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Sonntag, 20. Januar 2013

Saudi Arabien, Mali und der angebliche Kampf um Demokratie

Glenn Greenwald hat im Guardian und auf seinem Blog einen Artikel veröffentlicht, in dem er die Behauptung, dass ein Einsatz in Mali einer für Demokratie und Menschenrechte wäre als Legitimationsbehauptung entlarvt. Er schreibt (1)


Wenn es darum geht, die „Gruppe von Menschen, die sich mit US-Außenpolitik beschäftigt“ zu repräsentieren, ist niemand prädestinierter als Bruce Riedel. Er ist ein CIA-Offizier mit 30 Jahren Dienstzeit und Berater von mindestens vier US-Präsidenten. Er ist bekannt als Senior-Forscher eines Flügels der Brookings Institution, das vom Unterhaltungs-Mogul Haim Saban finanziert wird. (Saban wird von der New York Times beschreiben (2) als „ein ruheloser Cheerleader für Israel“. Er selbst beschreibt sich auf folgende Art: „Ich bin jemand, der sich nur um eine Sache kümmert, und das ist Israel“.) Im Jahr 2012 schrieb Riedel für ein Buch über den Iran, das von „Forschern“ der Broockings Institution geschrieben wurde. Darin wird argumentiert, dass die USA einen verdeckten Krieg gegen den Iran starten könnten. Dies könnte genutzt werden, damit die USA die Führung des Irans fälschlicherweise so darstellen könnte, als ob der Iran eine nicht provozierte Aggression gegen die USA begangen hätte.“ Genau das, was Ken Pollack von Brookings im Jahr 2002 vorgeschlagen hatte, um einen Angriff auf den Irak zu rechtfertigen.

Brockings zufolge (4) „forderte Präsident Obama Riedel im Januar 2009 auf, den Vorsitz einer Kommission zu übernehmen, die die amerikanische Politik gegenüber Afghanistan und Pakistan überprüfen sollte. Die Ergebnisse verkündete der Präsident in einer Rede am 27. März 2009“.

Wenn sie in der Öffentlichkeit reden, vertuschen die “Experten” der “Spezialisten für Außenpolitik”, deren wichtigste Funktion die Rechtfertigung des US-Militarismus und Aggression ist, ihre wirklichen Beweggründe und Ziele, in dem sie eine sehr spezielle Sprache benutzen. Aber von Zeit zu Zeit gibt es einen Ausbruch von un-charakteristischer Aufrichtigkeit, mit der ihre wirkliche Weltsicht offenbar wird. So zum Beispiel in dem bemerkenswert klaren Memorandum an Präsident Obama, das Riedel gerade verfasst und von Broockings veröffentlicht wurde. Und in dem die extrem enge Zusammenarbeit zwischen der USA und dem Regime in Saudi-Arabien (5) beschrieben wird.

Riedel beginnt damit festzustellen, dass „Saudi Arabien die letzte Absolutistische Monarchie der Welt“ ist. Und dass „König Abdallah die vollständige Kontrolle wie zuletzt König Louis XIV“ inne habe.
„Die sunnitische Minderheit in Bahrain könnte das Land nicht beherrschen, ohne das Geld der Saudis und ohne ihre Panzer. Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate, alle Stadtstaaten die trotz ihres Geldes nicht in der Lage wären, sich zu verteidigen, wenn Saudi Arabien ein revolutionäres Regime hätte.“
Wenn man also dieses extreme Leiden und die Unterdrückung berücksichtigt, die durch die Saudische Monarchie in mehreren Ländern sicher gestellt wird, was sollte die USA – der Anführer der Freien Welt und der selbst ernannte Lieferant für Freiheit und Demokratie – tun? Nach Meinung von Riedel ist die Antwort offensichtlich: Noch härter arbeiten, noch mehr unternehmen, um das Saudische Regime zu stärken und zu stabilisieren, so wie benachbarten Tyrannenstaaten der Region. Mit dem Ziel, den „Arabischen Frühling“ zu zerschlagen, und sicher zu stellen, dass eine demokratische Revolution in diesen Staaten nicht erfolgreich sein kann.

Riedel argumentiert scharf, dass die USA sich unbedingt standhaft gegen demokratische Revolutionen in der Region wenden muss. Weil Saudi Arabien „Ameriaks ältester Verbündeter im Mittleren Osten ist, eine Partnerschaft, die zurückreicht ins Jahr 1945“. Deshalb, „da die amerikanischen Interessen so eng mit denen des Hauses Saud verbunden sind, hat die USA keine Wahl, und kann sich nicht distanzieren, um auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen.“

Stattdessen, so stellt er mit Gewissheit fest, sollte Obama den Saudischen König „ermutigen“ angemessene Reformen einzuführen, die er abstrakt angedeutet hatte. Das alles überschattende Prinzip, das US-Aktionen aber bestimmt, sollte der Kampf gegen „einen Sturz der Monarchie sein, der einen ernsthaften Rückschritt für die Position Amerikas in der Region bedeuten würde, und einen dramatischen strategischen Gewinn für den Iran.“ Und die USA sollte nicht nur die Saudische Diktatur stützen, sondern die USA „muss bereit sein, die benachbarten Königreiche und Scheichtümer zu beschützen.“ Wie ein Korrespondent aus Bahrain über das Memorandum von Obama schrieb: „Broockings erklärt Obama im Prinzip, dass er sicher stellen müsse, dass die Diktaturen nicht gestürzt werden.

Die einzige Sache, die in Riedels Memorandum unklar bleibt, ist die Frage, warum er die Dringlichkeit sah, es zu schreiben. Wie er festhielt, war die US-Politik bisher genauso wie er sie vertrat: Sicherstellen, dass die Menschen Saudi-Arabiens durch die Monarchie tyrannisiert werden kann:
„Die kritischen Verteidiger des Regimes ist die Nationalgarde. König Abdallah hat sein Leben damit verbracht, diese elitäre Prätorianergarde aufzubauen. Die USA haben sie ausgebildet und mit dutzenden von Milliarden Dollar mit Hubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen ausgerüstet.“
Erst letzte Woche hatte Präsident Obama klar gemacht, wie kritisch seine Verbindung mit dem Haus Saud ware, als er etwas tat, was US-Präsidenten selten tun: Nicht ein Staatsoberhaupt bewirten, sondern einen einfachen Minister (Saudis Innenminister, Prinz Mohammed bin Nayef bin Abdulaziz Al-Saud) und das im Oval Office. Danach verkündete das Weiße Haus, (6) dass Obama und der Saudische Prinz „die starke Partnerschaft zwischen der USA und Saudi Arabien“ betont hatten.

Und tatsächlich hatte die Obama Administration ständig das Saudische Königreich verschwenderisch mit Rekordbeträgen (7) mit Waffen und noch mehr Waffen (8) ausgestattet, und das gleiche für die Diktatur in Bahrain.(9) All das tat er, während er gleichzeitig eine rekordverdächtig enge Zusammenarbeit mit den Despoten der Golfstaaten pflegte.

Wie üblich, ist die standhafte Unterstützung der arabischen Diktaturen wohlwollend gesagt dubios. Riedel stellt fest, dass „während die USA ohne Saudischen Öl leben kann, können das China, Indien, Japan und Europa nicht.“ Aber es wäre absurd zu glauben, dass wer auch immer Saudi Arabien regiert, sich weigern würde, das Öl auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Riedel argumentiert, dass „der Krieg der CIA gegen Al-Kaida vollkommen vom Saudischen Königreich abhängen würde”. Dies nun ist ziemlich nahe an der Wahrheit, aber er zeigt auch auf, dass der nie endende „Krieg“ der Autor der meisten negativen Aktionen der USA in der Region ist. Und es ist ironischerweise die einzige Regierung {Saudi Arabien}, die valide Kontakte zu den Tätern von des 9/11-Anschlages hatte. Während Regierungen, die keinerlei Verbindungen zu ihnen hatten, beginnen wir mit dem Iran, zu ständigen Feinden der USA wurden. (10)

Riedel behauptet auch, dass “die Saudis Schlüsselrollen darin spielen, den Iran seit Jahrzehnten in Schach zu halten”. Aber wenn es um Unterdrückung und Tyrannei geht, so grausam wie das System sich gezeigt hat, kann man es nicht mit dem Grad der Unterdrückung in Saudi Arabien vergleichen. Es gibt keinerlei Gründe, warum man den Iran als unabänderlichen Feind ansehen müsste, und der Iran ist sicherlich kein Grund dafür, das Aufrechterhalten einer absoluten Tyrannei über Millionen von Menschen in der arabischen Welt zu unterstützten, nur weil diese Regime dem Iran ähnlich feindlich gegenüber eingestellt sind wie man selbst.

Aber wie ich schon letzte Woche klar gemacht hatte (11) geht es nicht darum die US-Unterstützung für die schlimmsten Diktatoren der Welt anzuprangern. Es geht nur darum die Realität anzuerkennen. Trotz der offensichtlichen Wahrheit, dass die USA keinerlei Probleme mit jeder Art von Tyrannei hat, und sie sogar liebt und unterstützt, soweit die Tyrannen treu die eigenen Interessen unterstützen, behaupten unendlich viele Experten für Außenpolitik schamlos, dass die USA und ihre NATO-Verbündeten sich Demokratie und Freiheit verpflichtet fühlten. Und sie begründen jede US- und NATO-Intervention mit dem Kampf gegen einen Despoten.

Hören Sie einfach mal auf die hinterlistige Rhetorik, die aus den Reden der politischen Führer der USA heraus zu hören sind, ebenso wie die der Gemeinschaft von „Experten“ für Außenpolitik, wenn es darum geht, gegen die Regime vorzugehen, die der USA feindlich gegenüber eingestellt sind, wie z. B. Libyen, Syrien und der Iran. Dass die USA und ihre NATO-Verbündeten die Beschützer der schlimmsten Tyrannen der Welt sind, diesen Regimen feindlich gegenüber stehen, und zwar auf Grund ihrer Bemühungen Demokratie und Menschenrechte zu fördern, ist ein Vorwand, der so offensichtlich, so klar und unwiderlegbar ist, dass man nicht verstehen kann, wie diese Leute das in der Öffentlichkeit mit ernstem Gesicht behaupten können. Selbst Riedel stellt über die wahren Gründe für solche Interventionen fest: Die Saudis, so schreibt er, sind „Pragmatiker und haben die Revolutionen in Libyen und Syrien unterstützt, um langjährige Feinde des Königreiches, speziell den Iran zu destabilisieren“.
Die gleiche hirnverbrannte Rhetorik wird in der Debatte über die Mali-Intervention fortgesetzt. Die gleichen Länder, (12) die die schlimmsten Menschenrechtsverbrecher auf dem afrikanischen Kontinent (13) unterstützen, stellen sich selbst gleichzeitig als Kreuzritter für Menschenrechte dar, indem sie Mali bombardieren. Und Menschen, die davor warnen, dass das Bombardieren eines weiteren muslimischen Landes Al Kaida nur weiter stärken wird, wie die New York Times feststellte: „Die Rückwirkung könnte schlimmer werden als die ursprüngliche Bedrohung“ (14), werden verleumdet als Terroristen-Freunde, und zwar von selbsternannten Außenpolitik-Experten die ausschließlich existieren, um den Militarismus der USA und der NATO zu rechtfertigen (15)

Es ist die gleiche verlogene, offensichtliche propagandistische Debatte, die seit Jahrzehnten stattfindet. Immer und immer wieder. So waren die Saudis liebenden George Bush und Tony Blair in der Lage, ihren Bürger zu erzählen, dass ihr ehemaliger Verbündeter Saddam Hussein angegriffen werden und aus der Macht entfernt werden müsse, weil er ein Tyrann wäre, (und indem sie alte Menschenrechtsverbrechen nannten, die stattgefunden hatten, als er noch von den USA und den NATO-Verbündeten unterstützt wurde (!)). Und alle, die Widersprüche und Heuchelei anprangerten, wurden als Saddam-Freunde verleumdet.

Es ist kritisch, dass diese Verpflichtung gegenüber Menschenrechten und Demokratie, die die USA und ihre NATO-Verbündeten behaupten, nur innerhalb der Bevölkerung der eigenen Länder funktioniert. Menschen in der Region, wo diese diktatorenfreundliche Politik angewandt wird, sind sich vollkommen über die Realität im Klaren. Das beweisen Umfragen immer wieder. (16) Durch das massive Auftreten dieser selbsterklärten Auslandspolitik-Experten, die die Mythen immer wieder verbreiten, und dank der US-Medien, die diese Sichtweise aus dem Blickwinkel der US-Regierung in die Welt verbreitet, glaubt die Bevölkerung daran, egal wie absurd die Behauptungen sind, oder wie durchsichtig die Märchen auftreten. Es wirkt. Die Tatsache, dass jemand ein Memorandum verfassen kann wie das von Riedel, in dem die US-Politik so klar dargestellt wird, und damit die Unterstützung für die schlimmsten Despoten der Welt, und dass dieses Memo neben der endlosen kriegstreiberischen Rhetorik der USA und ihrer Betonung des Kampfes um Freiheit und Demokratie stehen kann, stellt den Beweis dar für die Größenordnung der erzeugten Mythen.

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(1) http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2013/jan/19/riedel-brookings-saudi-tyranny-mali

(2) http://www.nytimes.com/2004/09/05/business/yourmoney/05sab.html?_r=0&pagewanted=print&position=

(3) http://www.tinyrevolution.com/mt/archives/003606.html

(4) http://www.brookings.edu/research/papers/2013/01/revolution-in-riyadh

(5) http://www.guardian.co.uk/world/saudiarabia

(6) http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2013/01/14/readout-presidents-meeting-saudi-minister-interior-prince-mohammed-bin-n

(7) http://www.guardian.co.uk/world/2010/sep/13/us-saudi-arabia-arms-deal

(8) http://www.nytimes.com/2011/12/30/world/middleeast/with-30-billion-arms-deal-united-states-bolsters-ties-to-saudi-arabia.html

(9) http://www.csmonitor.com/World/Middle-East/2012/0514/US-resumes-arms-sales-to-Bahrain.-Activists-feel-abandoned

(10) http://www.nytimes.com/2012/03/01/us/graham-and-kerrey-see-possible-saudi-9-11-link.html

(11) http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2013/jan/12/us-saudi-arabia-libya-freedom

(12) http://www.guardian.co.uk/world/2004/oct/10/france.iraq

(13) http://www.huffingtonpost.co.uk/2013/01/18/britain-algeria_n_2501658.html

(14) http://www.nytimes.com/2013/01/17/world/africa/us-sees-hazy-threat-from-mali-militants.html?pagewanted=1

(15) http://www.tinyrevolution.com/mt/archives/003651.htmlhttp://ggsidedocs.blogspot.com.br/2013/01/blake-hounshell-re-tweet.html

(16) http://ggdrafts.blogspot.com.br/2012/01/arab-world-opinion.htmlhttp://www.salon.com/2011/07/13/arabs/

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