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Dienstag, 21. August 2012

Pussy Riot: Menschenrechte im Dienste der Propaganda

Natürlich ist das Urteil gegen Pussy Riot, die russische Punk-Band, die eine Kirche als Bühne nutzte, politisch und viel zu hart. Andererseits steht die moralische Aufregung darüber in keinem Verhältnis zum Ereignis. Im Gegenteil muss man sich fragen, wenn in Deutschland ähnliche Taten mit mehreren Monaten Gefängnis bestraft werden, wie jüngst geschehen, inwieweit man dann ein Urteil von 1,5 bis 3 Jahren  1-2 Jahren (je nach Führung) in einem Land wie Russland mit einer derartigen Propagandaschlacht beantworten kann. Noch wichtiger und heuchlerischer aber ist, dass in so genannten „verbündeten“ und „befreundeten“ Ländern Urteile gesprochen werden, die um ein Vielfaches härter ausfallen, ohne dass ein Finger in den deutschen Medien oder der deutschen Politik gekrümmt wird. Selbst wenn ein Mensch wegen einer angeblich versandten SMS mit majestätsbeleidigendem Inhalt im Gefängnis sterben muss, regt sich niemand auf. Schauen wir uns ein paar jener befreundeten Länder an, in die wir besonders gerne Waffen exportieren, und was sie wohl mit ihren lokalen Pussy Riots machen.


Thailand: Da verkauft jemand eine australische Doku-Serie über die Monarchie auf selbst gebrannten CDs und wird mit 25 Jahren Gefängnis bedroht. (1) Hunderte von politischen Gefangenen werden unter menschenunwürdigsten Bedingungen inhaftiert weil sie ein falsches Wort gesagt, eine SMS mit majestätsbeleidigendem Inhalt verschickt, oder bei Facebook den „Like“ Button bei einer Karikatur des Königs angeklickt hatten. (2) Ein Großvater, krebskrank und ohne angemessene Behandlung im Gefängnis, musste dort sterben, weil er angeblich eine SMS versandt hatte, die die königliche Familie beleidigte. (3). Reaktion der deutschen Politik, obwohl praktisch jedes deutsche Großunternehmen inzwischen in Thailand eine größere Niederlassung betreibt? Null.

Saudi Arabien: Wer es wagt, ein Wort gegen die Monarchen zu erheben, die behaupten, dass das Land ihnen gehöre, wird mit Prügel, Inhaftierung, Verschleppung, Verschwinden bestraft. Um nur keinen Aufstand auf das eigene Land übergreifen zu lassen, schickten Saudi Arabiens Despoten sogar Panzer ins benachbarte Bahrain, um dort die Demokratiebewegung nieder zu schießen. Ohne dieses Eingreifen hätte es andernfalls möglicherweise einen demokratischen Staat direkt an der Grenze zu einem der letzten Bastionen der absolutistischen Monarchie gegeben. Noch dazu einen Staat, der auf Grund seiner Bevölkerungsmehrheit, höchst wahrscheinlich eher dem Iran als Saudi-Arabien zugeneigt wäre. (4) Reaktion der deutschen Medien und Politik? „Sie bemühen sich ja Reformen einzuführen …“

Bahrain: In Bahrain kamen, bezogen auf die Bevölkerungszahl, die gleiche Anzahl an Menschen im Kampf für Demokratie und Freiheit um, wie vor dem Beginn der bewaffneten Umsturzbewegung in Syrien. Folter, Inhaftierung, Prügel … sind die Mittel, mit denen die Herrscher ihre Pussy Riots in Schach halten. Und die deutsche Politik und Medien? Lesen Sie selbst, was das Außenministerium schreibt. (5) Und dann lesen Sie, wie die Wirklichkeit in Bahrain aussieht. (6)

Die Liste der Länder könnte noch beliebig weiter geführt werden, aber die Zeit ist mir jetzt ehrlich gesagt zu schade dafür. Für keinen der misshandelten, getöteten oder verschwundenen Demokratieaktivisten haben die deutschen Medien und Politik etwas unternommen. Wer kann dann die Aktion wg Pussy Riot überhaupt ernst nehmen?

P.S. Gerade sehe ich eine Meldung, dass das Erzbistum Köln Anzeige gegen deutsche Pussy-Riot-Aktivisten gestellt haben. (7)

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(1) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/07/australische-dokumentation-als-cd.html

(2) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/06/offener-brief-eines-politischen.html

(3) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/05/thailand-toter-politischer-gefangener.html

(4) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/08/saudi-arabien-eine-der-schlimmsten.html

(5) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Aktuelle_Artikel/Bahrain/111128-BM-Khalifa.html

(6) http://www.kriegsberichterstattung.com/id/1969/Folter-von-Demonstranten-in-Bahrain-fordert-Amnesty-International-zu-stoppen/

(7) http://www.ksta.de/innenstadt/dom-protestler-erzbistum-erstattet-anzeige,15187556,16931564.html



2 Kommentare:

  1. Ach so jetzt schreibt auch die Guardian mal darüber und erwähnt Assange ... z.B. http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2012/aug/21/human-rights-critics-russia-ecuador

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  2. Es gibt eine Faustregel in diesem "Menschenrechtsbetrieb"; die Verletzung der Menschenrechte wird erst dann vom Westen entdeckt und skandalisiert wenn sie von den Menschen, Herrscher und Systemen begangen werden die zu uns in Konkurenz stehen (oder ihre Naturresourcen nicht freiwillig hergeben wollen).
    Als Tymoschenko Innenministerin in Ukraine war, hat AI mehr als 180 Menschenrechtsverletzungen in den ukrainischen Gefängnissen dokumentiert. Das war im Jahr 2008 und keiner regte sich auf. Klar, sie war "good guy" für uns. Dann kam diese Kleptomanin selber in den Knast und auf einmal ist das Geheule gross. Warum? Weil ihr Gegenpart "bad guy" ist, der das Gas an die Russen billiger verkaufen will. Alles Heuchler

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