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Samstag, 28. April 2012

PPEU: Revolution von Oben?

Gibt es eine Revolution, die niemand bemerkte? Soll das Prinzip der Basisdemokratie durch die Hintertür abgeschafft werden? Was ist auf dem Bundesparteitag 2012.1 der Piratenpartei passiert? Jens Siepenbusch twitterte:
german pirate party has ratified the declaration of prague #ppeu #ppi #european_pirates yay!” 
War das nicht jener Jens Seipenbusch, der ein Gründer der deutschen Piraten war, der eine Stunden vorher mit einem Antrag gescheitert war, ein zusätzliches Organ, einen Beirat, einzurichten? Ein Organ, das manche als Hintertür zur Entmachtung der Basis angesehen hatten? Jetzt die Ratifizierung ein Grund zum Freuen?

Blicken wir zurück zur Abstimmung und ihrer Vorbereitung. Wussten die Mitglieder überhaupt, über was sie abstimmten? Sucht man im Wiki, kommt man auf folgende Seite: (1) Dort findet sich ein Text, in dem ein englischer Text mit deutscher Übersetzung angekündigt wird, der sich hier findet:  (2) Dort dann auch einen Link zu dem ENTWURF einer deutschen Fassung.(3)

Und die Präambel der PPI {Achtung nicht PPEU} liest sich dann äußerst unterstützungswürdig und vollkommen im Einklang mit den Bemühungen um eine Internationalisierung der Bewegung:
„Pirate Parties International existiert, um Piratenparteien weltweit bei ihrer Etablierung behilflich zu sein, um sie zu unterstützen und zu fördern sowie die Kommunikation und die Kooperation zu stärken. …..Pirate Parties International ist weder eine politische noch eine autoritative Instanz.
{Anmerkung des Übersetzers}  eigenständige politische noch weisungsgebende Institution
Warum also aufregen? Aber dann erinnern wir uns, was im Vorfeld der Abstimmung gesagt wurde: „Wir können die erste europäische Partei sein“ … „die Partei kann Inhalte entwickeln, die die einzelnen Länder dann umsetzen können“ …. Wo lese ich das in der Deklaration? Dort wird in der Präambel genau das Gegenteil ausgedrückt. Und hört sich so Basisdemokratie an?

Nun das betraf die PPI. Aber wer oder was ist die PPEU überhaupt? Wer hat sie entwickelt, wer steckt dahinter? Wer von den deutschen Piraten weiß überhaupt, welche Ziele dort verfolgt werden, welche Politik betrieben und wer die wichtigsten Protagonisten sind? Trotzdem hat ein Parteitag dieser vollkommen unbekannten Organisation einen Blankoscheck ausgeschrieben, noch bevor überhaupt über die Sitzung berichtet worden war? Und das vollkommen ohne Aussprache, ohne Diskussion? Zunächst aber noch die Frage, welche Gefahren in diesem Blankoscheck stecken:

EU-POLITIK IST INNENPOLITIK

Heute werden von den etablierten Parteien viele Gesetze über die Hintertür der EU in die Länderparlamente gebracht, damit man dort behaupten kann „Wir müssen EU Gesetze umsetzen“.  Das ist bekannt, das ist beliebt. Drängt sich nicht der Verdacht auf, dass jene Protagonisten der Piratenpartei, die ihren Einfluss in einer immer größer und heterogener werdenden deutschen Partei zu verlieren drohen, genau diesen Weg gehen wollen? Oder ist das eine Verschwörungstheorie?

WER DEFINIERT DIE POLITIK


Die Piratenpartei in Deutschland hat bis heute keine Programmatik in Sachen Finanz- und Wirtschaftspolitik entwickelt. Ebenso wenig in Fragen, die über Krieg und Frieden entscheiden. Und doch glaubt man jetzt schon eine europäische Partei gründen zu können? Wie bitte soll hier eine basisdemokratischen Meinungsbildung erfolgen, wenn sie noch längst nicht in Deutschland abgeschlossen ist.

Wir haben in Deutschland noch keinerlei Erfahrungen mit Mandatsträgern und ihrer Beziehung zur Basis. Trotzdem wollen wir jetzt schon auf EU-Basis Politik dort Politik entwickeln lassen? Wie weit wird die denn dann erst von der Basisdemokratie entfernt sein?

GROESSENWAHNSINN ODER ABSICHT?

Die Frage drängt sich auf, wie eine Organisation von Parteien, die ihre eigenen, länderspezifischen Meinungsbildungen noch längst nicht abgeschlossen haben, die EU-Politik auf EU-Ebene mit einer EU-Partei bewerkstelligen wird? Sollen dann die Mitglieder der Piratenparteien nicht nur im eigenen Staat basisdemokratisch, sondern auch in der EU basisdemokratisch mitgestalten?

Was die Präambel der ratifizierten Erklärung besagt ist zweifellos zu unterstützen. Und sollte unbedingt mit Leben erfüllt werden. Aber mit Leben auf Ebene der Basis. Die PPI darf keine Veranstaltung von Eliten werden. Aber haben wir dafür jetzt schon die Zeit, jetzt, da wir noch national längst viele Themen nicht ausdiskutiert haben?

Die Gründung einer EU-Piratenpartei dagegen ist entweder wieder  visionär, oder aber größenwahnsinnig, oder sogar macchiavellinisch. Aber hat sie etwas mit Basisdemokratie zu tun?

Um der Antwort näher zu kommen, fragen wir uns, wie die PPI in der Vergangenheit gearbeitet hat:

Meetings in fernen Ländern, Entsendung von Delegierten bzw. Vertretern, Veröffentlichungen in Englisch, keine wirkliche nennenswerte Kommunikationen und Abstimmungen auf Länderbasis in deutscher Sprache. Besprechungen in kleinen Kreisen. Man kennt sich, man vertraut sich. Kann man die PPI als basisdemokratisch organisiert verstehen?

Diese Frage stellte sich so lange nicht ernsthaft, wie die PPI eine Organisation war, in der die Vertreter lediglich die Politik der Länder hin-, und Anregungen und Hinweise für die eigene Arbeit zurück brachten. Das war fruchtbar und führte zu einer Harmonisierung. Dies könnte sicher auch noch weiter verstärkt werden. Z.B. durch eine Zusammenarbeit von Arbeitsgemeinschaften, evt. sogar Arbeitsteilung innerhalb von Arbeitsgemeinschaften.

Was schreibt Drahtflow in seinen Notizen, als Sebastian Nerz kritisiert worden war wg. Intransparenz in Hinsicht auf PPI-Delegation:
Sebastian: Zur PPI: Wenn gewünsch ist, dass die Delegierten für die PPI-Konferenz auf einem Parteitag gewählt werden, dann muss das so beschlossen werden. ??? Da das nicht stattgefunden hat, war die einzige Möglichkei, die es gab, dass sich der BuVo entscheidet, wer zur PPI fahrt. ???? Es war bekannt, dass diese Konferenz stattfindet, ???? Ja, wir hätten einen eigenen Blogbeitrag ins Vorstandsprtol zu machen. Ich dachte eigentlich, dass es im Protokoll ausreichend ist. Die ALternative wäre gewesen, dass die PPI ohne Deutschland stattgefunden hätte.
Nun, man hätte auch eine allgemeine Ausschreibung machen können. Was zwar am Ergebnis, dass immer die gleichen Piraten zu diesen Treffen fahren, nichts geändert hätte, aber was die Transparenz und das Bewusstsein geschärft hätte.


Bevor wir aber daran denken, daraus eine eigene EU-Partei zu machen, sollten wir Anstöße geben, z.B. wirtschafts- und geldpolitische Fachleute aus den verschiedenen Ländern zusammen zu bringen, um Ideen über Geld- und Wirtschaftspolitik auszutauschen. Warum nicht das Gleiche auf Basis der Bildungspolitik.

Jens Seipenbusch twitterte: #ppeu Dies geht deutlich über den Geist der Präambel hinaus. Selbst wenn diese Aussage einer geplanten Parteigründung von mir falsch verstanden wurde, oder wenn sie aus der Erregung heraus falsch gemacht worden war, kann diese Verschiebung der Gewichte auf eine EU-Organisation ganz erhebliche Nachteile für eine sich gerade entwickelnde deutsche basisdemokratische Partei-Kultur darstellen. Selbst eine Zusammenarbeit der EU-Abgeordneten ohne Kontrolle durch die Parteibasis in den einzelnen Ländern ist nicht hinnehmbar. Die EU-Fraktion der Piratenparteien darf keine von der Parteibasis losgelöste Organisation werden!

MÖGLICHE FOLGEN DER ENTSCHEIDUNG

M.E. stellt sich eine ganz wichtige Frage: Wie stellen wir sicher, dass in der PPI und den zukünftigen EU-Gremien die BASIS der Piratenpartei mitgestaltet, und nicht in erster Linie einige wenige „internationale“ Piraten? Wie stellen wir sicher, dass ein mühsam in Deutschland zustande gekommener Konsens zu einem Thema durch eine EU-Vereinbarung wieder über den Haufen geworfen wird?


(1) http://wiki.piratenpartei.de/Archiv:2010/Bundesparteitag_2010.1/Antragsfabrik/Ratifizierung_der_PPI-Satzung
(2) http://int.piratenpartei.de/Statutes
(3) http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:TurBor/%C3%9Cbersetzungen/PPI_Statuten_DE

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In zwei Gesprächen am Rande von Veranstaltungen bestätigten mir direkt und indirekt Vertreter der Piratenpartei in den Gremien der PPI bzw. die in den Verhandlungen der PPEU involviert waren, ohne genannt werden zu wollen:

1)    Es gibt keine direkte Demokratie auf EU Ebene. Technisch und Organisatorisch ist eine solche nicht durchsetzbar.
Eine Meinungsbildung wird nur auf elitärer Ebene möglich sein. Evt. abgestimmt über eine internationale Liquid Feed-Back Organisation, in denen Delegationen derart verteilt werden, dass das Übergewicht der deutschen Partei nicht zum Tragen kommt.
2)    Derzeit werden die Verhandlungen weniger durch deutsche Hegemoniebegehrlichkeiten oder Probleme gehemmt, als durch Einwände von Parteien anderer Länder.
3)    Es wird eher als unwahrscheinlich angesehen, dass bis zur Europawahl tatsächlich eine europäische PPEU antreten wird.
Die PPEU spielt für die Zukunft der Piraten in Europa eine größere Rolle als die derzeitige deutsche Partei. Da zu erwarten ist, dass zunehmend Entscheidungen vom Europarat auf das Parlament übertragen werden, weil andernfalls die Legitimation mehr und mehr verloren geht, werden lokale Parteien und Parlament nur noch exekutierende Funktion haben. Wenn dann eine europäische Partei, statt nationalstaatliche Parteien in einem europäischen Parteienverbund bzw. einer Fraktion, im Rahmen der Piratenpartei aktiv wird, bedeutet das klar die Entmachtung der nationalen Parteien.

Hierzu werden die Piratenparteien anderer Länder möglicherweise bereit sein, wenn dadurch das zu erwartende Übergewicht der Abgeordneten aus Deutschland beschränkt werden kann. Z.B. durch einen nicht repräsentativen Verteilerschlüssel der Mandate.

Für die Piratenpartei Deutschland würde das heißen, dass Basisdemokratie vollständig ausgehebelt wäre.

Ich habe das Gefühl, dass kaum ein Mitglied innerhalb der Piratenpartei die Unterschiede zwischen PPI und PPEU wirklich begreift, und insbesondere den beabsichtigten Kompetenzwechsel hin zur PPEU wirklich überschaut.

2 Kommentare:

  1. Süß. Gelesen und festgestellt, daß der Unterschied von PPI und PPEU nicht erkannt wurde.

    Bitte bei Nachforschungen _richtig_ nachlesen.

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  2. Überheblichkeit ist eine typisch elitäre Verhaltensweise. Unsozial und undemokratisch. Bin gespannt, ob die Piraten das erkennen werden.

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