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Samstag, 24. März 2012

Die Probleme der Formalien in der Basisdemokratie


Heute am 24.03.2012 findet in Münster der Landesparteitag der Piratenpartei NRW statt. Dort sollen die Kandidaten der Landesliste für die Landtagswahl am 13.05.2012 nominiert werden. Die Wahl war notwendig geworden, da die Rot-Grüne Regierung in Düsseldorf vorzeitig gescheitert war, und keine Mehrheit mehr erreichen konnte. Deshalb war der einzige Ausweg die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen.


Um rechtzeitig Kandidaten benennen zu können, musste die Piratenpartei einen Nominierungsparteitag innerhalb von 14 Tagen durchführen. Daher wurden Einladungen an die ca. 2081 stimmberechtigten Mitglieder verschickt. Davon akkreditierten sich ca. 450 am Samstag zum Parteitag. Das ist eine Wahlbeteiligung von ca. 20-25%? Wäre das nicht eine Wahlbeteiligung, die man in demokratischen Systemen mit einem Naserümpfen bedenken würde?


DAS QUORUM PROBLEM

Bei Abstimmungen im deutschen Bundestag gibt es ein Quorum von 50%. In Volksentscheiden, der Mutter aller basisdemokratischen Verfahren, werden folgende Mindestzustimmung gefordert:

50 %: Saarland
33 %: Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern
25 %: Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen
20 %: Bremen, Hamburg
15 %: Nordrhein-Westfalen
Lediglich Bayern, Hessen und Sachsen kennen kein Zustimmungsquorum.

Die Piratenpartei selbst erklärt, dass im Fall von Baden Württemberg ein Zustimmungsquorum auf 25% abgesenkt werden sollte. http://www.piratenpartei-bw.de/2011/06/08/volksentscheid-warum-das-quorum-gesenkt-werden-muss/ Zustimmungsquorum, wohlgemerkt. D.h. es müssten mindestens 25% der Wahlberechtigten für eine Entscheidung stimmen.

Im Fall des Landesparteitags aber sind nur ca. 22% der Wahlberechtigten überhaupt anwesend. Was durchaus mit den geltenden Regeln für Parteitage (die zwischen 10% und 5% liegen) übereinstimmen.

NIEDRIGES QUORUM = BASISDEMOKRATISCH?

Die Frage ist, ob sich ein so niedriges Quorum mit der Idee der Führung der Partei durch die Basis in Einklang bringen lässt. Denn effektiv wird dann die Partei NICHT von der Basis, sondern nur von 5 oder 10% der Mitgliedern, im obigen Fall von 22% der Mitglieder geführt.

DIE ZWICKMÜHLE

Hier setzt die Kritik der Befürworter von Delegationskonferenzen an. Werden Delegierten, z.B. durch Briefwahl oder auf andere geeignete Weise, durch eine größere Zahl von Mitgliedern bestimmt, so die Begründung, würde dies ein besseres Bild der Meinung der Mitglieder wieder spiegeln.

Tatsächlich ist es für Mitglieder ärgerlich, wenn sie gerne mitwirken würden, aber einfach nicht können. Sie müssen sich darauf verlassen, dass die Vertretung durch die anderen Mitglieder repräsentativ ist. Aber ein unguter Geschmack kann durchaus haften bleiben.

Die Befürworter einer direkten Beteiligung der Mitglieder werden zweifellos einwenden, dass auf diese Weise die Einflussnahme eines Mitgliedes direkter und eindeutiger ist. Besonders Minderheitenmeinungen lassen sich natürlich direkter und besser vertreten.

BEDARF EINER LÖSUNG

Die Situation ist insgesamt unbefriedigend und sollte überprüft werden. Insbesondere im Fall von Kandidatenwahlen besteht die Möglichkeit, sich schon vor dem eigentlichen Wahltag zu informieren und eine Meinung zu den Kandidaten zu bilden. Ohne auf die möglichen Fallen der gesetzlichen Vorschriften eingehen zu wollen, sollte es doch möglich sein, ein Prozedere zu finden, nach dem Kandidaten per Briefwahl oder auf andere Art gewählt werden können. Auf diese Weise könnten sich wesentlich mehr Mitglieder an der Entscheidung beteiligen.

Sicher gibt es viele Einwände. Aber wenn man eine Lösung finden will, sollte es möglich sein, eine zu finden. Will man keine Spontanbewerbungen ausschließen? OK, dann könnte der Wahlzettel am heimischen Computer nach dem Schließen der Bewerberliste ausgedruckt werden, und wenn am gleichen Tag unterschrieben und mit Kopie des Personalausweises per Post abgeschickt, könnte er am ersten Werktag danach bei dem Wahlleiter vorliegen. Nicht möglich? Man finde eine Lösung.

Dies natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die Piratenpartei auf der Meinung beharrt, dass elektronische Abstimmverfahren grundsätzlich nicht möglich sind, da manipulierbar.

ELEKTRONISCH NICHT MÖGLICH?

In diesem Zusammenhang muss ich an das neue PIN-Nummern-System bei einigen Banken denken. Sie senden nun die TANs, also die elektronischen Unterschriften für Banktransaktionen, per SMS an eine Mobiltelefonnummer, die der Kunde registriert hat. So identifizieren sich die Kunden mit einer PIN, um Zugang zum System zu erhalten und unterschreiben dann ihre Aktivitäten mit einer TAN.

Die Frage die sich stellt ist, ob mit Hilfe der Kombination von Computer, Mobiltelefon  und SMS nicht doch eine elektronische Abstimmmöglichkeit geschaffen werden kann.

ALTERNATIVE DELEGATION

Eine Alternative wäre, den Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, einem anderen Mitglied eine Delegation zu erteilen. Jedoch sollte jedes Mitglied nur eine einzige Delegation verwalten dürfen.

KEINE RADIKALÄNDERUNG

In keinem Fall sollte diese oder andere kritische Bemerkungen zum Anlass oder Vorwand genommen werden, Radikaländerungen durchzuführen. Wir Piraten sind nicht trotz, sondern wegen der basisdemokratischen Organisation mit all seinen Schwächen und Vierbesserungspotential Piraten geworden. Daher sollten Änderungen nicht gegen, sondern mit dem basisdemokratischen Geist vorgenommen werden.


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