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Samstag, 14. November 2015

UKRAINE, KRIM, die EU, NATO und Russland-Teil 04

Prof. Sakwa erklärt, dass Russland sich in Richtung Neo-Revisionismus entwickelt hat. Wer nun glaubt, das wäre ja furchtbar, sollte sich genauer informieren, was diese russische Ausprägung des Neo-Revisionismus überhaupt bedeutet. Anschließend zeigt der Autor auf, wie die Entwicklungen in der Ukraine die Eurasische Integration beeinflussen.

Sakwa stellt klar, dass die Ukraine-Krise nicht ohne Analyse der Evolution in Russlands Denken verstanden werden kann. In den frühen 2000er Jahren hatte Russland geglaubt, sich mit der EU und der NATO vereinigen zu können, aber durch den Irakkrieg von 2003 entfremdete sich Russland zunehmend von dieser Gedankenwelt, hin zu einer, die Sakwa "neo-revisionistisch" nennt, wodurch die Bühne für die Konfrontation in der Ukraine nach Meinung von Sakwa mit geschaffen wurde. Der Autor stellt klar, dass Putin, als er 2000 an die Macht gekommen war, die Politik eines "neuen Realismus" verfolgt hätte. Damit hätte er versucht, sich mit dem Westen zu engagieren und arrangieren, und er war der "vielleicht pro-europäischste Führer" Russlands, den es jemals gegeben hatte. Wie sich der russische "Neo-Revisionismus" entwickelte, erklärt Sakwa wie folgt:

"... Vom Status-Quo-Staat wurde Russland zum ausgeprägten Typ einer neo-revisionistischen Macht, indem es für sich in Anspruch nahm, ein ‚Normen-Setzer‘ und nicht nur ein Normen-Umsetzer zu sein (10) Die Essenz von Neo-Revisionismus ist nicht der Versuch, neue Regeln zu schaffen, oder die Vision einer alternativen internationalen Ordnung zu verfolgen, sondern der Versuch, die Anwendung universaler Normen durchzusetzen ..." (Seite 31)
Sakwa erklärt dann einige Vorfälle, die für die Entwicklung Russlands mit entscheidend waren:
"... Zunächst war es das graduelle Erodieren der Beziehung zur EU. Das ständige Setzen von Bedingungen durch die EU, verärgerte Russland, denn es sah sich selbst als rechtmäßiges europäisches Land, und war daher reserviert gegenüber einer Organisation, die für sich beanspruchte, zu entscheiden, was und was nicht europäisch war, und die russische demokratische Unzulänglichkeiten verurteilte. (11) Nach Meinung von Sergey Yastrzhembsky, wurde die Verschlechterung der EU-Russland-Beziehungen, durch die Aufnahme der ehemaligen kommunistischen Staaten in die EU provoziert, die angeblich einen ‚Geist der Russophobie‘ in die EU mitbrachten. (12) Unterschiedliche Visionen der Integration kollidierten. Wie Sergei Karaganov, der Gründungspräsident des „Council for Foreign and Defence Policy“ (SVOP) es beschrieb, als Europa und Russland bemerkten, wie verschieden sie waren, als sie sich näherten: ‚Russland näherte sich dem Europa de Gaulles, Churchills und Adenauers, aber als es näher kam, sah es die europäische Bürokratie und die neue politische Korrektheit.‘ (13) Fortwährende Konflikte im post-sowjetischen Raum, die Unfähigkeit, eine echte Partnerschaft mit der EU aufzubauen, und die Enttäuschungen nach den eigenen positiven politischen Versuchen Russlands, die Beziehungen zu den USA nach 9/11 zu verbessern, zusammen, sorgten für Putins neuen Realismus...." (Seite 31)
Sakwa führt dann auch aus, dass der Versuch ein inkludierendes pan-europäisches Sicherheitssystem aufzubauen, graduell abgebaut wurde. Auch hier hält er inne und geht nicht in die Details. Wer waren die Antreiber dieser Entwicklung? Aber er gibt einen Hinweis darauf, was passiert war, indem er Aussagen von William Hill erwähnt, einem Politiker, der zwei Amtsperioden als Chef der Moldavien-Mission der OSZE bis 2006 agierte hatte. Diesem zufolge war Russland systematisch davon ausgeschlossen worden, zur Lösung des Transnistrien-Konflilktes einen Beitrag zu leisten, was die langjährige Zeitungslüge unterminiert, dass Russland behindern würde, eingefrorene Konflikte zu lösen, um einen Hebel gegen die betroffenen Länder in der Hand zu haben. Er stellt dann fest:
"... Das waren vielleicht die Konsequenzen in der Praxis, aber wie die meisten Experten über diese Krisen feststellen, wurden Russlands versuche, konstruktive Lösungen vorzuschlagen, durchgehend blockiert. ..." (Seite 31)
Sakwa steht nicht alleine mit dieser Meinung, wie man glauben könnte, wenn man die deutschen Medien liest, und er erwähnt Beispiele, weist dann darauf hin, dass dieser Punkt für die Entwicklung Russland entscheidend war. Sakwa nimmt dann auch ganz konkret Stellung zu der Politik der EU gegenüber der Ukraine:
"... Z.B. sind die sich vertiefenden Handelsverbindungen zwischen der EU und der Ukraine natürlich, und ein für alle Beteiligten potentiell nützlicher Prozess, auch für Russland. Sie wurden aber problematisch, als Moskau verweigert wurde, eine wichtige Rolle in dem Prozess der Erzeugung dieser Handelsbeziehungen zu spielen, obwohl diese klar erkennbare und massive Einflüsse auf Russland haben. ..." (Seite 32)
Mit anderen Worten: Die europäischen Politiker haben es geschafft, eine grundsätzlich positive Entwicklung so "ungeschickt" zu behandeln, dass das Gegenteil daraus entstand. Sind sie wirklich so ungeschickt?

Putin hatte mehrmals versucht, diese Entwicklung aufzuhalten, indem er seine Frustration in Reden kleidete, um ein Nachdenken im Westen auszulösen. Sakwa erwähnt z.B. die Rede vom 10. Februar 2007. Dort hatte Putin den 'universalen, unteilbaren Charakter von Sicherheit' betont, und vor den Gefahren gewarnt, die mit der Errichtung einer 'unipolaren Welt […] in der es nur einen Herrscher gibt, einen Souverän', während er feststellte, dass 'jene, die uns [Demokratie] lehren, selbst nichts dazu lernen wollen'. Putin führte eine Liste strategischer Probleme auf, darunter die Marginalisierung der UN, das Versagen, den Vertrag über die Beschränkung Konventioneller Rüstung in Europa (CFE) zu ratifizieren, die Remilitarisierung Europas durch die Entwicklung eines Raketenabwehrschirms, die NATO-Erweiterung - die eine ‚ernsthafte Provokation darstellt, die den Grad des gegenseitigen Vertrauens reduziert‘, die Schwächung der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, und den Versuch‚ 'die OSZE in ein vulgäres Instrument zu verwandeln, bestimmt, die Interessen der Außenpolitik eines oder einer Gruppe von Ländern zu dienen'. Aber sein Rede wurde ignoriert. Und Sakwa fragt nicht nach, welchen Grund das gehabt haben konnte.

Der dritte Grund für die Entwicklung in Russland war nach Sakwa die Tatsache, dass Russland und eine Anzahl von aufstrebenden Mächten, insbesondere China, Amerika wegen dessen Anspruch  auf ‚Exzeptionalismus‘ und Weltherrschaft, herausgefordert. Sakwa stellt fest:
"... Wir werden an verschiedenen Punkten wieder auf dieses Thema zurück kommen, aber hier soll hervorgehoben werden, dass die meisten dieser Länder zufrieden sind, mit den USA in Angelegenheiten gemeinsamer Interessen zu kooperieren, aber wenn der amerikanische Anspruch auf Führung sich in Hegemonialverhalten entwickelt, beginnen die Probleme. Russland hatte sicher nicht geplant, einen Gegen-Block zum westlichen Verteidigungssystem aufzubauen, aber das Land weist die Annahme zurück, dass die atlantische Sicherheitsordnung universal harmlos ist, und global angewandt werden sollte. Selbst der ehemalige Verteidigungsminister Robert Gates verurteilte die ‚Arroganz, der amerikanischen Beamten, Akademiker, Geschäftsleute und Politiker, nach dem Zusammenbruch [der UDSSR], die den Russen erklärten, wie sie ihre internen und außenpolitischen Angelegenheiten zu regeln hätten. […] Was zu einem langfristigen und tief sitzenden Ressentiment führte.‘ (16) ..." (Seite 32)
In seinem Buch übernimmt Sakwa die Aufgabe, aufzuzeigen, dass er nicht der einzige mit dieser Meinung ist, und zitiert einige Analysten, die ziemlich genau so argumentieren, wie er das in diesem Buch tut. Er geht dann auch ganz spezifisch auf die Präsidentschafts-Kandidatin Hillary Clinton ein:  
"... Schon seit 2008, dem Jahr, als sie sich erfolglos um das Präsidentenamt bewarb, unterstellte Clinton Putin, ein ehemaliger KGB-Agent zu sein, der ‚keine Seele hat‘, worauf Putin antwortete, dass jeder, der versucht, US-Präsident zu werden, ‚ein Minimum an […] Verstehen haben sollte‘. Sie interpretierte Aktionen, die die unabhängige russische Politik unterstützten, als eine aggressive Herausforderung des US-amerikanischen Führungsanspruchs, statt als normalen Ausdruck einer autonomen Großmacht, als die Russland sich als Teil einer multipolaren Welt unabhängiger Nationen sieht. Sie übernimmt eine kontinuierlich feindliche Weltsicht ein, drängt Obama zu härteren Aktionen in Afghanistan, Libyen und Syrien. Aber wenn es um Russland geht, sind ihre Ansichten ganz besonders harsch und einseitig. Sie erklärt Putin wäre ins neunzehnte Jahrhundert und einer Welt ohne Realpolitik zurück gefallen, er versuche das Russische Imperium durch die eurasische Integration wieder aufleben zu lassen. Aus ihrer Sicht interpretiert sie Russlands Aktionen in Georgien im Jahr 2008 und der Krim im Jahr 2014 als Teil einer aggressiven Strategie, und nicht als defensive Reaktionen auf wahrgenommene Herausforderungen...
Der Versuch, einen Keil zwischen Medvedev und Putin zu treiben scheiterte, und die ganze Politik verlor im Laufe der Zeit an Momentum. Ihre Einstellung aus dem Kalten Krieg spiegelte sich in ihrer Aufforderung an Obama, dass ‚die einzige Sprache, die Putin verstehen würde, wäre eine der Stärke und Entschlossenheit....." (Seite 33)
Sakwa beschreibt, wie Hillary Clinton daran zweifelte, dass interner Protest Putin stürzen könne, und wie sie argumentierte, dass nur geopolitische Herausforderungen, wie ...durch den radikalen Islam, den russischen Präsidenten zwingen würden, zu verstehen, dass Russlands Interessen bestmöglich mit dem 'Westen Verbunden werden sollten.

Leider hält Sakwa hier inne, statt den Gedankenfaden weiter zu verfolgen. In diesem Zusammenhang sollte man wissen, dass die USA 1979 den radikalen Islamismus "erfunden" hatten, um der Sowjetunion "sein eigenes Vietnam zu verschaffen", wie Zbigniew Brezinski stolz erklärte, und dies erstaunlicherweise auch nach 9/11 immer noch für eine gute Idee hielt.

Und offensichtlich hatten die USA auch danach, in Tschetschenien, islamistischen Terror unterstützt, und auch finanziert, direkt und indirekt durch Verbündete. Putin hatte dies in einer Rede angedeutet, ohne jedoch Einzelheiten zu erwähnen. Aber Ria Novosti enthüllte die Geldflüsse, die zu den islamistischen Terroristen in Tschechenien geflossen waren, Einzelheiten würden diesen Artikel sprengen. Nur ein Detail sei erwähnt.
"... Es sei an den Skandal um die britische Organisation Halo Trust erinnert. Sie wurde in Großbritannien als gemeinnützige Wohltätigkeitsorganisation angeblich mit dem Ziel gegründet, Hilfe beim Entminen in ehemaligen Konfliktgebieten zu leisten. Statt dessen bildeten die Halo-Trust-Instrukteure seit 1997 laut Aussagen festgenommener tschetschenischer Terroristen, die vom Föderalen Sicherheitsdienst /FSB/ vernommen wurden, über 100 Sprengspezialisten aus. Finanziert wird diese Organisation bekanntlich durch die Regierungen von Irland, Kanada, Japan, Finnland und dem britischen Ministerium für internationale Entwicklung.
Ins Visier der russischen Sicherheitsbehörden geriet diese Organisation 1997, als Mitarbeiter von ihr - die Briten Charlie Emms, Thomas Dibb, Nicholas Nobbs - ohne Genehmigung der föderalen Behörden und lediglich mit Zustimmung Maschadows nach Tschetschenien kamen.
Die "Minenräumarbeiten" begannen sie mit einer umfassenden topographischen Vermessung des gesamten Territoriums der Tschetschenischen Republik mit der Anbindung der Ortschaften an das Koordinatensystem der Nato.
Anschließend fing man in der Halo Trust an, sich intensiv den Kopf darüber zu zerbrechen, wie verschiedene Ausrüstungen nach Tschetschenien geschmuggelt werden könnten. Im Mai 1998 berichtete der Koordinator dieser Organisation im Nordkaukasus, Richard Bayliss, seiner Leitung in London: "Da Halo Trust nicht registriert ist, darf sie keine Güter vom russischen Zoll verzollen lassen..." Angesichts dessen beschlossen die "friedliebenden" Briten, die Güter für die tschetschenischen Terroristen auf Schmuggelrouten zu verlegen. Im März 1998 informierte Emms seine Chefs in London: Er wolle Bassajew um Hilfe bei den Lieferungen von Ausrüstungen ersuchen. Und "Freund Schamil" half natürlich: Er kannte ja schon seit langem sichere Routen für den Schmuggel afghanischer Drogen über die Türkei und über das von den Türken besetzte Nordzypern nach Europa. In umgekehrter Richtung flossen die Waffen.
Die russische Spionageabwehr stellte zudem fest, dass die Mitarbeiter von Halo Trust in Tschetschenien aktiv sozial-politische und militärische Daten sammelten, wovon die ständig eingehenden Aufträge aus London zeugen. Der FSB deckte darüber hinaus ein ganzes Netz von einheimischen Agenten in Tschetschenien auf, die zur Sammlung und Übermittlung von Angaben über den Verlauf der Kampfhandlungen in Tschetschenien genutzt wurden. Bei ihnen wurden ausländische Spezialausrüstungen (Minensuchgeräte, Panzerwesten, Helme, Fahrzeuge, Schusswaffen, Sprengstoffe und Verbindungsgeräte) gefunden. (MOSKAU, 23. September 2004. /von Generaloberst Leonid Iwaschow, Vizepräsident der Akademie für geopolitische Probleme, für RIA Nowosti/)  ..."
Zurück zu Sakwa. Er führt aus, dass Putin all das verstanden hatte, und in den ersten Jahren versucht hatte, praktische Wege zu finden, um Teil Europas zu werden. Dann urteilt er:
"... aber es war das Versagen, eine angemessene Formel zu finden, die Russland dann auf den Pfad des Neo-Revisionismus brachte, provoziert exakt durch die Politik, die Clinton vertrat..." (Seite 34)
Wieder schließt er Absicht vorsichtshalber aus, und spricht von Versagen. Aber er führt dann noch einen vierten Katalysator für die Entwicklung Russlands zum Neo-Revisionismus, an.
"... Es ist die Ideologie der ‚Demokratisierung‘, die zu unterscheiden ist von der Praxis der Demokratie selbst. Statt für die Demokratisierung die gleichen Grundsätze gelten zu lassen wie für Demokratie selbst, geht man davon aus, dass, wenn Demokratie die bestmögliche Regierungsform ist, und man in der Lage ist, Verbündete in den betroffenen Staaten zu gewinnen, dass dann alle praktikablen Maßnehmen angewandt werden sollen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Die Auffassung, dass der Westen die Förderung der Demokratie als Verschleierung seiner strategischen Ziele benutzt, und damit auch Regime-Changes verursacht, rief eine Heerschar von defensiven Reaktionen in Russland hervor. Das Hauptinstrument für die Durchsetzung der ‚Demokratie‘ konnte bei den ‚Farb’Revolutionen, der Mobilisierung der Öffentlichkeit gegen angeblich ‚gestohlene Wahlen‘ beobachtet werden, wobei ein klassisches Exemplar die Ereignisse in der Ukraine im Herbst 2004 waren (,mehr darüber weiter unten). Diese Form der Regime-Changes war nicht auf das post-sowjetische Gebiet beschränkt. Auf der Internationalen Moskauer Sicherheitskonferenz am 23. Mai 2014, beschrieben russische und weißrussische Beamte wie im letzten Jahrzehnt die USA und einige NATO-Verbündete angeblich die Regierungen der Ukraine, von Georgien, Kirgistan, Afghanistan, dem Irak, von Syrien, Ägypten, Libyen und dem Jemen gestürzt hatten, oder versucht hatten sie zu stürzen. (19) Die Ideologie der Demokratisierung wird durch ein extensives Netzwerk von zivilgesellschaftlich orientierten Vereinigungen unterstützt, finanziert durch die USA und europäischen Länder. Russland und andere Länder stören sich nicht so sehr an der Demokratie als Praxis, sondern an seiner Verbreitung als Projekt gegen andere Länder, was als aggressiv, expansionistisch und letztendlich subversiv gegenüber der staatlichen Souveränität angesehen wird. Natürlich kann die Kritik an der Demokratisierung als Entschuldigung für die ‚Gesellschaft der Despoten‘ genutzt werden, aber die Kritik ist auch ein Appell für eine pluralistische internationale Ordnung, die alternative Arten der Entwicklung und unterschiedliche Modelle der Moderne, akzeptiert. ..." (Seite 34)
Sakwa gebührt der Verdienst, die vier Faktoren einmal nüchtern analysiert zu haben, die Russland zu einer neo-revisionistischen Macht gemacht hatten. Aber noch einmal zur Erläuterung, was das überhaupt bedeutet:
"... Russland erhebt nicht den Anspruch, die internationale Ordnung zu verändern, aber verlangt, dass die führenden Mächte den gemeinsam etablierten Regeln des internationalen Systems folgen, ..." (Seite 34)
Und nun fragt man sich, was an diesem Neo-Revisionismus eigentlich so verkehrt ist, oder?

Sakwa erklärt dann auch, dass Russland weit davon entfernt ist, auf Dauer eine revisionistische Macht zu bleiben, und er schreibt, dass Russland im Prinzip die amerikanische Hegemonie akzeptiere, so lange nicht ihre eigenen vitalen Interessen und ihr Prestige betroffen sind.
"... . Die russisch-amerikanische Kooperation im Fall von Syrien und dem Iran sind präzise die Art von Beziehung, die Russlands Neo-Revisionismus erwartet. Im September 2013 haben Putin und Sergei Lawrow, der russische Außenminister, zusammen mit dem amerikanischen Kollegen John Kerry, eine internationale Vereinbarung über die Vernichtung von Syriens Chemiewaffen verhandelt. Russlands vielfältige Initiativen im Gebiet der Sicherheit und Normen-Änderung, sind dazu gedacht, nicht die existierende Ordnung zurück zu weisen, sondern sie universaler und selbstverständlicher zu machen. (20)..." (Seite 34)
Hinzufügen sollte man die heute stattgefundene Syrien-Konferenz in Wien, die erneut auf Drängen, und durch diplomatisches Geschick Russlands, zustande gekommen ist, und hoffentlich bald zu einer Beendigung des Blutvergießens in Syrien führen wird. Russland bietet wieder einmal den USA einen Weg an, ohne Gesichtsverlust von einer Position zurück zu treten,, die verloren ist, nämlich der Position, Präsident Assad mit Hilfe von Terror zu stürzen.

DIE EURASISCHE INTEGRATION 

Enttäuscht vom westlichen Europa, ist eines der Kernelemente des russischen Neo-Revisionismus, der Versuch der eurasischen Integration, schreibt Sakwa, und erklärt, dass dies zunächst auf eine kleine Zahl post-sowjetischer Staaten beschränkt war. Aber diese Integration entwickelte eine Dynamik, die schließlich die weitergehende asiatische Integration umfasste. Die Idee eines Groß-Europas, mit mehreren Machtzentren, und Russland als gleichberechtigten Partner, war gescheitert, und nun wandte sich Russland anderen, ambitionierten Plänen zu. Was jedoch die Spaltung in Europa weiter vertieft. Sakwa sagt dazu:
"... Die eurasische Integration war nicht dazu gedacht, die Hoffnungen auf ein vereinigtes Groß-Europa zu unterminieren, sondern spiegelt lediglich die Art der internen europäischen Verfahren, und das Ende der Beziehung Russlands mit der EU. Russland und seine Partner begannen, Eurasia als ausgeprägten Pol in der Weltwirtschaft zu entwickeln, indem sie den institutionellen Rahmen schafften, um ein alternatives integratives Projekt zu betreiben. Für einige Nationalisten erfüllte das die Ambitionen ein ‚Groß-Russland‘ zu errichten, obwohl traditionell eurasische und russische nationalistische Tendenzen sich antithetisch gegenüberstehen. Die eine basiert auf der russischen Nation, während die andere Eurasien als Basis für eine alternative zivilisatorische Einheit sieht, die anti-westlich und anti-liberal ausgerichtet ist. (21). Für unsere Vorhaben wichtig, zu verstehen, dass der der geopolitische Wettbewerb, zurück ins Herz des Kontinents gelangte. Die Ideen eines ‚ausgedehnten Europas‘ hatten sich als dominante Kraft auf dem Kontinent erwiesen; den groß-europäische Ideen fehlte es an Substanz, und die eurasischen Integrationspläne begannen institutionelle Formen anzunehmen. Die ukrainische Krise hat sich im Fadenkreuz dieser im Wettbewerb stehenden Projekte entfaltet...." (Seite 35)
Was Sakwa nicht erwähnt ist die Tatsache, dass dies genau die Politik ist, die von den USA beabsichtigt worden war. Stratfor-Gründer Friedman hatte ganz öffentlich erklärt, dass die Hauptsorge der USA ein vereinigtes Groß-Europa zu verhindern, genauer gesagt eine Kombination der Technologie Deutschlands und der Ressourcen Russlands. Denn diese Partnerschaft wäre angeblich die einzige Gefahr für den Hegemonialanspruch der USA.

Natürlich ging es bei der Idee der eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft auch darum, Russland wieder den Status einer Weltmacht zu verleihen. Und auch, ein Gegengewicht, gegen die immer aufdringlichere NATO Erweiterung zu setzen. Und nun erklärt Sakwa, warum die Spaltung und zunehmende Polarisierung nicht, z.B. durch Verbindungen und Zusammenarbeit der betroffenen Sicherheitsorganisationen beseitigt wurde:
"... , scheiterte am Veto der USA. Es wurde berichtet, dass der NATO Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen versucht hatte, die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen der CSTO und der NATO zu eruieren, aber als die US Mission in Brüssel davon Wind bekam, wurde der US-NATO-Botschafter Ivo Daalder angewiesen, jeden Versuch in dieser Richtung zu blockieren, weil ‚es kontraproduktiv für die NATO wäre, sich mit der CSTO zu engagieren, einer Organisation, die von Moskau initiiert worden war, um das Potential der NATO und des US-Einflusses im Raum der ehemaligen Sowjet-Union einzuschränken.’(23). Rasmussen begann seine Amtszeit im Jahr 2009 mit einem kühnen Versuch, sich mit Russland zu engagieren, aber als sich dann die Ukraine-Krise entwickelte, wurde er zu einem der schärfsten Kritiker Russlands. Dieser Verlauf war vorbestimmt durch die strukturelle Sackgasse, in die das asymmetrische Ende des Kalten Krieges geführt hatte..." (Seite 36)
Zurück zur eurasischen Integration, die zunächst sehr schleppend verlief, aber dann plötzlich an Geschwindigkeit zunahm. Am 25. Januar 2008 unterzeichneten Russland, Weißrussland und Kasachstan, die Verträge für eine gemeinsame Zollunion und Steuerharmonisierung. Im Sommer 2009 wurden Vereinbarungen unterzeichnet, um die Eurasische Zoll-Union (ECU) zu gründen, die formal am 1. Januar 2010 ins Leben gerufen wurde, und mit der die meisten Barrieren zum Juli beseitigt worden waren. In der nächsten Stufe trat ein ‚einheitlicher Wirtschaftsraum‘ am 1. Januar 2012 in Kraft, und am 1. Januar 2015 wurden die beiden kombiniert, um daraus die Eurasische Wirtschafts-Union (EEU) zu bilden. Dann spielte die Ukraine-Krise den Turboeffekt für die Entwicklung, wie Sakwa beschreibt:
"... Nach einer Periode der intensiven Verhandlungen, vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise, unterzeichnete die EEU am 29. Mai 2014 Verträge über entwickelte Pläne zur politischen Kooperation, einer gemeinsamen Staatsbürgerschaft, von Außenpolitik, einer innerparlamentarischen Zusammenarbeit, Pässe und Visa, und einen gemeinsamen Schutz der Grenzen, sowie die Idee einer gemeinsamen Zollbehörde. Es gab keine Regelungen für eine gemeinsame Währung, Sozialpolitik und Rentensystem. Die EEU-Vereinbarungen systematisierten die Bedingungen, die bereits in der ECU und der CES vorhanden waren, einschließlich des freien Warenverkehrs, Geldverkehrs und Arbeitsplatzwahl, und harmonisierten die Regelungen in 19 Bereichen. Die wichtigste Innovation war die Errichtung eines gemeinsamen Marktes für Dienstleistungen, die mit den weniger wichtigen Sektoren starteten, und sich graduell auf die Bereiche wie Telekommunikation, Transport und Finanzserviceleistungen erweitern soll. Bis Mitte der 2020er Jahre plant die EEU die Einrichtung einer gemeinsamen Banken- und Finanzregulierungs-, und einer Beobachtungs-Behörde in Kasachstan. Die ambitioniertesten Vorschläge wurde vertagt, insbesondere die Liberalisierung der Märkte für sensible Güter, wie pharmazeutische Produkte, und die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Öl, Gas und Elektrizität.(24)
Jedoch wurden wichtige Schritte unternommen, von denen erwartet wird, dass sie in absehbarer Zeit zu einer vollständig ausgewachsenen Eurasischen Union (EaU) führen, mit einem eigenen Besitzstand an Normen, zum Arbeitsmarkt, Technik, Mobilität und anderen Bereichen, was, ähnlich zur EU, die wirtschaftliche Regierungsführung in der ganzen Region verbessern wird. Die drei Gründungsländer decken dreiviertel der post-sowjetischen Region ab, und haben gemeinsam 170 Millionen Einwohner, mit einem gemeinsamen BIP von ca. 2,3 Billionen $ (verglichen mit der EU, die auf 16,6 Billionen $ kommt). Die Region enthält 20% der Weltgasreserven und 15% der Ölreserven. Es war ursprünglich erwartet worden, dass Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan auch als gleichberechtigte Mitglieder beitreten würden, allerdings waren nur die beiden letzteren ernsthafte Kandidaten.  ..." (Seite 36)
Sakwa macht dann klar, was ich auch in verschiedenen Artikeln bereits beschrieben habe, nämlich dass die Entwicklungen in der Ukraine Doping für eine Reihe anderer integrativer Projekte war. Er erwähnt z.B. die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit und die BRICS Staaten. Details kann man auch meinen Artikeln entnehmen. BRICS und SCO, BRICS und SCO Teil2, Angst vor NATO beschleunigt BRICS+SCO Wachstum.
"...Die Welle makro-kontinentalen Regionalismus reflektiert den Versuch, mediierende Institutionen zu finden, in einer Welt, in der die Stabilität der Bipolarität des Kalten Krieges fehlt, und Hoffnungen auf das Überwinden der Asymmetrien im internationalen System..." (Seite 37)
---> Frontline Ukraine - Crisis in The Borderlands, Richard Sakwa, I.B. Tauris, London, 2015 (Englisch)
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