GEGEN DEN STROM SCHWIMMEN / QUERDENKEN Meine Themen: Frieden, Menschenrechte, Medien-Missbrauch, Basisdemokratie und Recht auf lebenslange Bildung. Ich will darüber bloggen, was nach meiner Meinung nicht ausreichend durch die Medien abgedeckt wird, oder sogar verfälscht dargestellt wird. Dieser Blog ist kein Exklusivinformationssystem. Dieser Blog ist ein Add-On. (Verlinkte Inhalte stellen nicht zwangsläufig meine Meinung dar, sondern sollen alternative Informationsquelle sein.)
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Sonntag, 29. April 2012
Akzeptanzwahl oder Ausgrenzung?
Schon beim LPT NRW, bei dem die Kandidaten für die Parteiliste der Landtagswahl gewählt wurden, hatte ich darauf hingewiesen, dass das Verfahren der Akzeptanzwahl in Verbindung mit der m.E. fragwürdigen Ausgrenzung von Bewerbern durch Unterdrückung von Fragen, nicht basisdemokratischen Prinzipien, und einer „Mitmachpartei“ gerecht wird. (1) Nun ist es wieder passiert. Beim Bundesparteitag 2012.1 wurden Aussprachen über Bewerber mit einfacher Mehrheit unterdrückt. Dies führte bei den stimmberechtigten Mitgliedern zu der bewusst erzeugten Meinung, dass diese Mitglieder sowieso keine Chance hätten. Dies ist eine Manipulation, die einer basisdemokratischen Partei nicht würdig ist. Aber es ist nicht nur die manipulative Wirkung, die mich erschreckt.
Darüber hinaus bewirkt diese Ausgrenzung von Bewerbern eine Demütigung der geschlagenen Bewerber. Das Abstimmungsverhalten der Mitglieder folgt ganz klar einer Mainstreammeinung. Aus folgenden Gründen: Die Mitglieder versuchen Fehler zu vermeiden (ständige Warnung vor „Unterwanderung“), sie werden ständig mit den Minutenkosten des BPT konfrontiert, ebenso wie mit der Aufforderung, möglichst schnell, möglichst viele Wahlen erfolgreich durchzuführen. Dadurch entstanden plötzlich demütigend geringe Zustimmungen zu Bewerbern, weil Mitglieder bemüht waren „keinen Fehler zu machen“. Ein Freund meinte: "Sie folgten den Rudelführern und nicht einer Schwarmintelligenz".
Dieses Ergebnis scheint gewünscht zu sein, einerseits um „Spassbewerber“ oder wirklich fragwürdige Typen auszuschließen. Aber der Verdacht entsteht, dass nun damit auch Bewerber ausgeschlossen werden könnten, die einfach nicht mit einer Unterstützung des „Parteiestablishments“ rechnen können. Dies ist ein Verhalten, das in alten Parteien sicher erwartet werden kann. Und natürlich ist ein solches Verhalten auch legitim. Aber wenn wir Piraten uns entscheiden, diesen Weg weiter zu gehen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir der Heuchelei bezichtigt werden.
MINDERHEITENSCHUTZ UND FAIRNESS
Kandidatenbefragung zu unterdrücken ist m.E. nicht mit unseren Ansprüchen zu vereinbaren. Sie raubt einer Minderheit von Mitgliedern die Möglichkeit, Fragen zu stellen, und erzeugt eine unfaire Situation für die Bewerber, wie oben beschrieben.
Auch schon die Reduzierung auf 6 ausgeloste Fragen ist fragwürdig. Denn dies eröffnet Manipulation die Tür. Durch eine Vielzahl von negativen Fragen können solche Fragen unterdrückt werden, die wirklich Information über den Bewerber geben könnten. Daher sollten die Fragen vor der Beantwortung zwischen der Organisation und dem Bewerber vereinbart werden. Wenn man denn eine Limitierung vornehmen muss, um den Zeitrahmen nicht zu sprengen. D.h. der Bewerber muss in der Lage sein, Fragen abzulehnen, die Anzahl der abgelehnten Fragen sollten jedoch den Wählern mitgeteilt werden.
PARLAMENTSEINZUG VOR BASISDEMOKRATIE?
Als die USA den Krieg gegen den Terror ausrief, hatten die Verursacher des Attentats 9/11 ihr Ziel erreicht: Eine Demokratie gab seine eigenen Prinzipien auf und reagierte mit den gleichen Aktionen, mit denen sie angegriffen wurde. Folter, Geheimgefängnisse, ein illegales Gefängnis, Verstoß gegen internationales Recht, Drohnentötungen auf Verdacht, Attentate, Entführungen, Aufgabe bürgerlicher Rechte und Freiheiten. Folge: Über 1 Million Tote, Verlust der Glaubwürdigkeit, ein Infragestellen der Rechtsstaatlichkeit, Aufgabe der eigenen Ideale.
Bei den Piraten wird immer wieder die Wichtigkeit deutlich gemacht, in die Parlamente einzuziehen, sich effektiv aufzustellen, möglichst großen politischen Einfluss auszuüben. Darüber werden immer mehr Ideen in Frage gestellt, die einmal den Unterschied zu den etablierten Parteien ausmachten. Und wir sollten aufpassen, dass uns am Ende der Entwicklung nicht das Gleiche passiert, was anderen Parteien vor uns geschah, und was die Glaubwürdigkeit der größten und wichtigsten Demokratie der Welt in den Grundfesten erschütterte. Das Ziel darf nicht das Mittel heiligen.
BASISDEMOKRATIE ODER ELITÄRE FÜHRUNG?
Wir behaupten, echte und wahre Basisdemokratie hoch zu halten. Damit strömen Mitglieder zu uns, und Wähler schenken uns ihre Sympathie. Wenn wir erkennen, dass dies für eine so große Partei nicht mehr durchsetzbar ist, oder wenn wir erkennen, dass wichtige Protagonisten erklären „Ich will manipulieren“ (2), dann sollten wir uns überlegen, ehrlich unser Profil zu ändern. Wir verhindern Enttäuschungen, Häme bei den anderen Parteien, und interne Auseinandersetzungen. Wir machen klar, dass wir einer Führung folgen wollen, die wir zwar kontrollieren, die aber die Richtlinien der Politik vorgibt. Richtlinien, bei denen die Mitglieder mitwirken und dann darüber entscheiden können. Aber letztendlich gestalten nicht die Mitglieder, die Politik, die dann von der Führung umgesetzt wird.
Dies wäre nichts Ehrenrühriges. Durch diese Ehrlichkeit würden wir vielleicht die eine oder andere Hoffnung von Mitgliedern dämpfen, aber noch mehr Enttäuschungen und Frustrationen vermeiden. Letztendlich wäre es gesünder für die Parteikultur.
Das gleiche gilt für unsere besonderen Instrumente. Wir können nicht immer wieder behaupten, dass Liquid Feedback aktuell eine Möglichkeit zur repräsentativen Meinungsbildung ist, wenn nur 200 bis 400 Mitglieder von 30.000 dort aktiv teilnehmen; wenn einzelne Mitglieder über 100 Delegationen einsetzen und damit Entscheidungen maßgeblich beeinflussen können. Wir sollten ehrlich erklären, dass wir dieses Modell ausbauen und vereinfachen wollen, aber nicht, dass es bereits ein funktionierendes Instrument der Piraten ist. Auch dies gehört zur Glaubwürdigkeit.
Oder, wenn wir diesen Weg der Ehrlichkeit nicht gehen wollen, sollten wir uns stärker bemühen, Verfahren und Prozeduren nicht nur der Effizienz und Lenkbarkeit unterzuordnen, sondern zuallererst der Frage, ob diese Regelungen dem Geist einer wirklich alternativen basisdemokratischen Partei gerecht wird.
(1) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/03/opferte-die-piratenpartei.html
(2) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/04/piratenpartei-und-die-basisdemokratie.html
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Sehr gute Beobachtungen! Mir als Stream-Zuschauer ist ähnliches aufgefallen.
AntwortenLöschenWas ist aus dem knallharten Piratengrillen geworden?
Besonders bedrohlich finde ich momentan klassische DOS-Attacken. Jeder Zeit könnten sich 1000 Leute als Neupiraten anmelden, geschlossen zu den Parteitagen fahren und die repräsentative Meinung manipulieren. Es reicht ja schon wenn jemand 1000 vorgedruckte Fragen einwirft, welche dem Kandidaten bewusst helfen würden. Unser System würde komplett zerstört von einem simplen DDOS wenn sich 1000 Kandidaten für den Vorstand kandidierten. Kein Pirat kann dann noch filtern. Ganz zu schweigen von dem Zeitaufwand, welcher alles überschatten würde.
Wir brauchen in der Tat ausgereiftere Systeme.
1) Die Kanidaten haben im Vorfeld diverse Möglichkeiten sich vorzustellen, ebenso können sich Mitglieder diese Möglichkeiten nutzen, sich zu informieren
AntwortenLöschen2) Jeder Kandidat hat auf dem Parteitag nochmals die Gelegenheit sich vorzustellen und das Plenum zu interessieren bzw. zu überzeugen
Ich habe frühere Wahlparteitage mit offener Befragung erlebt und primär waren die Auswirkungen eine endlose Verfahrendauer bei gleichzeitiger minimaler Aufmerksamkeit der Anwesenden. Die Chancen eines aussichtlosen Kandidaten steigen nicht dadurch, dass er vor versammelter Mannschaft zwanzig Minuten ein Gespräch mit vielleicht einem dutzend Mitgliedern führt.
Diesmal war ich nicht vor Ort, aber soweit ich das erkennen konnte, wurde die Möglichkeit der Befragung an den richtigen Stellen genutzt. Verbesserungswürdig wäre aus meiner Sicht das Losverfahren, hier sollte man vielleicht von konkreten Fragen auf Mitgliedsnummern umstellen, so dass die Befrager bei bedarf auf vorherige Antworten reagieren können.
Sehr guter Beitrag. Und sehr gut die doch deutlichen Ungereimtheiten im BPT-Ablauf festgehalten. Der hektische und zeitlich extrem forcierte Ablauf, besonders am Sonntag Nachmittag war teilweise erschreckend unsachlich. Das hatte zeitweilig den Charakter einer Kaderpartei bei der nur noch geschlossen abgenickt wurde.
AntwortenLöschenDer Ablauf sollte unbedingt in der Vorbereitung des nächsten PT thematisiert werden. Um dem, jegliche kritische Auseinandersetzung niederwalzenden, Zeitdruck zu entgehen, könnte vielleicht durch verstärkte vorbereitende reale und virtuelle Veranstaltungen für Entzerrung gesorgt werden. Wir sind keine normale Partei. Wenn wir Basisdemokratie leben wollen, dann sollten wir keine Angst haben, uns von den hergebrachten Mustern und Ablaufsschemata solcher Veranstaltungen zu lösen und die Dinge so anpassen, dass sie auch wirklich unserem Credo entsprechen. Das heute war demokratisch grenzwertig.