Die Stärkung der Rechte der
Länder bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland basierte auf der
Erfahrung der Gleichschaltung der Länder durch die Nationalsozialisten im
dritten Reich. So wurde den Ländern weitgehende Autonomie bei Kultur, Bildung
und auch in wirtschaftspolitischen Entscheidungen gegeben. Und nicht zuletzt
sollten die Länder in die Lage versetzt werden, die Bundesregierung in Fällen
von Verletzungen des Grundgesetzes, gerichtlich zu belangen.
DAS POSITIONSPAPIER
Am Sonntag, dem zweiten Tag des Landes-Wahlprogramm-Parteitages NRW in Dortmund, wurde ein Positionspapier (siehe 2) abgelehnt, das genau diese Intention vertrat. Das Papier stellte als Grundlage für eine Diskussion die landespolitische Initiative für Krisenprävention in Schulen, die Kontrolle von Bundesbehörden in Hinsicht auf Einhaltung des Grundgesetzes, und eine Förderung von Rüstungsindustrie, die auf zivile Produktion umstellen will, vor. Alles waren reine Landesthemen.
Schulunterricht ist eindeutig Ländersache. Kontrolle der Bundesregierung gegen Verletzungen des Grundgesetzes ist Ländersache. Und eine Förderung von Wirtschaftsunternehmen, die von militärischer Produktion auf zivile Produktion umstellen wollen ist ebenfalls Ländersache. Und ich war darauf vorbereitet, über diese Länderfragen zu diskutieren.
Maßgeblich für die Ablehnung des Antrags waren jedoch zwei bundespolitische Aussagen.
VERSTOSS GEGEN BUNDESENTSCHEID
In der ersten Aussage durch Mike Nolte wurde behauptet, das Positionspapier würde gegen einen Bundesentschluss verstoßen. Dies ist aber nicht der Fall. Und zwar in mehreren Aspekten. Es gibt keinen Beschluss einer Bundesversammlung, in der festgestellt wurde, dass Rüstungsindustrie gefördert, mit Angriffskriegen gegen das Grundgesetz verstoßen werden sollte, oder dass in der Schule kein Unterricht über Krisenprävention erfolgen sollte. Es gibt lediglich ein LQFB Entschluss zu R2P (Responsability to Protect), in dem mit sehr hohen Hürden versehen, ein Einsatz des Militärs in Krisen als möglich angesehen wird. (3) Der Antrag hatte gegen eine Initiative gewonnen, die von der gleichen AG eingereicht worden war, und niedrigere Hürden des Einsatzes vorsah (4). Geschlagen wurde eine Pazifismusresolution (5) Die aber immer noch 187 Stimmen (gegenüber 253 für den Sieger) auf sich ziehen konnte. Dies bei über 25.000 Mitgliedern und unter Berücksichtigung von massiven Delegationen kann kaum als Bundesbeschluss bezeichnet werden.
Einerseits hat der Entscheid der gewann keinerlei Verbindlichkeit, andererseits enthält er im Prinzip die gleichen Einsatzkriterien, unter denen die AG Friedenspolitik einen Einsatz in außerordentlichen Ausnahmefällen in ihrem Grundsatzpapier schon seit einiger Zeit entwickelt hat. (1) Die Resolution würde als in keinerlei Widerspruch zum Sinn der Landesinitiative stehen.
Damit war der Einwand weder sachlich, noch sinngemäß zutreffend.
SREBRENICA
Der zweite Einwand kam von Schwarzbart. Er rief mir zu: „Was macht ihr in Srebrenica“ Zuerst verstand ich akustisch nicht was er meinte, dann war ich verwirrt, denn das war ein bundespolitischer Einwand auf den ich nicht vorbereitet war. Dies war in keiner Weise Teil des Positionspapiers. Es war eine rein emotionale Reaktion, weil Schwarzbart befürchtete, dass durch die Initiative eine grundsätzliche Absage an humanitäre Rettungsaktionen ausgesprochen würde. Was durch das Land sicher überhaupt nicht gemacht werden könnte, und auch in keiner Weise durch die Politik der AG Friedenspolitik auf Bundesebene gefordert wird.
In SREBRENICA gab es einen UNO Beschluss. Die UNO hatte Soldaten angefordert. Aber die Länder hatten diese Soldaten nicht ausreichend entsandt, und die Soldaten die vor Ort waren hatten nicht entschlossen genug gehandelt und waren nicht ausreichend ausgebildet. Diese Feststellung steht in keinem Widerspruch zur Friedenspolitik. In einem ursprünglichen längeren Text der AG Friedenspolitik wurde sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Soldaten VERPFLICHTET sind, Menschenleben im Fall von Menschenrechtsverletzungen zu retten, unabhängig davon, was evt. Befehle besagen. Da Menschenrecht vor Befehlsrecht geht. Und zur Unterstützung sieht der Text der AG Friedenspolitik vor, dass die Soldaten durch Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs beraten werden sollen. D.h. diese Mitglieder sollen nicht, wie heute, erst zur Aufnahme der Verbrechen vor Ort geschickt werden, sondern schon zur Beobachtung von Friedensmissionen, um auch präventiv aktiv werden zu können.
Der Einsatz von Friedenstruppen nach dem Entwurf der AG Friedenspolitik ist maßgeblich an zwei Voraussetzungen gebunden: A) Ein Mandat der UNO und B) Ein Gutachten durch eine Art Enquete-Kommission, die rechtliche und faktische Beurteilung der Sachlage vornimmt, und von Parteipolitik unabhängig sein soll. Wenn diese Voraussetzungen erfolgt sind, wird aus dem Verbot eine Verpflichtung zur Hilfe auf Basis der Menschenrechte.
Aber wie gesagt, dieses Thema ist ein Bundesthema und hatte nichts mit dem Antrag auf ein Positionspapier der Piratenpartei NRW zu tun.
WAS BEDEUTET DIE ABSTIMMUNGSNIEDERLAGE
Nein, die abstimmenden Mitglieder hatten nicht die Idee des Grundgesetzes vergessen. Die Präsentation des Papiers war nicht ausreichend erklärend, meine Antworten auf die Einwände nicht überzeugend genug. Den Mitgliedern der Partei war gar nicht bewusst wofür oder wogegen sie stimmten. Dafür entschuldige ich mich bei den Mitgliedern der Partei in NRW und bei den Mitgliedern der AG Friedenspolitik. Und hoffe, dass demnächst ein begabterer Präsentator die Aufgabe übernehmen wird. Ich werde wohl auf meine alten Tage kein Politiker mehr werden.
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(1) http://wiki.piratenpartei.de/AG_Friedenspolitik
1. POSITION DER AG FRIEDENSPOLITIK ZU FRIEDENSMISSIONEN
3) Unter einer Friedensmission verstehen wir Auslandseinsätze deutscher Kräfte unter Beteiligung der Bundeswehr, deren oberstes Ziel die Verteidigung von Menschenleben und Menschenrechten ist. Die Nutzung von Waffengewalt ist hierbei nur zur Selbstverteidigung oder zur direkten Verteidigung von Zivilisten zulässig.
4) Bedingung für eine Friedensmission ist eine Anforderung der UNO. Die Anfrage muss in einem noch zu schaffenden Gremium geprüft und genehmigt werden. Dieses Gremium soll nach Art einer Enquete-Kommission nicht nach politischen Mehrheiten besetzt werden. Darin vertreten sein sollen auch Experten aus der Friedensforschung und der internationalen Strafgerichtsbarkeit.
5) Unter Rettungsaufgaben verstehen wir Einsätze deutscher Polizeibehörden im Ausland, die die Rettung deutscher oder ausländischer Staatsbürger, deren Leben akut bedroht wird, zum Ziel hat. Für die Rettung ausländischer Staatsbürger bedarf es die Anfrage der jeweiligen Regierung oder bei EU-Bürgern der EU-Kommission.
6) Für gesetzlich klar begrenzte ad hoc Rettungsaufgaben im Ausland ist als letztes Mittel eine geeignete Polizeigruppe einzurichten, deren einziges Ziel die Rettung von zivilen Menschenleben sein darf. Die Entscheidung über den Einsatz trifft der Auswärtige Ausschuss. Über solche Maßnahmen ist der Bundestag im Nachhinein umfassend zu informieren.
7) Die Piratenpartei lehnt ausdrücklich die Option "Präventives Töten um zu retten" ab. Gewalt darf auch bei Friedensmissionen nur zur Eigensicherung, zur Sicherung von Zivilisten und bei Verstößen gegen das Völkerrecht angewandt werden.
8) Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wird, um bei Friedensmissionen Beobachter zu entsenden. Aufgabe der Beobachter ist die Unterstützung und die Beratung der Soldaten/ des Personals im Einsatz, um Menschenrechtsverbrechen zu verhindern und beobachtete Verstöße zu dokumentieren.
(2) http://wiki.piratenpartei.de/NRW:Landesparteitag_2012.2/Antr%C3%A4ge
2. POSITIONSPAPIER
Sonstiger Antrag Nr.
PosPa 003
Beantragt
von
Jo Menschenfreund
Thema
Friedenspolitk
Antragstext
In Anbetracht vor der Tür stehender Kriege und
Konflikte spricht sich die Piratenpartei NRW eindeutig dafür aus, im Rahmen
föderaler Wirkungsmöglichkeiten, als Land im Bund zugunsten einer Politik zu
agieren, damit sich Deutschland nicht mehr, oder zumindest zurückhaltender als
in den letzten Jahren an Konflikten und Kriegen beteiligt. Verstöße von
Bundesbehörden gegen das Grundgesetz, die in der Unterstützung von
Angriffskriegen bestehen, und die auf dem Gebiet von NRW stattfinden, müssen
durch die Landesregierung konsequent verfolgt werden.
Die Piraten NRW fordern eine stärkere Förderung von
Organisationen, die sich mit ziviler Krisenprävention und -beseitigung in NRW
beschäftigen. Außerdem muss das bevölkerungsreichste Bundesland Vorreiter in
der schulischen und außerschulischen Aufklärung über die Gründe von Krieg und
Menschenrechtsverletzungen sein. Die Piraten NRW vertreten die Meinung, dass
nur durch Verhinderung von Krisen und Kriegen zukünftige Flüchtlingsströme
verhindert werden können.
Außerdem verlangt die Piratenpartei eine Unterstützung
von Firmen der Rüstungsindustrie, die gewillt sind, ihre Produktion einer
Konversion zu unterziehen. Die Unterstützung kann z.B. im Rahmen der
gesetzlichen Bestimmungen in der bevorzugten Behandlung im Rahmen der gesetzlichen
Möglichkeiten und bei der Vergabe von Forschungsmitteln bestehen.
Die Piratenpartei fordert, dass keine Exporthilfen für
Rüstungsgüter durch die Landesregierung erfolgt, und dass stattdessen verstärkt
Exporte von umwelttechnologischen Produkten im weitesten Sinne, gefördert
werden.
Begründung
Der Antrag erfolgt durch ein Mitglied des
Landesverbandes NRW. Die AG Friedenspolitik als überregionale AG stellt keine
landespolitischen Anträge, empfiehlt aber die Annahme dieses Antrags.
Mein Einwand: "Was hätte dieser Entschluss für Srebenitza oder Ruanda bedeutet" war meiner Befürchtung geschuldet, dass aus dem ersten Absatz deines Antrags eine fundamentalpazifistische Position ableitbar wäre, die uns die Hände binden würde, wo Hilfe nötig wäre.
AntwortenLöschenEinen klaren Antrag zur scharfen Kontrolle von Kriegswaffenexporten und zur Abschaffung von Subventionen für Kriegswaffenproduktion hätte ich jederzeit mitvertreten.