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Dienstag, 18. September 2012

Die Sache mit den Gefühlen in der Politik

Es ist schon seltsam. Man bemüht sich konsensfähige Anträge zu schreiben. Man gibt Positionen auf, man einigt sich auf Kompromisse. Man ringt um Formulierungen, die von möglichst vielen Mitgliedern akzeptiert werden können. Ein manchmal förmlich körperlich schmerzhafter Prozess, der sich über Monate hinzieht. Immer wieder gibt einer der Teilnehmer auf, weil er einfach nicht zum zigten Mal über den gleichen Satz reden will. Oft ist man nahe daran, einfach alles hin zu werfen, weil die Positionen der Antipoden so weit auseinander zu driften scheinen. Aber irgendwie kommt dann doch wieder jemand auf eine Idee, der beide Extreme in der Gruppe zustimmen können. Am Ende wurde der Text mehr als ein dutzend Mal überarbeitet, gewendet und weiter entwickelt.

Dann wird dieses Ergebnis präsentiert. Und man erhält die Antwort: "Ich weiß zwar nicht warum, aber ich kann dem nicht zustimmen, weil es von einer gewissen Person / AG ist". Oder: "Da steckt sicher etwas dahinter, was ich nicht begreife aber fühle, deshalb bin ich dagegen".

Wer John Grey und sein Buch "Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus" gelesen hat, was übrigens besonders geschlechtsreifen jungen Männern und Frauen dringend empfohlen sei, wird sich erinnern, dass die Schnittstelle zwischen Sender und Empfänger oft wenig zufriedenstellende Dateninterpretation leistet. Gehen wir nun davon aus, dass die Schnittstelle endlich verbessert wurde, und die Nachricht wird zutreffend interpretiert übermittelt. Was macht der Empfänger? Er verweigert die Nachricht, weil sie zutreffend ist, aber bisher keine zutreffende Nachrichten vom Absender übermittelt wurden?

Dann frage ich mich: "Kann etwas unpiratischer sein?" Waren wir nicht mal angetreten die Politik zu verändern? Haben wir nicht einmal gesagt: "Egal ob ihr uns kopiert, oder unsere Themen übernehmt, wir wollen nur das Ziel, egal wer es realisiert"?

ÜBER STATT MIT REDEN

Eine weitere Entwicklung, die ich nicht verstehen kann ist ÜBER etwas oder jemanden zu reden, statt MIT ihm zu reden. Diesem Thema habe ich eine Serie von Interviews gewidmet und werde sie weiter fortsetzen, bis sich in der Piratenpartei die Einsicht durchsetzt, dass es zwar schmerzhaft sein kann, andere Meinungen zu höre, dass es aber auch notwendig ist. Will man auch nur ansatzweise verstehen, wie und was der Gegenüber denkt. Das ZUHÖREN und MIT jemanden reden ist eine Grundforderung für eine Politik, die undogmatisch nach Lösungen sucht. Und hatten wir nicht einmal vorgehabt, genau das zu tun? Hatten wir uns nicht gewehrt, wenn man uns in eine Schublade stecken wollte? Nun tun wir das selbst, indem wir uns Scheuklappen anziehen? "Tralalalala, ich höre nichts, weil ich mir die Ohren zuhalte".

Gefühle in der Politik. Niemand kann Gefühle in der Politik vollkommen ausschalten. Wir sind keine Roboter. Wir sollten das auch gar nicht versuchen zu sein. Denn das Ergebnis wäre vermutlich eine noch stärker verbreitete macchiavellinische Politik. Eine Politik, in der das Ergebnis jedes Mittel rechtfertigt. Und genau dagegen setze ich mich ein. Andererseits dürfen Gefühle nicht verhindern, dass man eine Lösung findet, oder vielleicht sogar seinen eigenen Standpunkt verändert, weil man neue Erkenntnisse gewinnt.

VERÄNDERUNG MUSS ZIEL DER POLITIK SEIN


Ich möchte so weit gehen zu sagen, dass Politik nicht nur das Durchsetzen eigener Ideen sein darf. Vielmehr muss Politik das ständige Auseinandersetzen mit anderen Positionen sein, mit der Bereitschaft, sich mit diesen Positionen zu beschäftigen. Auch die Übernahme dieser Positionen muss möglich sein. Solange sie nicht gegen grundsätzliche ethische und moralische Werte, die eigene rote Linie, verstoßen.

Und hier liegt m.E. oft das Problem. Diese rote Linie wird von vielen Menschen so weit gezogen, dass es keinen Spielraum für irgendeine Veränderung der eigenen Positione gibt. Dadurch kommt es dann dazu, dass man sich erst gar nicht mit anderen Positionen auseinander setzen will, weil die Rote Linie praktisch alles umfasst.

BEISPIEL FÜR DIE ROTE LINIE

Aber eine rote Linie muss variabel sein. Ich will ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung der letzten Monate beschreiben. Ich setze mich für die Ächtung von Kampf-Drohnen und deren Nutzung ein. (Gründe siehe 1) Ausgelöst insbesondere durch die Auswirkung des Einsatzes dieser Drohnen durch die USA. Für mich war nur eine eindeutige Unterscheidung zwischen Beobachtungsdrohnen und Kampfdrohnen eine Möglichkeit, Missbrauch von Kampfdrohnen zu verhindern.

Nach Gesprächen mit nachdenklichen Bundeswehroffizieren beginne ich mich nun einer Position anzunähern, die differenzierter ist. Ich beginne darüber nachzudenken, die Rote Linie zu verschieben. Möglicherweise könnte ich mir vorstellen, Beobachtungsdrohnen zu bewaffnen, um diese Waffen im Fall eines Angriffes gegen die Einheiten, die die Drohne durch Beobachtung schützen soll, einzusetzen. Das Problem, das mich im Moment noch davon abhält, diese Position zu vertreten, liegt in der Tatsache, dass der Einsatz zum großen Teil durch subjektive Einschätzungen bestimmt wird. Wer begreift denn die Unterscheidung zwischen einer Kampfdrohne, die nur von unmittelbar unter ihr befindlichen Einheiten eingesetzt wird, um einen Angriff abzuwehren einerseits, und dem Einsatz von Kampfdrohnen, um Verdächtige zu töten, die als Gefahr identifiziert wurden, obwohl sie hunderte oder tausende von Kilometern entfernt von einem Kampfgebiet agieren? Wer kann den Unterschied begreifen zwischen einem Drohnenangriff auf einen belebten Marktplatz zum "Eliminieren" eines "Terroristen", bei dem 3 Kinder und 7 Unbeteiligte getötet werden, und dem Einsatz zur Verteidigung gegen einen klar erkannten und abgegrenzten gegnerischen Kämpfer?

Erschwerend kommt hinzu, dass auch Luftangriffe mit konventionellen Flugzeugen offensichtlich nicht differenzieren. Kann ein Luftschlag gegen einen Tank-LKW gerechtfertigt sein, um gegnerische Kämpfer davon abzuhalten, das Benzin zu benutzen, wenn dadurch hunderte von Zivilisten gefährdet werden?

Aber ich beschäftige mich mit den Argumenten und bin bereit die Rote Linie zu verschieben, wenn mein Gewissen mir das erlaubt. Und ich lasse mich auf einen ständigen Austausch ein. Meine Rote Linie lautet: Ungesetzliche Tötungen, bleiben solche, auch wenn sie durch Drohnen vorgenommen werden. Massaker an Unbeteiligten bleiben solche, auch wenn sie durch Drohnen vorgenommen werden. Und da Kampfdrohnen als "Die Waffe der Zukunft" angepriesen werden, ist zu befürchten, dass beide Beispiele für die Überschreitungen der Roten Linie, wie sie bisher praktiziert werden, im Mittelpunkt des Einsatzes von Kampfdrohnen stehen werden. Wenn es eine klare Abgrenzung von solchen Kampfdrohnen zu bewaffneten Beobachtungsdrohnen zur Verteidigung von Zivilisten oder eigenen Soldaten gibt, bin ich bereit, darüber zu diskutieren.

DOGMATISCHE BLINDHEIT

Wie aber soll ich mich Menschen gegenüber verhalten, die mir vorwerfen, warum ich Kampfdrohnen ächten will, aber nichts zu Selbstmordattentaten sage? Oder die behaupten, ich wolle nur Terroristen retten, damit die Anschläge verüben können? Oder die mir vorwerfen, ich wolle "die Feinde" stärken, indem ich freiwillig auf technologischen Vorsprung verzichte? Oder die erklären, dass ich lieber den Tod eigener Soldaten befürworten würde, statt die Nutzung moderner Technik? Werden Sie begreifen, was ich mit "Roter Linie" meinen? Bisher blieb mir am Ende nur das Twitter-Blockieren, weil SIE nicht wirklich bereit sind zuzuhören, sondern auf ihrer ganz Außen angelegten roten Linie beharrten.

GEFÜHLE

Wenn Gefühle dazu führen, dass man sich selbst das Denken verweigert, dann beherrschen Gefühle den Menschen. Und der Verstand ist ausgeschaltet. Das gilt übrigens nicht nur in der Politik. Leider werden diese Zeilen nur die lesen, die eigentlich schon längst diese Erkenntnis gefunden haben.

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(1) http://jomenschenfreund.blogspot.de/search/label/Drohnen

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