Syrien, wie es Deutschland durch die Medien der letzten Tage erlebt, und wie es fast triumphierend von verschiedenen Akademikern gebloggt wird, stehe kurz vor dem Fall, weil Rebellen bereits die Hauptstadt angegriffen hätten. Dies, obwohl noch am 19. Juli von der Oppositionsgruppe „Adopt a Revolution“ gesagt worden war:
„17:15 – Erbin, Damaskus Vorort --- Die Menschen sind sehr Hoffnungsvoll sag ein Aktivist vom Komitee in Erbin. Der Vorort von Damaskus sei seit einigen Stunden von der Freien Syrischen Armee befreit. Auch die Angriffe der Hubschrauber hätten Aufgehört. Allerdings ist dies bestimmt noch nicht die Schlacht in Damaskus wie einig behaupten würden. Darin ist der Aktivist sich sicher..“ (sic) (3)Am meisten freut diese deutschen Demokraten aber ein tödlicher Terroranschlag gegen Vertreter des derzeitigen Regimes. Einerseits heißen sie den Tod von 1,7 Millionen Menschen (Irak und Afghanistan) im Krieg gegen Terroranschläge als gerechtfertigt, andererseits freuen Sie sich über den Erfolg von Mordanschlägen und Massakern in Syrien. Und das, obwohl sie vielleicht sogar ahnen, dass diese Terroranschläge durch westliche Kreise erst möglich gemacht worden waren.
DAS MASSAKER VON DAMASKUS
Am Mittwoch den 18.07.2012 sind bei einem Terroranschlag auf Politiker der syrischen Regierung Verteidigungsminister Daud Radschha und Assef Schawakat, über den erzählt wird, dass er als besonders begabter Folterer von der CIA für Spezialverhöre genutzt worden wäre. Innenminister und Leiter der staatlichen Sicherheitskräfte, der berüchtigte Hisham Bakhtiar, wurden schwer verletzt. Auch der von Präsident Assad zum Verhandlungsführer mit der Opposition ausgewählte Schriftsteller Huessein Turkmeni, der, obwohl ex-General und Berater Assads, in Syrien allgemein geachtet wird, wurde bei dem Anschlag getötet. Fünf weitere Personen, darunter drei Zivilisten, sowie dutzende von Zivilisten wurden durch die Explosion verletzt, wie unterschiedliche russische, iranische und chinesische Medien berichteten.
Tragisch ist der Tod von Turkmeni, der Gerüchten aus der Regierung zu Folge auf dem Weg gewesen wäre, einen Weg auszuarbeiten, um die Macht im Laufe der nächsten Jahre an eine gewählte Regierung zu übergeben. Abgesehen von den Rachegelüsten des Regimes wird sich so schnell kein neuer Verhandlungsführer finden lassen, der Chancen auf eine Einigung zumindest mit Teilen der Opposition, hätte.
Zwei Gruppen streiten um das Lob des Westens für den „kühnen Anschlag“. Es ist eine islamistische Organisation, Liwa Al-Islam und die „Freie Syrische Armee“ (FSA), eine aus ca. 60 bewaffneten Gruppen bestehende selbsternannte Befreiungsarmee, die sich aber auch bereits gegenseitig bekämpft hatte. Aber kaum jemand zweifelt ernsthaft daran, dass dieser Anschlag mit der Hilfe ausländischer Geheimdienste organisiert worden war.
Die Kämpfe in den Vororten von Damaskus, die von westlichen Akademikern als das bevorstehende Ende des Regimes gefeiert wurden, begannen kurz vor der Abstimmung über eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat. So wie jedes Mal, wenn eine Entscheidung anstand, wurde ein Massaker begangen, diesmal jedoch eines, zu dem man sich bekannte, und eines, welches man nach gewohnter Manier dem Regime anlasten wollte.
DER FRIEDENSPLAN
Die Medienmaschine war in den letzten Wochen auf Hochtouren gelaufen. Immer wieder wurde von angeblichen Massakern der Regierung an unbewaffneten Zivilisten berichtet. Während niemand daran zweifelt, dass Syrien inhaftiert und foltert, wovon eine Zeit lang auch der US-Geheimdienst profitierte, indem er Verdächtige zu Verhören nach Syrien brachte, war von Anfang an der Zweifel bei neutralen Beobachtern groß, wem die Massaker anzulasten wären. Selbst wenn Assad die Kontrolle über marodierende Banden verloren haben sollte, hätten auch die sich über die Sensibilität des Augenblicks im Klaren sein müssen.
DAS MASSAKER VON TREMSEH
Das letzte angebliche Massaker, über das auch in deutschen Medien ausführlich als vermutliche Gräueltaten Assads berichtet wurde, fand in Tremseh statt. Russische und chinesische Medien verbreiteten dagegen, dass die UN-Beobachter festgestellt hatten, dass es sich bei den Toten um bewaffnete Rebellen und Aktivisten handelte. (4)
„Ein Beobachterteam besuchte die Stelle, an denen die Tötungen am Samstag stattgefunden hatten. Nach einer ersten vorläufige Untersuchung kamen sie zu dem Schluss, dass „der Angriff auf Tremseh scheint bestimmten Gruppen und Häusern gegolten zu haben, in denen viele desertierte Soldaten und Aktivisten waren“.“ …Dieses Massaker geschah, nachdem die Rebellen den Friedensplan von Kofi Anan längst für hinfällig erklärt hatten. Nie waren sie, oder die sie unterstützenden Länder USA, Saudi-Arabien oder Katar wirklich an diesem Friedensplan interessiert gewesen. Sie hatten zu Beginn die Zurückhaltung des Militärs genutzt, um schwerere und mehr Waffen ins Land zu schmuggeln, mit dem Ziel, einen gewaltsamen Umsturz zu erreichen. Und dies, obwohl alle Friedensaktivisten auf beide Seiten einzuwirken versuchten, NICHT mehr Waffen zum Einsatz zu bringen. Darunter auch die Katholische Kirche, deren Presseorgan am 13.07.2012 schrieb: (5)
„Damaskus (Fidesdienst) – „Syrien braucht einen Dialog und keine Waffen“, so P. Romualdo Fernandez (ofm) vom Ökumenischen Zentrum in Tabbaleh (Damaskus), der auch das Heiligtum der Bekehrung des heiligen Paulus in der syrischen Hauptstadt leitet. Im Gespräch mit dem Fidesdienst bezeichnet er den Dialog zwischen den Konfliktparteien als „Königsweg, der aus der Krise herausführt“. „Wir bitten um die Bereitschaft zu Verhandlungen und Austausch, damit Gewalt, Tod, Blutbäder und Massaker verhindert werden können, die unser Land seit zu langer Zeit ausbluten lassen“. Zum jüngsten Massaker in der Region Hama betont er: „Es ist eine weitere Tragödie, die Berichterstattung ist verwirrend, denn die Wahrheit gehört zu den ersten Opfern des Konflikts“. Wie der Ordensmann betont, „wird der Krieg nicht zu Ende gehen so lange ausländische Mächte Waffen und finanzielle Mittel bereitstellen und die Zahl der Opfer wird steigen. Dieser Weg führt nicht zum Frieden: der Weg des Friedens führt notwendigerweise über den Dialog“. Als Christen, so P. Fernandez, „sind wir für alle unsere Brüder und Schwestern jeglicher Religion offen“, als Franziskaner „stehen wir den Menschen, Christen und Muslimen, in der Not zur Seite, und werden dieses Land nicht verlassen.“Und sofort weisen deutsche Akademiker darauf hin, dass die katholische Kirche dem Regime nahe stehen würde, und ein Minister sogar Christ wäre. … Also ich sehe diese Behauptung als so abstrus an wie die, dass der Iran eine herzliche Freundschaft mit Israel pflegen würde, weil Juden eigene Abgeordnete ins Parlament entsenden können. (6)
Zurück zu den immer wieder Assad zugeschriebenen Massakern. Das russische Fernsehen schreibt auf seiner Webseite: (8)
„Autor und Historiker Gerald Horne sagte, dass die Anti-Assad-Rhetorik durch die Tötungen in Tremseh sofort wieder aufgeflammt wären, und dass dies ein Hinweis darauf wäre, dass die Medien in das Spiel des „Bösen“ spielten. … „Zunächst ist es sehr seltsam, dass gerade vor einem wichtigen UN Treffen wieder Berichte über Massaker auftauchen“, sagte er. Und fügte dann hinzu, dass Spekulationen über die Anzahl an Opfern und ob sie Frauen und Kinder wären, die Glaubwürdikgeit der Medienberichte über die Tötungen vollkommen unterminiert hätten. Horne betonte dann, dass in Syrien viele unterschiedliche Interessensüppchen gekocht würden, und das das Spiel, das gespielt wird „Regime-Wechsel“ hieße.“Diese Einschätzung, die man aber niemals in der Prime Time in deutschen Medien hören wird, ist durchaus realistisch. Und fast alle Akademiker dürften das längst wissen. Wenn sie dann trotzdem einen Regime-Wechsel mit Gewalt unterstützen, zeigen Sie nicht nur, dass sie die UN Menschenrechtserklärung und die internationalen Verträge in keiner Weise achten, sondern auch, dass sie der Meinung sind, dass Massaker und Morde auch zu den bedauernswerten aber wohl notwendigen Kollateralschäden gehören.
DAS MASSAKER VON HOULA / HULA
Ein anderes Massaker davor war länger umstritten. Das Massaker von Houla / Hula. (6) Aber auch dort dürfte längst klar sein, dass die Vorverurteilung durch westliche Medien und Politiker rein politische Gründe hatte, und auf keinerlei Tatsachen gestützt war.
Trotzdem hatte die Bundesregierung, wie andere europäische Regierungen auch, den syrischen Botschafter, begründet auf der Behauptung, dass die Regierung das Massaker begangen hätte, des Landes verwiesen. Obwohl man sehr wohl wissen musste, dass nicht die Regierung, sondern aufständische bzw. Terroristen die Bluttaten begangen hatten. Warum sonst sollte die Bundesregierung weitere Erkenntnisse über die Vorgänge als GEHEIM einstufen und nicht veröffentlichen? (9)
„DER SCHLÄCHTER ASSAD“
Assad wird als Schlächter bezeichnet, ähnlich wie Saddam Hussein oder Libyens Diktator Gaddafi. Alle hätten den Tod verdient. Seltsamerweise fordert niemand der Akademiker, die solche Erklärungen verbreiten, dass es ein Gerichtsverfahren vor einem unabhängigen internationalen Gerichtshof geben müsse. Damit alle Untaten aufgeklärt und alle Beziehungen zum Westen auch einmal zu Sprache kommen können. Aber Gerichtsverfahren vor internationalen, unabhängigen Richtern scheinen jene, die den Terror in Syrien derzeit unterstützten, zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Und so hat z.B. die USA sicherheitshalber den Gerichtshof erst gar nicht anerkannt, und sogar angedroht Krieg zu führen, sollte den Haag einen US-Angehörigen wegen Vergehen gegen die Menschenrechte anklagen.
Vielleicht nicht ohne Grund, denn wenn man Assad den Schlächter von Damaskus nennt, wie nennt man dann Präsidenten, die durch unangemessene Angriffskriege unter falschen Behauptungen 1,7 Millionen Menschen töten, Millionen verletzten, Existenzgrundlagen, wie z.B. Bewässerungssysteme in Afghanistan zerstören und ganze Landstriche mit Uranmunition verseuchen, jeden Tag Menschen auf Killer-Drohnen-Todeslisten eliminieren und dabei als Kollateralschaden den Tod von noch mehr Unbeteiligten billigend in Kauf nimmt?
DIE DOPPELTE MORAL
Als ich die Ächtung bzw. das Verbot von Kampfdrohnen und Uranmunition forderte, fragte mich ein Twitter-Verfolger, warum ich nicht auch gegen Selbstmordattentäter wäre. Eine typische Frage, die in dieser oder anderer Weise immer wieder auftaucht. Wer gegen die „eigenen“ Mittel des Kampfes ist, der kann nur dagegen sein, weil er zur „anderen Seite“ gehört. An einem Stammtisch hätte ich das erwartet, aber auf einem gewissen intellektuellen Niveau erschreckt mich dies zutiefst. Und ich bin von Deutschland sehr enttäuscht.
Insbesondere durch die kriegswilligen Medienberichte wurde in den letzten Jahren die Bereitschaft der Deutschen, wieder Krieg zu führen deutlich gesteigert. Jahrelange Berieselung, gekrönt sogar von einer Rede des neuen Bundespräsidenten, hat wohl Wirkung gezeigt. Die Frage der nächsten Monate wird sein, ob Deutschland wieder bereit ist in "gute Kriege" zu ziehen.
-----
(1) http://en.wikipedia.org/wiki/Sanctions_against_Iraq#Estimates_of_deaths_due_to_sanctions
http://en.wikipedia.org/wiki/Sanctions_against_Iraq#Infant_and_child_death_rates
http://en.wikipedia.org/wiki/UN_sanctions_against_Iraq
Laut offiziellen Verlautbarungen der USA waren es notwendige Kollateralschäden.
Inzwischen sind die ersten Auswirkungen auch im Iran zu spüren. Natürlich nur für die normale Bevölkerung. In israelischen und US-Medien wird triumphierend berichtet, wie sich lange Schlangen vor Verkaufsstellen von Hühnchen bilden, und dass wohl Bald eine Zensur über die Versorgungsschwierigkeiten verhängt werden würde.
(2) Teil 1 einer 8-teiligen Serie über die Folgen von Uranmunition:
http://www.youtube.com/watch?v=VkKveJFdUjM
Nur vier Länder stimmten am 02.12.2008 gegen die Ächtung von Uranmunition: Die USA, Großbritannien, Frankreich und Israel.
(3) https://www.adoptrevolution.org/damaskus-ticker/
(4) http://www.rt.com/news/tremseh-massacre-un-rebels-215/
(5) http://www.fides.org/aree/news/newsdet.php?idnews=30593&lan=deu
(6) Der Iran verfügt über die größte jüdische Gemeinde in der arabischen Region außerhalb Israels, mit keinesfalls sinkenden, sondern sogar steigenden Zahlen, da Vertriebene aus anderen arabischen Ländern hier hin flüchten. Eine Tatsache, die so gar nicht mit dem Bild zusammen passt, das einen iranischen Staat an die Wand malt, der die Ausrottung der Juden betreiben wollte. (Siehe NYT vom 23.02.2009, Roger Cohen, „Was Irans Juden sagen“.
"Ich fragte Morris Motamed, einst jüdischer Majlis(= Parlaments)-Abgeordneter, ob er sich benutzt fühlt, wie ein iranischer Quisling. „Nein,“ antwortete er. „Tatsächlich spüre ich hier eine starke Toleranz gegenüber Juden.“Vollständiger Text übersetzt von Jürgen Elsässer http://juergenelsaesser.wordpress.com/2011/12/29/juden-im-iran-eine-respektierte-minderheit/
(7) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/06/das-houla-massaker.html
(8) http://www.rt.com/news/tremseh-massacre-un-rebels-215/
“Author and historian Gerald Horne said that anti-Assad rhetoric immediately triggered by the Tremseh killings was indicative of a media “blame game.” …“First of all it’s very curious that just before important UN meetings we hear reports about massacres.” He added that speculation over the number of victims and whether or not women and children were involved undermined the credibility of media reports on the killings. …Horne went on to stress that there were many interests at play in the Syrian conflict and that “regime change is the name of the game with Syria.”(9) http://www.sevimdagdelen.de/de/article/2758.bundesregierung_und_bnd_halten_informationen_zu_massaker_in_syrien_zurueck.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen