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Samstag, 8. Dezember 2012

Einst Indochina-Kriege, jetzt Kriege im Nahen und Mittleren Osten

Die Geschichte wiederholt sich nicht? Das mag stimmen, aber es gibt Parallelen. Und es gibt andererseits gravierende Unterschiede. Insbesondere fehlt in Frankreich, in Deutschland, ja in der ganzen EU die Jugend, die einst gegen die Lügen der Gesellschaft aufbegehrten, gegen den Vietnamkrieg demonstrierten. Es fehlen die kritischen Journalisten, und es fehlt der Geist in der Gesellschaft, der noch in Erinnerung an den letzten Krieg erschauderte. Schauen wir uns ein paar Fakten an:

Als die Studenten während des Vietnamkrieges erfuhren, dass ausgerechnet „ihr“ Präsident, John F. Kennedy, von dem sie sich so viel erhofft hatten, eine Eskalation des Vietnamkrieges angeordnet hatten, eskalierte auch der Widerstand gegen einen als faschistoid empfunden Imperialismus der USA. Heute zeigt Obama, der Hoffnungs- und Friedensnobelpreisträger, dass er zwar weniger illegale Gefängnisse betreibt, aber als Ersatz stattdessen mehr Verdächtige als jemals zuvor durch außergesetzliche Tötungen „eliminieren“ lässt, durch Killerdrohnen mordet. Aber wo ist diesmal die rebellierende Jugend? Die Träger des Widerstandes sind jene Alt-68, die ihrer Überzeugung treu geblieben sind. Aber nicht die jungen Studenten.

Ausgangspunkt des Protestes zur Zeit des Vietnamkrieges war der Widerspruch zwischen dem Anspruch der USA und der westlichen Welt allgemein, Verteidiger für Menschenrechte und Freiheit zu sein. Gleichzeitig wurde aber ein grausamer Krieg gegen die Bevölkerung Vietnams geführt. Gas und Entlaubungsmittel wurden eingesetzt, Napalm und Phosphorbomben. Der Oberbefehlshaber der US-Truppen in Vietnam, General Westmoreland wird mit den Worten zitiert: „Wir werden sie mit unseren ausgeklügelten Waffen, die sie sich nicht leisten können, so lange bearbeiten, bis sie nach Gnade winseln“ (1). Eine solche Politik erzeugte „existentiellen Ekel“ wir Rudi Dutschke damals die Gefühle der aufbegehrenden Studenten beschrieb. Aber der Ekel galt auch dem Verhalten der deutschen Gesellschaft. Die den gefallenen US-Soldaten ehrte und den Nachkommen in Berlin Nachbildungen der Freiheitsglocke schenkte, aber keinerlei Mitleid mit der leidenden Bevölkerung Vietnams hatten.

Und wie sieht es heute aus? Statt Gas und Entlaubungsmittel Marschflugkörper, Drohnen und tödlich in großer Höhe kreisende „Artillerie“ (2), statt Napalm heute die noch wesentlich gefährlichere Uranmunition. Die nicht nur die direkt betroffenen Zivilisten und Soldaten entstellt, sondern auch ihre Nachkommen, und das auf unbekannte Zeit. (3) Und wieder betrauert auch Deutschland die 3000 Toten des Anschlages vom 11. September 2001 mit einer jährlichen Feier. Aber niemand erinnert an die bisher im Rachefeldzug gegen diesen Anschlag umgekommenen 1,7 Millionen Menschen. Nicht zu reden von den vielen Millionen die Gliedmaßen verloren oder andere schwere Verletzungen erlitten. So wie schon vorher keinerlei Mitleid in der deutschen Gesellschaft entstanden war, als hunderttausende von Kindern verhungerten, als Folge von Sanktionen der USA gegen den Irak. (4) Stattdessen werden regelmäßig in Nachsendungen schwärmerische „Dokumentationen“ über die neuesten Waffensysteme gezeigt. Und der bevorstehende Drohnenkrieg ist eine neue Steigerung der Perversion des Tötens. Aber wo bleibt der Ekel der jungen Generation hierüber?

In Deutschland führte die unterschiedliche Haltung zum Krieg seinerzeit zum Bruch zwischen der Studentenbewegung und ihren früheren Mentoren Horkheimer und Adorno. Diese verteidigten den Krieg, relativierten die Verbrechen der USA und behaupteten, dass ohne diese Taten noch wesentlich schlimmere Dinge passieren würden. Sie sahen die „Chinesen auf dem Weg zum Rhein“ (Horkheimer). Nur Marcuse war kritisch genug die Situation zu erkennen.

Und heute? Nein es ist nicht die „Hölle einer chinesischen Weltherrschaft“ (Horkheimer), sondern die Hölle eines angeblich überhand nehmenden religiösen Extremismus, der die Welt angeblich durch Kernwaffen-Terror-Anschläge, Giftgas oder andere Furchtbarkeiten, in den Abgrund stürzen wird. Wieder sind einst als kritische Vordenker angesehene Intellektuelle, dem Sog der Propaganda erlegen (5). Aber hier und heute gibt es große Unterschiede, weshalb Anlass zur Sorge besteht: Die Medien sind heute so auf Kriegskurs gleichgeschaltet wie nie vorher. Deutschland ist aufgerüstet und hat in seinem Bundeswehr Weißbuch klar gemacht, dass Krieg wieder ein legitimes Mittel der Politik ist (6) Eine Politik, die selbst  nach Meinung einer Dozentin an einer Bundeswehrhochschule gegen den Geist des Grundgesetzes verstößt. Und schließlich der wichtigste Unterschied: Die Jugend kümmert sich ums Smartphone, Twitter und Facebook, aber nicht um Politik. Außer ihre Internetfreiheit wird bedroht. Und viele von denen, die sich für Politik engagieren, haben inzwischen eine verquere Vorstellung von Antifaschismus, der kaum noch von faschistoiden Methoden unterschieden werden kann.

Und deshalb mache ich mir zunehmend Sorgen, dass Deutschland wieder einmal zum Täter wird. Wieder einmal Protagonist ein einem großen Krieg wird. Denn wie während des Widerstandes gegen den Vietnamkrieg werden Gegner des Krieges verleumdet, ausgestoßen, wirtschaftlich diskriminiert. Aber diesmal gibt es keine starke Studentenbewegung, die sich mit ihnen solidarisiert, keine Massen-Medien, in denen sie Gehör finden. Stattdessen träumen deutsche Politiker davon, „wieder eine Rolle in der Welt zu spielen“. Und sie glauben, dass sie das nur mit Einsatz von Militär und Krieg erreichen können. Und wieder erzählt man uns, dass dieser Krieg zwar schlimm wäre, aber dass es noch viel schlimmer wäre, wenn man den Krieg nicht führen würde.

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(1) Hoch die internationale Solidarität: Geschichte der DWB in der BRD, Balsen W. / Rössel K., Köln, S. 136

(2) www.collateralmurder.com
(3) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/06/buchbesprechung-lenz-die-fratze-der.html

„Am zweiten Dezember 2008 stimmten vier Länder bei der UNOVollversammlung gegen die Ächtung dieser Waffe: USA, Großbritannien, Frankreich und Israel. »Dort, wo die deutschen Soldaten stationiert sind, in Kunduz, Kabul und Masa-El-Sharif, wurden am Anfang des Krieges gegen Afghanistan verstärkt tonnenweise Uranbomben verschossen. Mittlerweile gelten beide Regionen als kontaminiert. Frauen bringen dort Neugeborene zur Welt, die aussehen, als hätte jemand sie zusammengeschlagen und danach in Mehl gewälzt, berichten Väter und Ärzte. Oft sind diese Neugeborenen gar nicht als Neugeborene zu erkennen. Mütter, die ein solches Kind gebären, erleiden oft beim Anblick einen so heftigen Schock, dass sie wenig später am Schock versterben. Die dort stationierten Soldaten, sowie die Zivilbevölkerung müssten dort eigentlich mit Schutzanzügen versehen sein, so stark ist die radioaktive Strahlung dort. Doch weiß kein Soldat etwas davon, weil unsere Regierung darüber schweigt und in Kauf nimmt, dass die Soldaten dort dem erhöhten Strahlenrisiko ausgesetzt sind. …“
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96l-f%C3%BCr-Lebensmittel-Programm

(5) Wie Jacques Ellul schon in den 1950igern aufzeigte, macht Bildung offensichtlich besonders empfänglich für Propganda.

(6) http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58460


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