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Mittwoch, 8. Mai 2013

Die Piratenpartei im Wahrheitscheck



Die Piraten waren angetreten, „Um die Politik zu verändern“, sagten sie. „Nicht die Inhalte stehen im Vordergrund, sondern die Art, wie Politik gemacht wird“, sagten sie. Kurz vor dem Bundesparteitag der Piraten (10. bis 12. Mai) ist es Zeit, diese Aussage auf den Prüfstand zu stellen.

Was das Verhalten mancher „herausragender“ Mitglieder der Piratenpartei und ihre Beziehung zu den nach Außen vorgetragenen Grundsätzen angeht, so drängt sich zunehmend ein weniger schmeichelhafter Eindruck auf: Mit dem Ausscheiden von immer mehr enttäuschten Mitgliedern nimmt die Selbstverständlichkeit, mit der Einzelne oft auch ohne demokratische Legitimierung Sonderrechte für sich beanspruchen zu. Und im Rahmen der Diskussion des Wahlprogramms erweist sich die Piratenpartei als egozentrisch und so gar nicht international. Landet doch das Interesse an Außen- und Friedenspolitik abgeschlagen hinter dagegen eher profan anmutenden Themen. Die Piraten verstoßen immer deutlicher gegen ihre eigenen Werte, nur um dadurch den Weg zur erhofften Macht zu ebnen. Die Glaubwürdigkeit geht so leider verloren. Hier ein paar Beispiele aus den letzten Wochen.

DAS SPENDENGATE (9)

Da erscheint ein Blogbeitrag, der beschreibt, dass Mitglieder der Piratenpartei Berlin sich weigern, Auskunft über den Verbleib von Spendengeldern zu geben. (4) Bei den wichtigsten Protagonisten handelt es sich um Mareike Peter, eine engagierte Vertreterin der Menschenrechte für Asylsuchende. Die jedoch auch schon durch m.E. faschistoide Aussagen „Zünd den an, solange er noch da ist!!!“ (6) hervorgetreten war. Und gerade kürzlich auch wieder durch den Versuch, über Twitter andere zu bewegen, von ihr als politische Gegner empfundene Mitglieder der Piratenpartei aus der Twitterliste zu entfernen. Ihr zur Seite sprang ihr Lebensgefährte  Oliver Höfinghoff (Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin), der sie als Mitarbeiterin eingestellt hatte, und der gerne Diskussionen mit dem Vermerk „So einen Scheiß tu ich mir nicht an“ aus dem Weg geht und politische Gegner als zu blockierende Spammer (10) an Twitter meldet (5). Höfinghoff bezeichnet Demokratie auch gerne als Übergangslösung. (12)
Dabei ist es letztendlich unwichtig, warum das offensichtlich für einen bestimmten Zweck gespendete Geld über Monate auf einem Privatkonto verblieb (1), und was mit dem Geld letztendlich geschieht, was auch nach Wochen noch nicht klar ist. Vielmehr ist für eine Partei, die Transparenz, Toleranz, Inklusion und Kampf gegen Korruption als wichtige Themen immer wieder in den Vordergrund stellt, das Auftreten und Verhalten von Höfinghoff und Peter der eigentliche Skandal. Statt Transparenz und Toleranz zu beweisen, verweigerten sie Auskunft, zeigten sie Trotz und machten sie widersprüchliche Angaben.

GEMEINSAMES WAHLPROGRAMM

Zur Vorbereitung des Wahlparteitags der Piraten in Neumarkt im Mai d.J. hatten sich die Koordinatoren vieler AGs zusammengeschlossen und wollten einen gemeinsamen Wahlprogrammantrag einreichen. Dieser Antrag sollte möglichst viele Themen, die innerhalb der Partei bearbeitet wurden, umfassen und zwischen den verschiedenen AGs, die ähnliche Themenfelder bearbeiteten, abgestimmt werden. Über Monate wurde gerungen und diskutiert. Die Vertreter der AG Außenpolitik fehlten. Obwohl die Partei sich als internationale Bewegung versteht. Schließlich wurde das Programm den Mitgliedern in einer Umfrage zur Abstimmung vorgestellt. Diejenigen Positionen, die 2/3 Zustimmung erhielten, sollten dann in das gemeinsame Wahlprogramm einfließen.
Einen Tag oder zwei Tage vor Antragsschluss, alle Mitglieder waren hektisch bemüht die letzten Änderungen an den eigenen Anträgen zu diskutieren, wurde plötzlich, so erschien es vielen Aktiven, nur wenige Stunde vor der Abgabefrist, in einer Nacht und Nebelaktion ein alternativer „Gemeinsamer Wahlprogramm-Vorschlag“ entwickelt. Dieser enthielt auch ältere Anträge der AG Außenpolitik, leicht modifiziert. Die Teile die sich auf die Außenpolitik bezogen machten nur ganz rudimentäre Aussagen, es war bei weitem kein Programm, das Abgeordneten im Bundestag die Richtlinie der Politik vorgeben würde. Und niemand kann ahnen, wie Abgeordnete der Piratenpartei, sollten sie in den Bundestag gewählt werden, sich außenpolitisch verhalten werden.

Diese Anträge waren durch kein Konsensgespräch gegangen und hatten nicht an der Umfrage teilgenommen, an der alle Anträge für ein gemeinsames Wahlprogramm teilnehmen sollten, sie waren noch nicht einmal innerhalb der AG Außenpolitik abschließend behandelt und beschlossen worden und landeten trotzdem plötzlich in einem „gemeinsamen Antrag“. Angeblich hätte dieser gemeinsame Antrag größere Chancen auf einen Konsens auf dem BPT als andere Anträge, die vorher über Monate diskutiert worden waren. Der Einspruch eines Mitglieds lautete dann:

„………………Es finden sich in WP138 sehr wohl "Anträge mit besonders hohem Diskussionspotenzial", beispielsweise im Bereich Außenpolitik der Absatz "Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik", der bei Liquid Feedback nur 49% Zustimmung erhalten hatte (http://lfpp.de/i6102) und bei den Anträgen zum Gemeinsamen Wahlprogramm nicht einmal gelistet war.

Wenn hier behauptet wird  "Hauptsächlich wurden die Anträge verwendet, die bei der Ini gemeinsames Wahlprogramm bereits positiv abgestimmt wurden", dann trifft das im Themenbereich 11, Außen- und Sicherheitspolitik nur auf einen zu, "Piraten gegen Cyberwar", den ich gemeinsam mit der Initiatorin der Liquid-Feedback-Initiative http://lfpp.de/i3411 , bei der dieser entstanden ist, unter dem Titel "Gegen jede Form von Cyberwar und Cybercrime" im Gemeinsamen Wahlprogramm eingebracht hatte und der dort als G058 eine Mehrheit von 72,7% erhalten hatte.....................“
Aber damit nicht genug. Obwohl über alle anderen eingereichten Anträge z.B. zwischen der AG Friedenspolitik und der UG Verteidigung intensiv diskutiert worden waren, und auch aufmerksam andere AGs beobachtet wurden, damit Kollisionen zwischen Anträgen vermieden werden konnten und um zu verhindern, dass konkurrierende Anträge eingereicht werden, fand eine solche über die Anträge der AG Außenpolitik nicht statt. Ganz plötzlich wurden Entwürfe gelöscht, Pads geändert, Anträge gestellt, ohne mit Gruppen in der Partei, die an dem gleichen Politik-Thema arbeiten, Rücksprache zu halten. … Hier eine E-Mail an die Liste Wahlprogramm vom 10.04. die das beklagte:
„…………….…..gerade habe ich festgestellt, dass die Inhalte im Pad https://wp.piratenpad.de/11-aussen gelöscht wurden und statt dessen ein Pad https://wp.piratenpad.de/11-ausse angelegt wurde, wahrscheinlich von Foti/DosOz, der sich im Pad http://wp.piratenpad.de/Kxx neben dem neuen Link eingetragen hat und offenbar den alten Link gelöscht hat. …  Ich hoffe, dass derartige Methoden hier nicht akzeptiert werden bzw. zum Erfolg führen. … In dem neuen Pad gibt es nur Anträge, die von Foti/DosOz erst vor kurzem eingebracht wurden und die nicht beim Gemeinsamen Wahlprogramm zur Wahl stehen. … Ich habe das alte Pad mit den überarbeiteten Textfassungen der Anträge zur Ächtung von Waffen und zur Präambel wieder hergestellt. Beide Anträge hatten beim Gemeinsamen Wahlprogramm bereits eine Mehrheit. ……………………“
Durch dieses Vorgehen der Nichtabsprache, welches verhindert, dass ein in sich schlüssiges und umfangreiches außenpolitisches Programm entwickelt wird, formt sich die Partei zu einem außenpolitisch unberechenbaren Faktor. Für die Außenpolitik, die über Krieg und Frieden, über internationale Beziehungen, die den Piraten angeblich so am Herzen liegen, entscheidet, fehlen im Vorfeld des Bundesparteitages diskutierte Grundsätze und Entscheidungsvorlagen.

DIE TRICKS DER SUPERDELEGIERTEN


Der Eindruck drängt sich auf, dass gewisse Mitglieder auf Biegen und Brechen versuchen die Partei in eine Richtung zu drängen, die einer kleinen aber aktiven Minderheit entspricht. Ein Beispiel soll das verdeutlichen.

Eine Gruppe aus der AG Außenpolitik hatte eine LQFB-Initiative gestartet, nach der die Aufgaben der Landesverteidigung zunehmend auf EU-Organisationen übertragen werden sollten. (12) Da die Antragsteller bekannt dafür waren, militärischen Interventionen positiv gegenüber zu stehen, musste man davon ausgehen, dass das Ziel eine erleichterte Teilnahme an Militäraktionen im Ausland sein könnte. Daher entschloss ich mich zu einer Gegeninitiative, um dies zu verdeutlichen (8). Mit und ohne Superdelegationen erhielt mein Antrag eine Mehrheit, während der Ursprungsantrag deutlich abgelehnt wurde. Ganz besonders deutlich zeigte sich das Ergebnis dann, wenn man es um die Stimmen der Superdelegierten bereinigte. Was trotz der geringen Anteilname m.E. die antimilitaristische Grundstimmung innerhalb der Partei verdeutlicht.
Durch den Teil „Außen- und Sicherheitspolitik“ unter der Überschrift „Transparente Außenpolitik“ in dem nicht zwischen den AGs diskutierten Antrag WP138 (14) wird nun wieder versucht eine Tür genau in diese Richtung zu öffnen. Dort heißt es:
„……….…………Im Zuge der Entwicklung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union wurden Institutionen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt und erweitert. Die Piratenpartei fordert Transparenz, auch in der Außenpolitik. Deshalb steht sie dafür ein, dass die EU-Organe die langfristigen außenpolitischen Ziele der EU definieren und öffentlich kommunizieren………..………“
Zunächst stellt sich die Frage, was Transparenz damit zu tun hat, dass europäische Organe mehr außenpolitische Ziele definieren? Wenn sie nicht definiert sind, besteht auch kein Bedarf an dieser Transparenz. Durch die Wortwahl soll suggeriert werden, dass es um Transparenz geht, in Wirklichkeit geht es darum, Kompetenzen auf europäische Institutionen zu verlagern, schleichend das Grundgesetz mit seinen Begrenzungen aufzugeben. Leider ist das nicht das erste Mal, dass ein solcher Versuch vermutet werden muss. (15)

DIE GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT

Am Freitag, den 11.04.2013 fand im virtuellen Mumble (3)-Raum der AG Friedenspolitik eine Sitzung zur Schlussbesprechung der Anträge für den BPT2013.1 statt. Dabei wurde bemängelt, dass in einer Nacht- und Nebelaktion Anträge „gekapert“ worden waren und so abgeändert wurden, dass teilweise der Inhalt im Sinn vollkommen verändert wurde. Ein freundlicher Gast wies die Mitglieder darauf hin, dass sie doch noch mit den Koordinatoren, die diesen Alternativantrag organisiert hatten, sprechen könnten, um aufzuzeigen, dass teilweise das Gegenteil von dem, was durch den monatelangen Konsens- und Abstimmungsprozess gegangen war nun plötzlich als angeblicher „Konsens-Antrag“ dienen sollte. (Ohne überhaupt mit den anderen Antragstellern zu sprechen.) Später stellte sich heraus, dass wohl im letzten Augenblick die Teile, die diametral der bisherigen Meinungsbildung entgegen gelaufen waren, auf Grund der Initiative von zwei Aktiven doch wieder entfernt worden waren.

Festzustellen bleibt: Monatelang waren Anträge im Internet auf verschiedenen Wiki-Seiten und schließlich auf den Seiten der Aktion „gemeinsames Wahlprogramm“ veröffentlicht worden. Überall waren Kontaktadressen hinterlassen worden. In dutzenden von Sitzungen wurden eingebrachte Bedenken oder Änderungswünsche diskutiert. Aber zwei Tage vor Antragsschluss werden in einer Nacht- und Nebel-Aktion plötzlich Anträge „gestreamlined“ damit sie „konsensfähig“ werden. Und dabei Dinge eingebracht, die weder diskutiert, noch durch eine Umfrage gegangen waren.

KLÜNGELPOLITIK

Leider wurde trotzdem ausgerechnet der niemals mit interessierten AGs diskutierte „Sammelantrag Außenpolitik“ an die Spitze der abzustimmenden Anträge für den Tagesordnungsantrag im Bereich Außenpolitik gestellt. In einem Verfahren, dass nicht nachprüfbar und intransparent ist. Ein Antrag, dessen Inhalt noch nicht einmal durch ein demokratisches Verfahren innerhalb der AG Außenpolitik legitimiert wurde. Ein Verfahren, dass ein Schlag ins Gesicht aller Aktivisten ist, die sich über Monate um Konsenslösungen bemüht hatten.

DEMOKRATIEPLACEBO?

Wenn dann am Wochenende des dreitägigen Bundesparteitages vom 10. bis 12. Mai möglicherweise 1000 oder 2000 von 36000 Mitgliedern, also ca. 5%, über Anträge entscheiden, werden viele Aktivisten von dieser Entscheidung ausgeschlossen. Nämlich solche, die nicht zu den Zeitreichen gehören, oder denen schlicht die finanziellen Mittel fehlen, um drei Tage an der Veranstaltung teil zunehmen. So wie schon am 27. und 28. April im Landesverband Bayern weniger als 4% der Mitglieder das Wahlprogramm verabschiedeten, ohne dass 96% der Mitglieder eine Chance erhielten, ihre Stimme abzugeben. Es ist also nicht notwendig, die Masse der Mitglieder zu überzeugen, sondern lediglich die 4%, die ohne anderen gegenüber rechenschaftspflichtig zu sein, auf dem Parteitag abstimmungsberechtigt sind. Wie demokratisch so etwas noch ist, besonders wenn man dann die „Netzwerke“ auf den Parteitagen in Aktion sieht, mag jeder für sich selbst entscheiden.

VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN


Hadmut Danisch stellt in seinem Blog (16) die verschwörungstheoretische These auf, dass einige exponierte Mitglieder der Piratenpartei nicht im Interesse der Partei sondern womöglich anderer Kräfte agierten. Er hält es wohl für möglich, dass die CIA ihre Finger im Spiel hat. Das würde bedeuten, dass ihre Aktionen bewusste Handlungen wären. Eine Verschwörungstheorie die aber aufzeigt, wie absurd das Verhalten gewisser Protagonisten der Partei ist.
Traurig ist, dass dieser Blog, so wie auch mein Buch (26), das keinerlei Verschwörungstheorien, sondern nur Fakten und Meinungen enthält, auf den Mailinglisten und in den Medien der Piratenpartei praktisch nicht existiert, systematisch entfernt wird. Diskussionen darüber werden systematisch unterdrückt. (18) Alleine die Tatsache, dass Verschwörungstheorien entstehen können, und die Art des Zensierens, Ignorierens, das Ausblenden nicht nur von solchen Verschwörungstheorien sondern auch vielfältiger berechtigter Kritik, sind mit dem zu Beginn genannten Anspruch kaum vereinbar.

DAS GUTACHTENGATE

Ein weiteres Beispiel, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in der Führung der Piratenpartei (19) auseinanderklaffen konnte man im so genannten „Gutachtengate“ (20) beobachten. Der Kölner Stadt Anzeiger schrieb am 1.4., und es war kein Aprilscherz:
„……………… Schwerer wiegt, dass der Landesvorstand der NRW-Piraten die Grundidee der eigenen Partei verraten hat. Transparenz ist das Zauberwort, mit dem die Piraten im vergangenen Jahr viele Wähler verzückt haben. Und nun? Gutachten zurückhalten, weil einem der Inhalt nicht gefällt – wie wollen die Piraten solches Regierungsverhalten künftig noch anprangern, wenn ihr eigener Vorstand nicht davor zurückschreckt? ……………..“
Der Shitstorm, der folgte, hat wieder ein Opfer gefordert und erhalten. Ein Landes-Vorstandsmitglied legte sein Amt nieder und verließ sogar die Partei. Und wieder hat man das Gefühl, dass es ein Bauernopfer war. Statt die Grundproblematik aufzuarbeiten und Verfahren und Maßnahmen zu ergreifen um zukünftige Vorgänge dieser Art zu verhindern, wurde ein Mitglied regelrecht virtuell exekutiert, ausgerechnet eines, das sich über Jahre ehrenamtlich für die Partei aufgerieben hatte.

DER BEZIRKSVERBAND KÖLN


Ein Mitglied der Partei, dessen Namen mir bekannt ist, das aber nicht genannt werden möchte, schreibt:
„…………………Nachdem Mitglieder des Kreisverbandes Köln sowohl bei den Ämterwahlen in Köln als auch bei den Ämterwahlen im Land NRW herbe Niederlagen einstecken mussten, versuchen sie nun über einen angeblich niemals aufgelösten Bezirksverband Köln zu einem Amt zu kommen. Mit einem Amt hat man in einer Partei eine wesentlich bessere Chance, auch ein Mandat zu erhalten. Die beiden Hauptantreiber der Idee XXXXXXX und XXXXXXX (22) reisen derzeit wie wild in NRW herum um sich für die Widerbelebung des Bezirksverbandes und ihre Kandidaturen für Ämter  zu platzieren. …………..……..“
Die Geschichte erscheint wie das Stück einer bayrischen Dorfbühne. Während sich hunderte von Piraten die Nächte um die Ohren schlagen um Einigkeit über Anträge zum Wahl- und Grundsatzprogramm zu erreichen, sollen einzelne den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf die persönliche Karriereplanung legen? Inzwischen gibt es eine LQFB Initiative im elektronischen Abstimmungssystem des Landesverbandes NRW (21) in der man lesen kann:
„………………..Es existierte in grauer Vorzeit ein "Bezirksverband Köln", gegründet am 15.12.2007, der mindestens seit 2009 nicht mehr aktiv ist. Gemäß Vorstandsbeschluss 20.07.2010 gilt er wegen Inaktivität als aufgelöst. … Wiki:NRW:2010-07-20_-_NRW_Vorstand#Bezirksverband_Köln_auflösen . ….. Es existieren Meinungen, die sagen, dass dieser Beschluss wegen mangelnder Bestätigung eines Landesparteitages nicht wirksam wird, und es wird geplant, ihn wiederzubeleben. ………………“
DIE FEMINISMUSDEBATTE

Im Grundsatzprogramm erklärt sich die Piratenpartei für „postgender“. D.h. die Trennung der Geschlechter ist überwunden und spielt keine Rolle mehr in der Gesellschaft der Mitglieder. Nachdem aber insbesondere die GRÜNEN und Medien dies zum Anlass genommen hatten, das Übergewicht an männlichen Amtsträgern und sichtbaren Mitgliedern zum Wahlkampfthema zu machen, verkrampfte sich das Verhältnis sichtbar. Statt nun über einen demokratischen Diskurs eine Veränderung des Grundsatzprogramms zu betreiben und einen Kompromiss zwischen „postgender“ und „Förderung weiblicher Mitglieder“ zu suchen, begann ein heftiger Kampf. Dieser wurde einerseits von radikalen Feministinnen geführt, unterstützt vom Bundesvorstand. Andererseits forderte dies den Widerspruch von Anhängern der „Postgender“-Bewegung heraus. Auf dem bisherigen Höhepunkt der Auseinandersetzung fand eine vom Bundesvorstand finanziell unterstützte Veranstaltung statt, die schon in der Vorankündigung nicht auf Ausgleich, sondern Durchsetzung der eigenen Überzeugung angelegt war.

Das Ereignis produzierte am ersten Tag einen Eklat. Ein unwidersprochenes Interview (28)  zeigt auf, wie die Ordner das Mitglied Dennis Plagge mit Hilfe der Polizei aus der Veranstaltung entfernten. Obwohl Aufnahmen der Veranstaltung nachweisen, dass das einzige Vergehen ein einmaliges Statement war, in dem Plagge darauf hinwies, dass „postgender“ im Grundsatzprogramm der Piratenpartei festgeschrieben ist. Darüber hinaus, so Plagge, bleibt die Frage, warum der Bundesvorstand eine „private Party“ im Anschluss an die offene Veranstaltung finanzierte.
Ein anderer Beobachter, Hadmut Danisch, ein Gegner des kämpferischen Feminismus, schrieb eine deutliche Kritik an der Veranstaltung (29) Seine Beobachtungen weichen von der offiziellen Beschreibung ab (30). Am 13. April veröffentlichte Hadmut einen Nachtrag, in dem er schreibt:
„………………… Dabei kam ich auf einen Artikel mit der Eigendarstellung (!) eines derer, die das Hausverbot da betrieben hatten, Olli Waack, und insofern belastbar gegen ihn selbst, weil nicht durch Gegner gefärbt oder gelogen. Dabei fällt – ebenso wie in Aussagen anderer, die dabei waren oder gewesen sein wollen – auf, dass zwei wichtige Angaben fehlten: …Es wurde kein Grund für das Hausverbot genannt. … §s wurde nicht genannt, in welcher Rolle und wodurch diejenigen das Hausrecht erlangt haben sollten. …Dafür finden sich in dieser Selbstdarstellung Aussagen wie: ….Er überzog hart das unausgesprochene Redezeit-Agreement und verletzte in der Rede zwei Regeln, die gut sichtbar an verschiedenen Stellen in den Räumlichkeiten angebracht waren. …………….“
Anhand dieser Angaben rekonstruierte er den Fall und kam zu der Auffassung, dass es sich bei dem Verweis von Plagge ganz einfach um einen Willkürakt zum Loswerden eines Andersdenkenden handelte. Noch dazu bestreitet er sogar die rechtliche Grundlage für den Hausverweis. (31) Auch wenn diese Einschätzungen die eines Antifeministen sein könnten. Als Pirat stellt man sich die Frage, warum es der Vorstand soweit hatte kommen lassen. Warum wurde Konfrontation statt Diskussion und Aufklärung betrieben? Schließlich waren sogar angebliche Maskulinisten mit einer männlich / weiblichen Doppelspitze und mit der Förderung weiblicher Mitglieder wie in Niedersachsen einverstanden. Und der Widerstand vieler Mitglieder galt nicht weiblichen Mitgliedern, sondern dem aggressiven und keine Diskussion aufkommen lassenden Absolutheitsanspruch der feministischen Strömung. Der in der Forderung gipfelte, Kritiker von jeder Diskussion auszuschließen. Mareike Peter z.B. twitterte: „Alle, die NetReaper noch folgen werden jetzt von mir entfolgt. Ihr habt das mit ‚Keine Kekse‘ nicht verstanden.“

Für eine Partei, die Toleranz, Inklusion und Demokratie predigt, ist es unverständlich, dass keine friedliche Einigung durch Konsensveranstaltungen statt Konfrontationsveranstaltungen gesucht wird. Damit man einerseits den Postgender-Befürwortern entgegen kommt, andererseits Frauen motiviert, sich stärker in der Partei zu engagieren. Und schließlich, was überhaupt nicht schwierig zu sein scheint, Doppelspitzen für wichtige Ämter zu vereinbaren.

HASS MACHT BLIND

Dass Mitglieder ausgegrenzt, beleidigt, verunglimpft und verleumdet werden, hatte ich bereits in meinem Buch (26) ausführlich dargelegt. Interessant ist, dass durch den in diesem Verfahren sich entwickelnde Hass die „wichtigen“ Protagonisten der Partei unfähig werden, die Interessen der Partei zu wahren, weil sie grundsätzlich gegen jeden Vorschlag sind, der von der verhassten Person vorgetragen wird. So geschehen z.B. im Fall von Otla Pinnow.
Die Piratenpartei erlaubt Mehrfachmitgliedschaften. Dies wurde in Köln von Gruppen, die auch zur rechten „Pro“-Bewegung gehörten, ausgenutzt. Sie missbrauchten Piraten-Insignien bei Demonstrationen mit rassistischem Hintergrund. Aus diesem Grund wurde ein Antrag für die Landessatzung der Partei gestellt, die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Piratenpartei mit der in verschiedenen extremistischen Organisationen aufzunehmen. Dummerweise aber unterlief dem ehemaligen Vorsitzenden der KV Köln und Landtagsabgeordneten Daniel Schwerd ein Fehler. Er verknüpfte die Unvereinbarkeit an Gründe. Dadurch war der Weg zu ewig währenden Schiedsgerichtsverfahren geöffnet. Insbesondere, weil der Antrag auch unter „Sonstiges“ gestellt wurde statt als Satzungsänderungsantrag wie von Pinnow vorgeschlagen.
Dieser Fehler wurde begangen, obwohl Pinnow ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, und vorgeschlagen hatte, die Unvereinbarkeit ohne weitere Bedingungen alleine durch die Mitgliedschaft in einer der von ihr genannten, insbesondere rechten Organisationen, festzustellen. Ihre Liste war vollständig, ihre Formulierung rechtssicher. Sie waren noch von anderen Mitgliedern verbessert worden. Aber im Sinne eines „So einen Scheiß zieh ich mir nicht rein“ ignorierte der Landesvorstand, insbesondere der inzwischen zurück getretene politische Geschäftsführer des Landesverbandes NRW (siehe Gutachtengate) den Vorschlag.
Auf Nachfrage erklärte Otla Pinnow mir gegenüber:
„………………………………..Natürlich war mir von Anfang an klar, dass über Mitgliedschaft letztlich die Bundessatzung zu bestimmen hat, ich ging jedoch davon aus, dass der BPT nichts dagegen haben und zudem einem gleichen für den BPT zustimmen würde. Da der zeitliche Abstand zwischen LPT und BPT gering ist, hätte eine Eingabe von wegen nicht Bundesbeschluss nichts genützt; im Ergebnis wäre ein Ausschluss schneller zu haben gewesen. Ergo habe ich den Antrag, ebenfalls im Februar, an Sebastian Nerz weiter geleitet. Der leitete ihn weiter an Peukert. ……………….“
Und so wird vielleicht am Ende ironischerweise der Antrag eines als „Nazi“ und „Antisemiten“ verhassten Mitglieds möglicherweise dazu führen, dass Rechtsextreme zukünftig erfolgreich aus der Piratenpartei ausgeschlossen werden können. Es wäre aber ein Wunder, wenn der Name Otla Pinnow in diesem Zusammenhang positiv genannt werden würde. Zu groß ist der Hass gegen Andersdenkende in gewissen Kreisen der Partei.

Auch gerade in den letzten Tagen wieder aufgetaucht: Die Hassattacken mindestens eines Mandatsträgers der Piratenpartei, jenes bereits früher erwähnten Oliver Höfinghoff (33). Das Verhalten solcher Mandatsträger strahlt auf die ganze Partei aus. Insbesondere wenn offensichtlich ein großer Teil des Vorstandes der Partei sein Verhalten nicht nur toleriert, sondern auch noch unterstützt und verteidigt.

PANNEN ODER SYSTEMIMMANENT?

Die Liste ist nicht abschließend. Je mehr Mitglieder frustriert die Partei verlassen, desto einfacher ist es für eine kleine Gruppe, die Partei nach dem eigenen Willen zu formen. Es gibt so viele Menschen in der Piratenpartei die sich jeden Tag intensiv für die Partei einsetzen. Aber sie sind oft vollkommen in ihrem Engagement eingebunden und haben nicht die Zeit andere Themen zu bearbeiten. Sie vertrauen darauf, dass die immer wieder angeführten Ideale mit dem Leben gefüllt werden, das von der Mehrheit der Piraten unter diesen Begriffen verstanden wird. Und dann gibt es solche, die alles unternehmen, um sich eine gute Ausgangsposition für ein Mandat zu erkämpfen. Darunter besonders jene, denen man empfehlen sollte, doch besser die Laufbahn des politischen Beamten einzuschlagen. (23)

Der Bundesparteitag in Neumarkt gibt wieder nur denjenigen die Möglichkeit, an den entscheidenden Abstimmungen teil zunehmen, die über drei Tage Freizeit genau an diesem Termin verfügen. Andere haben keine Möglichkeit auf die Politik der Partei Einfluss zu nehmen. Es gibt kein Delegationssystem. Falls die Abstimmungen in Neumarkt von den ausgeschlossenen Mitgliedern nicht als repräsentativ empfunden werden wird, dann droht der Partei ein weiterer Exodus.
Die Piraten waren die Hoffnung auf eine neue Politik und neue Umgangsformen. Zu den Umgangsformen hatten wir inzwischen einiges gehört. Zur Politik kursiert die Meinung, dass Positionen zur Wirtschaftspolitik in Hinsicht auf den ESM sehr ähnlich zum Wahlprogramm der konservativ elitär populistischen AfD (27) sein sollen. Wenn das ein Hinweis auf die Entscheidungen auf dem Bundesparteitag sein sollte, könnte sich auch die Hoffnung auf eine wirklich neue Politik schon bald zerschlagen. Hoffentlich sind die anwesenden 1500 bis 2000 Mitglieder von über 30.000 registrierten Mitgliedern klug genug, die richtigen Entscheidungen zu fällen.  

FAZIT:

Es sind nicht „Pleiten, Pech und Pannen“, die das Problem der Piraten darstellen. Es sind auch nicht die persönlichen Querelen innerhalb des Vorstandes. Es ist die Verweigerung insbesondere der gut ausgebildeten Zeitelite der Partei, aus den Fehlern und Erfahrungen anderer Parteien zu lernen. Es ist der teilweise erfolgreiche Versuch von politisch erfahrenen Netzwerkern, die Partei unter dem Schein von demokratischen Verfahren zu beeinflussen und für die Zwecke von Minderheiten zu nutzen. Es ist der unerklärliche Zeit-Reichtum von einzelnen Protagonisten, der es ihnen erlaubt als scheinbar unersetzliche Arbeiter für die Partei aufzutreten und sich für Ämter als Sprungbrett für Mandate in Stellung zu bringen. Und es ist der blinde Glauben an den technischen Fortschritt verbunden mit der Unschuld und Gutgläubigkeit vieler engagierter und motivierter Aktiven, die anscheinend nicht erkennen, wie sie instrumentalisiert werden. Aber das vielleicht größte Problem ist die Unfähigkeit über Kritik angemessen zu reden und Lehren daraus zu ziehen. (32)

Selbst die von Mandatsträgern und Kandidaten immer wieder mantraartig vorgetragene Verweigerung der Selbstverpflichtung zu einer Mandatsträgerabgabe für die Partei und gegen jede Art von Fraktionsdisziplin, wird von den Aktiven der Partei akzeptiert, ohne dass es zu einem ernsthaften Hinterfragen kommt.

Wenn nun auch noch eine so genannte „Ständige Mitgliederversammlung“ auf Basis des umstrittenen Liquid Feedback kommt, steht der Fernsteuerung der Partei durch eine Handvoll von Superdelegierten und Netzwerkern endgültig nichts mehr im Wege (13). Dann können Beschlüsse nach Belieben ohne Umweg über die zwar leicht manipulierbare aber im Prinzip unberechenbare Mitgliederversammlung gefasst werden.

UND DIE INHALTE?

Nachdem der Realitätscheck hinsichtlich der Art des Politikmachens nicht so ausgefallen ist, wie ich das erwartet hatte, wird es Zeit, nun die Inhalte der Partei auf den Prüfstand zu stellen. Dazu ist kurz nach dem Bundesparteitag, der das Wahlprogramm verabschieden soll, ein geeigneter Moment. 

Gekürzte Version Erstveröffentlichung in NRhZ am 08.05.2013
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(7) Siehe Screenshot:
(9) Als „GATE“ bezeichnet man auf Twitter einen „Skandal“ oder ein „Skandälchen“ oder was man dafür hält. Oft gefolgt durch einen „Shitstorm“, in dem sich oft Menschen ohne die Details zu kennen oder bewerten zu können, über die vermeintlichen Verursacher des Skandals herfallen und sie mit wütenden Kommentaren, die oft ins obszöne abgleiten, beschimpfen.
(10) Als Spammer werden Teilnehmer bezeichnet, die durch gesetzeswidrige oder gegen die Regeln der Gemeinschaft verstoßendes Verhalten an den Tag legen.
(12) Siehe Screenshot: 

(15) Beispiel siehe Screenshot
(22) Namen sind mir bekannt, wurden aber von mir gelöscht.
(25) Siehe http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2013.1/TO
Demnach fallen fast immer mit mehr als 2/3 Mehrheit, oft über 90% Mehrheit abgestimmte Anträge über Kernwaffenabrüstung ans Ende der Tagesordnung.

1 Kommentar:

  1. Tritt nicht aus. Wir brauchen eine solche Stimme in der Partei.
    Aber du brauchst ein dickes Fell, wenn du solche Dinge anprangerst.
    Luegen, Verleumdung und Intrigen gegen deine Person sind unvermeidliche Konsequenz. Du stellst hier Personen bloß, denen jedes Mittel recht ist. Stichwort Bezirksverband... Du gehst bestimmten Leuten mal so richtig auf den Zeiger und das soll bitte auch so bleiben.

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