Überwindung des eigenen Kampf-, Konflikt- und Zweikampfgeistes hochgehalten. Im Zweikampfgeist binden sich die inneren Haltungen zur Bewältigung der eigenen Konflikte und werden somit zur eigenen Bewältigungsstrategie gegen Problemsituationen gebahnt. Eine über lange Zeit hin antrainierte Zweikampfperfektion, modelliert und bahnt somit unbemerkt ein großes Netzwerk an sich miteinander gleichgeschalteten Nervenverbänden im Gehirn, die sich gegen einen äußeren Konfliktverursacher, nicht aber für eine Bewältigungsstrategie eines inneren Feindes starkmacht. Der innere Feind, dessen Haltungen man selbst repräsentiert, wird über eine Ellenbogen- und einer übersteigerten Wettbewerbsgesellschaft und eines permanent immer besser, weiter, höher und mehr zu besitzenden Materialismus in die Köpfe der Menschen eingetrieben. Dies bildet sich dann schleichend und völlig unbemerkt zu einem Prinzip des eigenen Fortbestehens und damit als Rechtfertigung gegenüber den eigenen Haltungen und den Angeboten, die über diese Kampfgeisthaltungen bis ins unermessliche gesteigert werden. Die dadurch entstehende Konfliktrealität nach einem stets von außen kommenden und somit zu bekämpfenden Feind ist eines der größten Missverständnisse und Übel unserer Spezies. Es ist auch Teil der Ursache dafür, dass wir im Zeitalter übermäßig angewandter Gewalt gegen Gewalt leben. Diese Kampftheorie hat uns blind gemacht, nach anderen Lösungen zu suchen und sie hat vieles übersehen, was wir erst heute wiederfinden und neu verstehen. Kinder und Jugendliche werden immer blinder gegenüber den Alternativen dieser konstruierten Konfliktbilder und auch immer gieriger, sich nach solchen falschen Vorbildern umzu283 schauen. Es ist traurige Gewissheit, dass nur die Methoden Unterstützung finden, die mit brachialen Vorteilen für sich werben, andere, kooperative oder konfliktlösende Modelle werden in Bildung und Erziehung so gut wie ausgeschlossen; aber in Sonntagsreden hochgehalten.
DEESKALATION MIT TÄTERN

Lenz greift dann die traditionelle Lehre der Deeskalationstheorie an, die darauf ausgerichtet ist, Dominanz über denjenigen zu erlangen, den man „deeskalieren“ will. Das erkennt natürlich ein Täter auch.
Gewalttäter kritisieren Deeskalation aufs Schärfste und wollen sie damit zu Fall bringen. Als Trainingstherapeut versuche ich deren Kritikfähigkeit bis zum Äußersten anzuregen. Doch lernen sie dabei, dass jedwede Kritik nur Rechtfertigungsgrund und Legitimationsstrategie für ihren Konfliktkampfgeist sind. Sie beweisen es sich sozusagen selbst, dass sie im Unrecht sind. Denn ich gehe mit ihnen alle Möglichkeiten der Deeskalation durch und veranschauliche ihnen anhand von zahlreichen Zweikampfmöglichkeiten (Selbstverteidigung), dass der Selbstschutz, der Selbsterhalt und die Unversehrtheit stets mit zahlreichen Mitteln aus der Deeskalation besser verteidigt sind, als mit den Mitteln, mit denen sie meine Deeskalation zu Fall bringen möchten, der Zweikampftheorie. Dabei, und das ist bemerkenswert, kommen sie an ihrer eigenen Logik nicht vorbei und scheitern dabei an ihrer eigenen Erfahrung, meinen Anweisungen Recht geben zu müssen. Doch das wirklich Entscheidende dabei ist, dass sie dabei auch ihr Weltbild ins Wanken bringen und anfangen, ihre Haltungen und Handlungen zur Gewalt zu hinterfragen. Hier angekommen lässt die Insassen diese Einsicht nicht mehr los. Ich habe es bisher immer im Vollzug erlebt, dass sie anfangs meinen Bemühungen sehr skeptisch und ablehnend gegenüberstehen. Für mich ist dies die beste Voraussetzung. Doch kippt diese Ablehnung von Minute zu Minute immer mehr in die Bereitschaft, sich intensiv einzubringen und mitzumachen. Am Ende eines Trainings sind sie schweißüberströmt, hochaufmerksam und wissbegierig allem Gegenüber, was mit dem Nichtkampfweg zu tun hat.
Was beim Erfahren des Nichtkampfs über Die Lehre vom Überwinden des Zweikampfs im Kopf des Täters passiert, kann man als ›Verlust des gewalttätigen Wertegleichgewichts‹ bezeichnen. Der Täter ist auf die Reflektion seiner Gewaltabsichten mit der Reaktion der Opfer in dem Sinne vertraut, - ja verschmolzen -, dass er vorausahnt, dass sie unbeholfen in seine Zweikampfaufforderungen stürzen; was seine Legitimation zur Ausübung von Gewalt stärkt. Dadurch aber, dass nun an seinen Zweikampfaufforderungen vorbeigegangen wird, stürzt nun der Täter in eine neue innere Wertewelt, in die er von Übung zu Übung, von Therapieminute zu Therapieminute immer weiter hineinfällt. Er öffnet jetzt die Panzerschranktür, die er sich vor seiner gewalttätigen Wertewelt aufgebaut hat und hinter der sich sein gepanzertes Herz verbirgt; ihm wird bewusst, dass diese neue Wertewelt ein Teil von ihm selbst ist, ja das sein gepanzertes Herz selbstständig die Panzerschranktür geöffnet hat! - und dass sein bisheriges einseitiges und gewalttätiges Begreifen der alten Wertewelt als Ganzes ihn in all die Verhaltensverhärtungen gebracht hat, die ihn letztlich bis in den Knast gebracht haben. Anfangs fühlt er sich dabei unsicher und hierbei gehe ich nun gezielt und tiefenpsychologisch auf jeden individuell ein und überzeuge sie davon, diese neue Wahrheit anzunehmen und zu erkunden. Ich stärke hierbei bei den Insassen ihren Willen und Mut, sich selbst davon zu überzeugen, diesen Teil der inneren Lebenswirklichkeit anzunehmen. Missionieren hilft hierbei nicht und führt zur schnellen Verriegelung der Panzerschranktür. Einzig die Tatkraft und Authentizität des Therapeuten ist hierbei Heilmittel und pädagogisches Geschick, die alte Wertewelt mitsamt seinen Haltungen in neue Haltungen und Wertesysteme zu überführen.

Das Seltsame ist nun, dass die Täter fast ausnahmslos auch davon überzeugt sind (Evaluation des Therapietages), dass sie nicht mit einem Therapeuten, sondern mit einem Menschen ganz besonderer Qualität und auf gleicher Augenhöhe den Tag verbringen durften und sie diese Trainingstherapie als festen Bestandteil beibehalten wollen. Die Verantwortung des Therapeuten ist es, dieses ganz besondere nicht als Persönlichkeitsschmeichelei anzusehen sondern darin die Verantwortung zu erkennen, dem auch weiterhin gerecht zu werden. (283-285)
Im folgenden Kapitel erläutert Lenz dann, wie ein Kämpfer zum Nichtkämpfer werden kann. Daraufhin folgt ein Kapitel über Potenzialentfaltung, Stärkung des eigenen ICH und wie Ressourcen optimiert werden können.

Daraus folgt der Aufbau einer emotionalen Kompetenz, einer psychosozialen Kompetenz und schließlich einem besseren Wahrnehmen der Bewusstseinszustände.

FAZIT

An wen wendet sich das Buch? Nach Art der Sprache an Intellektuelle, aber es fehlen konkrete Quellenhinweise, um wissenschaftlich oder fachlich wirklich ernst genommen zu werden. (Es gibt am Ende des Buches jedoch ein Kapitel mit Quellennachweis, der aus einem Literaturverzeichnis und umfangreichen Hinweisen auf Google-Suchen und Internetseiten besteht.) Vom Thema her wendet sich das Buch auch an Menschen, die an Außenpolitik interessiert sind. Wobei aber hier in erster Linie solche Menschen angesprochen werden dürften, die sich für Konfliktlösungsstrategien interessieren.

Inhaltlich jedoch scheint sich das Buch an Menschen zu wenden, die nur geringe Kenntnisse über das Thema Gewalt haben, aber kein reines Fachbuch lesen zu wollen.

Leider werden jene, die das Buch wirkliche lesen sollten, es nicht lesen. Jene Menschen, die glauben, Deeskalation, Friedenspolitik oder zivile Krisenprävention wäre gleich Appeasement Politik wie gegen Hitler gezeigt. (Anscheinend gibt es keine neueren Beispiele, weil dieses immer wieder gequält wird.)

Problematisch sind die beiden Ausflüge des Autors in die Geschichte von 9/11 und die Theorie, dass die Verschuldung durch Kriege als Wert an sich betrieben würde. Ohne diese beiden Punkte wären auch die politischen Auslassungen wesentlich verdaulicher gewesen.

Insgesamt aber überwiegt der Eindruck, dass mit diesem Buch ein Diskussionsbeitrag für die Friedensbewegung geleistet wurde, von dem ich hoffe, dass er aufgegriffen und weiterentwickelt wird.  

Deeskalation und Kooperation sind die einzige Möglichkeit, wie die Menschheit unsägliches Leid für Millionen und auch das Überleben als Spezies sichern kann.

------
(1) http://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=1787

(2) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/06/begrundung-der-friedenspolitik-mit.html

(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Gefangenendilemma

(4) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/06/wie-die-gerichte-und-das-militar.html siehe am Ende.

(5) http://www.amazon.de/Die-Fratze-Gewalt-Versuch-Aufkl%C3%A4rung/dp/3850404684/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339863096&sr=8-1
Rüdiger Lenz, Die Fratze der Gewalt: Versuch einer Aufklärung, Vindobona Verlag, 2011

DER AUTOR
Rüdiger Lenz, Jahrgang 1962, ist psychologischer Therapeut mit Schwerpunkt in der Konflikt- und Gewalttherapie. Er leitet eine Praxis in Coppenbrügge - Bessingen, hält Vorträge, gibt Seminare und leitet qualifizierte Ausbildungen für Pädagogen, Sozialarbeiter, Justiz, Psychologen und Führungskräfte. Sein Nichtkampf-Prinzip gilt vielen als Leitidee in der Präventionsarbeit mit Tätern. Kontakt und Infos unter www.Nichtkampf-Prinzip.de


1 Kommentar:

  1. "Aber dann folgt auch ein Beispiel für Erklärungen, zu denen ich gerne konkrete Quellenangaben gefunden hätte. So schreibt der Autor:

    So gibt es tatsächlich Patienten mit Allergien und anderen schwereren Krankheiten, die nach einem Ausfall des Erinnerungsvermögens und nachdem sie wieder zu Bewusstsein kamen, ganz plötzlich auch keine Allergien und auch keine schweren Krankheiten mehr hatten. Das Gehirn bildet die gesamte sie selbst betreffende Realität in sich ab, die es von allen Seiten bekommt. (Seite 43)"

    Jo,

    die Quellen dazu findest Du bei Thomas Metzinger *Subjekt und Selbstmodell*.


    "Lenz bestreitet die dominante Rolle von Al-Kaida und erklärt, dass Robin Cook, ein Journalist, der einen kritischen Artikel darüber im The Guardian veröffentlicht hatte, wenige Tage nach dem Erscheinen des Artikel mit einem Genickbruch beim Wandern an einem kleinen Berg in Schottland aufgefunden wurde. Seitdem hat kein Journalist der Massenmedien mehr die offizielle Darstellung hinterfragt."

    Jo, Robin Cook war Minister unter Toni Blair und kein Journalist. Nachdem er das veröffentlichte, nämlich das Al qaida vom CIA und dem MI5 aufgebaut wurde, starb er beim Bergwandern; obwohl Robin Cook ein guter Bergwanderer war - ich weiß, das muss nicht notwendigerweise ein Attentat heißen.

    Rüdiger

    --
    Centrum und Praxis für Potenzialentfaltung und Gewaltfreiheit
    Rüdiger Lenz
    Präventionspsychologie
    Gewalt- u. Konfliktlösungen
    31863 Coppenbrügge-Bessingen
    Schwefelborn 20
    Phone ++ 49 (0) 5159 - 9695315
    Mobil 0173-2054384
    E-Mail: nichtkampf-lenz@t-online.de
    Internet: www.Nichtkampf-Prinzip.de
    Skype-Name: Nichtkampf1

    AntwortenLöschen