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Dienstag, 18. September 2012

Der versteckte Rassismus in Deutschland

Immer wieder wird behauptet, dass Rassismus in Deutschland keine Chance mehr hätte. Ist das wirklich wahr? Wenn ich in meine unmittelbare Umgebung schaue, beginne ich zu zweifeln. Da ist z.B. der 85-jährige Verwandte, der als einziger noch meine Mutter besucht und erklärt man „müsse das ganze Gesocks vergasen“. Wie reagiert man darauf, außer ihm klar zu machen, dass man eine andere Einstellung hat? Oder da ist der langjährige Freund, mit dem man sich eigentlich nie über Politik unterhalten hat, und der plötzlich erklärt, dass „jedes Volk bekommt die Regierung, die es verdient. Wenn die ernsthaft wollten, hätten sie längst …“. Kontakt abbrechen? Oder versuchen zu erklären, Fotos zu zeigen und eigene Erlebnisse berichten? Und was, wenn plötzlich beim Mittagessen ein wichtiger Kunde, der lange Jahre im Ausland eine wirklich führende Position bekleidet hatte, erklärt: „Die wollen gar keine Demokratie, die wollen doch ihren Führer, und die hier hin flüchten sind Quertreiber oder Wirtschaftsflüchtlinge“. Natürlich muss man klarstellen, dass seine elitäre Einstellung vollkommen im Gegensatz steht zu Erfahrungen in der Arbeit mit einfachen Menschen, aber wie wirken seine Äußerungen auf die anderen Menschen, die uns zuhören?

All das ist mir in den letzten vier Wochen passiert und ich frage mich, weshalb plötzlich Menschen wieder öffentlich ihre Vorurteile aussprechen und ihre rassistischen Ansichten viel offener zu erkennen geben als vor 20 Jahren, als ich meinen Lebensschwerpunkt ins Ausland verlegte. Das Schlimmste aber ist die Tatsache, dass sich so wenig Widerstand regt, wenn solche Äußerungen laut werden. Schweigen! Niemand stimmt eindeutig zu, aber auch mir nur ganz selten, wenn ich dagegen argumentiere. Was ist mit dieser schweigenden Mehrheit? Wo steht sie wirklich? Wenn dann immer mehr Informationen über die NSU-Morde und die Hintergründe bekannt werden, die zeigen, wie eng Sicherheitskräfte und Rechtsextreme kooperierten, werden die Befürchtungen noch größer.
A propos Hottentotten, sagt die Dauerwelle, hast du gehört, was neulich in der Zeitung stand? Das Asylbewerberheim platzt aus allen Nähten. Und jetzt sollen die auch noch genauso viel kriegen wie Hartz-Vier-Empfänger, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben. Und wem nehmen die es dafür weg? Uns, dem einfachen Bürger.“ (1)
Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir sofort wieder die These aus dem wichtigsten Positionspapier des mächtigsten Think-Tank der USA ein:
„And advanced forms of biological warfare that can “target” specific genotypes may transform biological warfare from the realm of terror to a politically useful tool.” (Und weiter entwickelte Formen der biologischen Kriegsführung, mit der bestimmte Genotypen gezielt getroffen werden können, könnten die biologische Kriegsführung aus dem Reich des Terrors in ein politisch nützliches Werkzeug verwandeln.) (2)
Da denken also die führenden Männer (eine Frau steht nicht auf der Liste der Unterzeichner) ernsthaft darüber nach, biologische Waffen so weiter zu entwickeln, dass man damit bestimmte Ethnotypen gezielt eliminieren kann. Und wer in der aufgeklärten, westlichen Welt hatte sich darüber ernsthaft erregt und eine offizielle Stellungnahme dagegen veröffentlicht?

Nein, es ist keineswegs „der Abschaum“ der Gesellschaft, der glaubt, dass ca. 3000 Tote des Anschlages von 9/11 die 1,7 Millionen Toten des Krieges gegen den Irak und Afghanistan rechtfertigen. In jeder Nachrichtensendung wird uns Rassismus geboten. Über eine kleine Gruppe von Opfern in den USA wird berichtet, über hunderte von Toten am gleichen Tag, aber von ethnisch weniger „wichtigem“ Geblüt, werden "übersehen". Über drei oder vier Musikerinnen in Russland, die sich pro-westlich zeigten, wird ausführlich berichtet und über ihre Misshandlung geklagt, während gleichzeitig z.B. in Thailand hunderte Demokratieaktivisten wegen wesentlich geringeren Vergehen zu jahrzehntelangen Gefängnisstrafen verurteilt werden, ohne dass sich ein Finger rührt. (3)

Was wir erleben, ist ein Bereitmachen der Menschen, andere ethnische Gruppen, die man als Feind betrachtet, zu entmenschlichen. Als im ersten Irakkrieg eine angebliche Krankenschwester erklärte, irakische Soldaten hätten Babys aus den Brutkästen geworfen, wurden so die Gegner entmenschlicht. Und diese Aktion, die die amerikanische Öffentlichkeit durch vielfaches Wiederholen der Lüge aus den Mündern die wichtigsten Personen der Regierung, hatte lediglich 2 Millionen US-Dollar gekostet. (4) Und auch im späteren Krieg wurde immer nur die Anzahl der eigenen Gefallenen sorgfältig gezählt und als Helden gefeiert. Niemand sah die Bilder der durch Bombenangriffe zerstückelten Körper. Sie sollen höchstens Zahlen sein, niemals Menschen.

Wenn uns das Lynchen von Gaddafi als „erfreuliches Ereignis“ nahe gebracht wird (5), wenn wir systematisch über angebliche Massaker und Gräueltaten von Syriens Armee berieselt werden, und eine der Propagandastimmen der Rebellen als „Menschenrechtsorganisation“ in den Medien bezeichnet wird (6), soll damit die Hemmschwelle gesenkt werden, gegen diese „Unmenschen“ selbst Gewalt anzuwenden. Wenn das Lynchen eines Terroristenführers zu Freudentaumeln führt, wie bei Bin Laden (7), dann deshalb, weil wir vorher systematisch gelernt hatten, dass es Menschen und Unmenschen gibt. Leben, das nicht wert ist zu leben. Und die Folgen einer solchen Politik hatten wir bereits mehrfach in der Geschichte der Menschheit beobachten können.

Und so kommt m.E. das Wiederaufleben des Rassismus in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, nicht alleine aus dem latent fremdenfeindlichen Prozentsatz der Bevölkerung, den man überall findet. Es stammt aus der bewussten Radikalisierung und Entmenschlichung von Gruppen, die man als den Feind ansieht. Die Wirkung ist unterschwellig aber wirksam.

Auf der Internetseite der Universität Zürich kann man eine Analyse finden. (8) Darin stellt der Historiker Adrian Hänni die Frage:
Islamistischer Terror ist eine Realität, kein Zweifel. Dennoch stellt sich die Frage, weshalb gerade er in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wurde und nicht etwa Bombenanschläge durch rechtsextreme Gruppen und Personen, rassistisch motivierte Gewalttaten durch den Ku-Klux-Clan oder Anthrax-Anschläge christlicher Fundamentalisten gegen Abtreibungskliniken.
Viele haben inzwischen darauf eine Antwort gegeben, deshalb will ich mir meine sparen. Jedenfalls hat seit 9/11 die Welt eine subtile und noch stärkere Pauschal-Verdächtigung von hunderten von Millionen Muslimen begonnen. Und auch in Deutschland ist nicht nur Sarrazin intellektueller Vorreiter für einen neuen Ethno-Darwinismus, der logischerweise rassistische Gefühle und Aktionen hervorruft. Auch der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch hatte sich daran beteiligt.
Seit zwei Wochen hetzt der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) im Wahlkampf gegen Ausländer und fordert eine härte Bestrafung und schnelle Abschiebung von straffällig gewordenen Jugendlichen. Begonnen hat diese rassistische Kampagne mit Forderungen Kochs im Magazin Focus nach einem Burkaverbot für muslimische Schülerinnen in Hessen, obwohl es dort nicht ein einziges Mädchen gibt, dass vollständig verschleiert die Schule besucht.
Aber auch ein kriminologisches Gutachten wurde von Politikern für rassistische Propaganda benutzt:
Diese Stoßrichtung wird im Vorwort Schäubles gleich im ersten Satz unterstrichen. Dort heißt es: "Liebe Leserinnen und Leser, der weltweit operierende islamische Terrorismus ist heute eine der größten Gefahren für unsere Sicherheit." Es sei dahin gestellt, ob der "islamische Terrorismus" tatsächlich "weltweit" operiert, für Schäuble bestimmt jedoch nur der Zweck den Inhalt, das heißt: das ist das Schüren von Hysterie. Die Gefahr der terroristischen Anschläge wird dann direkt mit den Muslimen in Deutschland in Verbindung gebracht. Schäuble warnt vor "islamistischen Terroranschlägen aus der Mitte unserer Gesellschaft" und dem "Phänomen des wachsenden homegrown terrorism".
Besonderes Augenmerk legt Schäuble darauf, dass die Studie nicht auf "Terrorismus" und "politisch motivierte Gewalt" beschränkt ist, sondern auch deren "Vorformen, das mögliche Rekrutierungsreservoir" eines "islamistisch geprägten Extremismus" offenlegt und kommt zu dem Schluss, "dass sich in Deutschland ein ernstzunehmendes politisches Radikalisierungspotenzial entwickelt hat". (9)
Was forderte er? Natürlich eine massive Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen.

Rassismus wird heute wieder, wie schon vor hunderten von Jahren, eingesetzt, um Menschen dazu zu bringen, ihre Aggressionen gegen einen gemeinsamen Feind zu richten. Je größer die eigenen Probleme, desto größer muss die Bedrohung durch diesen Feind erscheinen. Denn desto weniger beschäftigt sich die eigene Bevölkerung mit den Fehlern der Mächtigen. Es muss gar keine bewusste Aktion sein. Das gleichförmige Denken reicht. Es scheint eine Art Schutzreflex zu sein, der Teil der Politik ist.

Aber wer nachdenkt, wer hinterfragt, wer ungläubig ist, wird feststellen, dass die Dinge nicht so einfach sind. Es sind nicht die gierigen Politiker, die eine Staatsverschuldung riskiert haben, um die Macht nicht zu verlieren. Es sind nicht die Muslime, die einer gewalttätigen Religion willenlos gehorchen. Es sind nicht die Juden, die die Weltherrschaft anstreben. Es sind nicht die Flüchtlinge, die selbst für ihr Schicksal verantwortlich sind. Die Antwort ist viel komplexer, und wir sind ein Teil davon.

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(1) Aus http://dieliebenessy.wordpress.com/2012/08/30/alltagsrassismus

(2) http://www.newamericancentury.org/RebuildingAmericasDefenses.pdf  Seite 60.

(3) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/08/pussy-riot-menschenrechte-im-dienste.html

(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Brutkastenl%C3%BCge

(5) http://uweness.eu/death-sells-gaddafi.html

(6) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/07/die-quellen-der-deutschen-medien-am.html

(7) http://www.spiegel.de/politik/ausland/navy-seals-sollen-unbewaffneten-bin-laden-getoetet-haben-a-852799.html

(8) http://www.uzh.ch/news/articles/2011/diametral-zur-realitaet.html

(9) http://www.wsws.org/de/2008/jan2008/musl-j12.shtml

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