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Samstag, 11. April 2015

Kommunalpolitik kann bundespolitisch sein

Altenpflege Examensvorbereitungen
Es ist unfassbar. Obwohl die Gemeinden hoch verschuldet sind, leisten sie sich immer noch Luxusprojekte. Manchmal, weil es dabei um Zuschüsse durch die EU geht, die "mitgenommen" werden müssen, manchmal, weil es um die "Attraktivität" der Stadt geht. Da werden versenkte Glascontainer für 20.000 Euro pro Stück in den Boden eingegraben, damit die Stadt schöner wird, und die Bewohner weniger belästigt, da werden Grünflächen angelegt, die kaum Benutzer anziehen, oder Steine in den Gehweg eingelassen, auf denen der Namen der Stadt steht usw.

Alles gute Ideen, nette Projekte. Nur sind das Projekte, die man verfolgen sollte, wenn es nicht viel dringendere Fragen zu lösen gibt, die die Menschen viel stärker bedrängen. Da sind z.B. die Schuldnerberatungsstellen, die gleichzeitig aufgelöst werden sollen, das Zusammenlegen von zwei weit auseinander liegenden Jugendzentren, und Abbau von Personal. Oder ein anderes Beispiel in der gleichen Stadt: Die Bücherei soll geschlossen werden. Also statt die Bücherei zum Mittelpunkt moderner digitaler Informationsvermittlung zu machen, einfach schließen, weil zu teuer. Es ist sicher nur Zufall, dass all das Projekte sind, die besonders jenen zu Gute kämen, die nicht betucht genug sind, um sich aus der Schuldenfalle zu befreien, oder Bücher und Internetzugang selbst zu bezahlen. Aber es gibt noch eine viel größere Problematik: Die der Personalsituation in den sozialen Dienste.

SOZIALE DIENSTE


Schauen wir uns das Beispiel Altenpflege an. Zwar wurde gesetzlich eine immer höhere Quote an examinierten AltenpflegerInnen pro Bewohner gefordert, und die Anforderungen an die Qualitätssicherung durch dokumentarische Arbeit wurde immer mehr. Gleichzeitig wurden aber Hilfskräfte entlassen, nicht nur in der Küche, sondern auch in der Pflege, so dass nunmehr die examinierten Kräfte viele Arbeiten mitmachen müssen, die früher Hilfskräfte erledigten. Neben den erhöhten Anforderungen an die Dokumentation, versteht sich.

Die Folge ist klar: Überbelastung, Unzufriedenheit, Krankheit. Wie wurde dem begegnet? Indem die Arbeit auf die verbliebenen Mitarbeiter aufgeteilt wurde. Die so genannten "Springer" wurden schon längst aus Kostengründen abgeschafft. Also da wird z.B. gefordert, dass eine Altenpflegerin "Teilzeit" arbeitet. D.h. 4 Stunden am Morgen und 4 Stunden am Abend. Theoretisch also nicht mehr als 8 Stunden. Aber stillschweigend wird erwartet, dass jeweils die Leistung, zumindest annähernd, einer vollen Schicht von 7 Stunden geleistet wird. Folge: Dokumentation wird weitgehend "aus dem Kopf" schnell aufgeschrieben, Menschen werden ausgepowert, die Arbeit muss noch schneller erledigt werden, und schließlich noch mehr Krankheitsfälle.

Und dann kommt die Bundesregierung und erhöht die Entschädigungen für so genannte "Ehrenamtlichen". Aber die haben keine 3-jährige Ausbildung und ständige Weiterbildung, sie sind für die examinierten Kräfte in der Praxis oft eher eine Behinderung. Denn nicht selten verstehen diese "Ehrenamtlichen" überhaupt nicht, welchem Stress die Pflegekräfte ausgesetzt sind. Statt sie zu unterstützten, beschweren sie sich, wie lange der Bewohner X warten muss, und dies und das.

Viel wichtiger wäre es, den examinierten Pflegekräften mehr Zeit zu verschaffen, sich mit den Bewohnern so zu beschäftigen, wie sie es gelernt haben, und ständig in Weiterbildungsmaßnahmen beigebracht bekommen, ... aber nie anwenden können. Wichtiger wäre es, die Examinierten durch Hilfskräfte zu entlasten, damit mehr Zeit für die Dokumentation bleibt, und für die Beschäftigung mit dem Bewohner. Aber statt dessen haben alle Betreiber die Personaldecke so gekürzt, wie es irgendwie möglich ist. Schließlich wollen auch Vorstände anständig bezahlt werden und Vermieter eine gute Rendite erhalten. Nun, was hat das mit Kommunalpolitik zu tun?

Die Stadt/Gemeinde könnte mit Zuckerbrot und Peitsche die Bedingungen für Mitarbeiter und Bewohner verbessern. Dazu müsste zunächst klar gemacht werden, dass rein rechtlich vielleicht der medizinische Dienst verantwortlich für die Zustände in einem Heim sind, aber die Mitarbeiter in sozialen Diensten, den wichtigsten Service leisten, den es in der Gemeinde gibt. Und daher die besondere Aufmerksamkeit der Kommunalpolitiker verdienen.

Und so könnte die Gemeinde einen Kummerkasten für Mitarbeiter von sozialen Diensten einrichten. In erster Linie als Demonstration der Verbundenheit und Anerkennung der besonderen sozialen Leistungen dieser Bürgergruppe. Aber dann könnte die Gemeinde/Stadt noch etwas anderes. Nämlich die Träger sozialer Betriebe regelmäßig zu einem Runden Tisch einladen. Da müssten Themen auf den Tisch, die dringend gelöst werden müssen: Wie organisieren wir Personalausfall? Wie erhöhen wir die Ausbildungsquote? Wie verbessern wir die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter, und gleichzeitig die Qualität der sozialen Arbeit.

KOMMUNALE DIENSTE


Da das Personalproblem das größte der Herausforderungen ist, muss nicht nur durch die Gemeinde/Stadt eine gegenseitige Hilfe "dringend empfohlen" werden. Sondern es sollte auch darüber diskutiert werden, ob die Gemeinde, gemeinsam mit den Sozialen Trägern, eine Personalverleihfirma gründet. Diese hätte den Auftrag, den Bedarf in Krankheitsfällen, ebenso wie Urlaub, Schwangerschaft usw. zu decken. 

Natürlich werden die Träger nicht bereit sein, die zusätzlichen Kosten für Aushilfspersonal zu tragen, solange sie die Arbeit noch weiter auf die eigenen Mitarbeiter auflasten können. Hier ist eine Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, mit Genossenschaften, Krankenkassen usw. notwendig. Und schließlich könnte die Kommune das Angebot machen, die Verwaltungskosten für die Personal-Verleihfirma zu übernehmen, was dann ungefähr die Kosten von 1-3 "Glascontainern" im Jahr ausmachen würde.

Natürlich sind Kommunalpolitiker eher geneigt sich durch eine neue Turnhalle oder ein Schwimmbad unsterblich zu machen. Deshalb müssen jene Kommunalpolitiker, die solche Dinge anstreben, die Öffentlichkeit mit einbeziehen, sollten sie auf Widerstand stoßen.

BUNDESPOLITIK


Das Ganze hat natürlich eine bundespolitische Komponente, denn sie setzt einen Kontrapunkt gegen die so genannten Reformen. Diese versuchen Öffentliche Dienstleistung zu privatisieren. Was nichts anderes bedeutet, als Lohnsenkungen, größeren Druck auf Arbeitnehmer, oft schlechteren Service für die Allgemeinheit, nicht selten verbunden mit höheren Kosten, und Ansammlung von Gewinnen bei immer größeren Unternehmenseinheiten.



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