Die Piratenpartei ist schon eine sehr seltsame Partei. Hatte
ich vor einem Jahr vorgeschlagen, dass die Anträge doch über die AGs an die
Antragskommission eingereicht werden sollten, lachte man mich aus. Dabei ist
das die einzige Art um Relevanz zu erzeugen und Redundanz zu reduzieren. konkurrierende AGs müssten sich zusammenraufen oder konkurrierende Anträge
einreichen, die als solche klar gekennzeichnet sind. Und dabei muss der Rahmen
eines Programms Vorrang vor inhaltlichen Details haben. Auf dem Parteitag müssen ganz klar die oberen Ebenen des Grundsatzprogramms entschieden werden. Details werden dann später durch
Positionspapiere und Erweiterungen des Grundsatzprogramms eingebracht. Statt
dessen werden nun alle Anträge in ein Fass geworfen, das wird kräftig geschüttelt
und dann sollen weniger als 4 oder 5% der Mitglieder darüber entscheiden, welche
Anträge auf dem BPT entschieden werden. Wobei die absolut nicht repräsentativen Liste der LQFB Entscheidungen (1) in den Listen an erster Stelle steht. Was
dabei heraus kam musste natürlich eine Art Kindergarten gemischt mit
Seilschafteneinflussnahme sein. Aber sicher keine Entwurf für einen fundierten programmatischen Rahmen, der basisdemokratisch entwickelt und entschieden wird. Und so sehen die vorliegenden Antragslisten (2) nun leider auch auch aus.
Da steht dann an Platz 2 der "LQFB Top100": Die Ergänzung des §3 der Schwerbehindertenausweisverordnung. Auf Platz 2 der "Approval Voting Top100" steht der Ersatz des konfessionellen Religionsunterrichtes durch neutralen Ethik- und Weltanschauungsunterricht. Und in der Liste TO3 (je erste drei aus jeder Gruppe) findet sich auf Platz 2 „Mitbestimmung über die Verwendung von Steuergelder“. Und auf der Liste der Lieblingsanträge findet sich als Spitzenreiter der seltsamerweise mit der Nummer PA001 versehene Antrag „Transparenzpaket“.
Abgesehen davon dass es absurd ist, über LQFB-Delegationen im LQFB von den Delegationen selbst abstimmen zu lassen (das ist als ob man ein Schaf bitten würde, den Schlachter selbst auszuwählen), ist es Unsinn, die persönlichen Präferenzen einer Minderheit von Mitglieder dazu zu benutzen um das Grundsatzprogramm einer Partei zu entwickeln.
Die vorliegenden Vorschläge für die Tagesordnung (2) sind deshalb der Höhepunkt der Manifestation des Versagens eines Teils des Bundesvorstandes. Statt Interviews zu geben, auf Talkshows zu glänzen oder von Parteitag zu Parteitag zu reisen (dort kann man auch virtuell dabei sein), hätte sich der Vorstand um die programmatische Weiterentwicklung der Partei kümmern müssen. Nicht im Sinne einer inhaltlichen Vorgabe, sondern die Aktivitäten der AGs mit kluger Hand koordinierend und informierend. Statt dessen wurde über "fragwürdige AGs" fabuliert, ohne sich aber im Detail festzulegen. Wenn eine AG "fragwürdig" ist, muss man das dem BPT vorlegen und einen Mitgliederentscheid beantragen, die AG zu schließen. Ansonsten ist es ganz einfach das Sähen von Misstrauen, Verleumdungen und Unsicherheit.
Als BuVo sollte man jede Sitzung zumindest der Anträge erarbeitenden AGs besuchen, um mindestens die Tagesordnung zur Kenntnis zu nehmen und mitzuteilen, wo man für den RAHMEN der programmatischen Arbeit noch Lücken sehe. Und gleichzeitig hätte ich erwartet, dass er AGs darauf hinweist, dass vor der Erarbeitung von Details erst der Rahmen geschaffen und in der Partei verankert werden muss. Und am Ende hätte ich erwartet, dass er darauf besteht, dass die AGs sich zusammen setzen um Anträge ähnlichen Inhalts zu besprechen, zu vereinbaren oder klar mit Crossreferenz als Konkurrenzanträge zu kennzeichnen. Und gerade hier hätte ich eine wichtige Rolle des BuVos gesehen, der dann zwischen den AGs vermittelt wenn es zu Differenzen kommt.
Das wäre Koordination gewesen. Das hätte dem BPT eine Antragsliste gebracht, die den programmatischen Rahmen beschreibt und dann hätten sich die Mitglieder in Bochum relativ sicher sein können, zu allen wichtigen Themen zumindest eine Grundsatzposition erarbeitet zu haben. Und die Mitglieder hätten im Vorfeld schon eine Übersicht erhalten, die den Namen verdient. Sie hätten sich orientieren können.
Jetzt haben wir eine wilde Mischung von übergeordneten Anträgen mit untergeordneten Anträgen. Eigentlich konkurrierende Anträge sind bisher nicht ersichtlich verbunden. Ich möchte behaupten, dass wenige Tage vor dem BPT noch niemand wirklich überblickt, was mit was konkurriert, oder was wem widerspricht. Niemand weiß genau, ob zu einer Detail-Entscheidung überhaupt schon ein Rahmen geschaffen wurde, in den sich die Entscheidung einpasst, oder ob nun die Detailentscheidung es erzwingt, dass der Rahmen sich drumherumbaut. Denn auch die Versuche von Teilen der AGs sich irgendwie abzusprechen scheiterte an der fehlenden koordinierenden Bundes-Hand.
Was mich aber noch mehr überraschte, war die Reaktion mit der die Mitglieder, die zum BPT kommen werden, abgetan wurden. Als ich mich darüber beschwerte, dass der BuVo den AGs verboten hatte, Info-Tische beim BPT aufzustellen, mit dem Hinweis, dass eben nicht alle Mitglieder im Internet unterwegs sind, und einige sicher zum BPT kommen, um sich zu informieren, lautete die Antwort von @lainee42:
„@JoMenschenfreun wegen der paar nasen so ein schmarrn...? gut, dass der buvo so eine weise entscheidung getroffen hat.“
Herzlichen Glückwunsch! Lainee42 hat wirklich verstanden
worauf es ankommt.
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(1) http://streetdogg.wordpress.com/2012/11/11/spqp/--------------------
(2) http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/TO-%C3%9Cbersicht
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