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Mittwoch, 21. September 2016

Deutsche Medien und der Krieg gegen Syrien

In der Propaganda zum Syrienkonflikt versucht das sich für einen Krieg gegen Syrien einsetzende westliche Establishment Gefühle zu aktivieren, um die Legitimierung für Bomben und Morde zu erhalten. Von den Medien willig aufgegriffen und verbreitet, können Medienkonsumenten  meist nicht bemerken, welchen Tricks sie ausgesetzt sind. Hier ein Beispiel, das von dem australischen Wissenschaftler Tim Anderson entlarvt wird.
".... Wie man erwarten kann, werden während eines Krieges Missverständnisse oft von den Interessen der unterschiedlichen Parteien beflügelt. Im Fall der syrischen Flüchtlinge in Europa, hat eine in den USA ansässige Organisation mit dem Namen "The Syria Campaign" geholfen, einige solcher Missverständnisse voran zu bringen, einschließlich der Behauptung, dass die meisten Flüchtlinge "vor Assad fliehen". Die "Syria Campaign" ist ein Geschöpf der Wall Street Public Relation und einer der verschiedenen mit ihr verbundenen US-Gruppen (Avaaz, Purpose, the White Helmets) die sich für eine Flugverbotszone nach Art Libyens einsetzen. D.h. sie setzen sich für eine NATO-Intervention auf der Seite der Dschihadisten ein (siehe Sterlin 2015). Eine sorgfältige Prüfung der Beweise lässt den Betrug der Behauptung "Flüchtlinge fliehen vor Assad" schnell erkennen.

Die "Syria Campaign" führte 2015 in Deutschland eine Umfrage durch, die anscheinend durch den deutschen Wissenschaftler Heiko Giebler ausgeführt wurde. Darin, so wird behauptet, wären 889 Flüchtlinge in Berlin, Hannover, Bremen, Leipzig und Eisenhüttenstadt interviewt worden. Die Kandidaten für die Befragung wären "beim Eintritt oder dem Verlassen der Registrierungs-Zentren angesprochen worden".  Jedoch sagt die Umfrage nichts darüber aus, wie die Auswahl der Befragten getroffen wurde (TSC 2015). Dies ist aber wichtig, weil der Stichprobenfehler schnell die Repräsentativität  der Umfrage in Frage stellen kann. Wenn es kein Stichprobenfehler  angegeben wird, wie in diesem Fall, gibt es keine Möglichkeit festzustellen, in welchem Ausmaß die Umfrage einen größeren Teil der Bevölkerung widerspiegelt. Die Ergebnisse sind dann praktisch nutzlos, außer als Anekdoten.

Die Hauptaussage der Umfrage, die Überschriften und die Grafiken, behaupten,  "70% der Flüchtlinge fliehen vor Assad". Zunächst muss festgestellt werden, dass dies eine unzutreffende Charakterisierung der aktuellen Umfrage (TSC 2015) ist. Darin war keinerlei Frage, ob vor Assad oder jemand anderem geflüchtet worden war. Dort waren Fragen gestellt worden, wen die Befragten für die Gewalt verantwortlich machten, und vor wem sie Angst hatten. Von den 30 Fragen scheinen die drei relevanten die Nummer 9 (Wer war verantwortlich für die Kämpfe?) Nummer 14 (Vor wem hatten Sie Angst verhaftet oder entführt zu werden?), und Nummer 18 (Was war der Hauptgrund um Syrien zu verlassen?). Beachten Sie, dass die Frage 18 keine besondere Bedrohung beinhaltet, während die Fragen 9 und 14 (wie im Bericht der Umfrage betont wird) verschiedene Optionen enthielten, so dass in beiden Fällen mehr als 100 als Ergebnis heraus kommt.

Die Hauptaussage, die Überschriften und die Grafiken beziehen sich sehr vage auf eine Kombination dieser drei Fragen. Als Antwort auf Frage 18 sagten 69% dass der Hauptgrund Syrien zu verlassen "unmittelbar bevorstehende Lebensgefahr" war, ohne dass aber die Quelle der Gefahr definiert wurde. In Frage 9, identifizierten 70% die "Syrische Armee und verbündete Gruppen" als "verantwortlich für die Kämpfe". Allerdings konnten bei dieser Frage mehrere Antworten genannt werden, und so sehen wir, dass 82% die anderen bewaffneten Gruppen (ISIS, al Nusra, FSA, YPG, andere Rebellen) benannt haben. Wenn wir die kurdische YPG entfernen, die ursprünglich in Koordination mit der Syrischen Armee gekämpft hatte, so sind es insgesamt 75% regierungsfeindliche bewaffnete Gruppen. Frage 14 hat die gleiche Mehrfachantwortmöglichkeit wie Frage 9. Hier sagten 77%, dass sie Angst hatten "von der Syrischen Armee verhaftet oder entführt zu werden". Jedoch werden alle regierungsfeindlichen Gruppen mit 82% benannt, und wenn wir YPG hinzufügen, mit 90%. Die Antwort auf beide Fragen lässt vermuten, dass die Antworter etwas mehr Angst vor den bewaffneten Gruppen als der Syrischen Armee hatten. Höchst wahrscheinlich hatten die meisten Angst, ins Kreuzfeuer der Gruppen zu geraten.

Also bevor wir die repräsentative Validität der Umfrage untersuchen, stellen wir fest, dass es in keiner der drei Fragen, oder sonst wo in der Umfrage, eine Grundlage gibt zu behaupten, dass "70% der Flüchtlinge" vor "Assad fliehen" würden. Im Gegenteil zeigt die Umfrage, dass mehr vor den Regierungsgegnern flüchten, vor Dschihadisten und bewaffneten Gruppen. Das Widerspricht der ziemlich unlauteren Überschrift der "Syria Campaign", die ihre Aussage noch unterstreicht mit "Das Resultat ist kristallklar". Ein Bericht der Deutschen Welle schreibt dann auch pflichtgetreu: "Umfrage lässt keine Zweifel: Syrer fliehen vor Assad (Fuchs 2015). Anscheinend hat der Reporter die Umfrage nicht gelesen.

Eine weitergehende Analyse zeigt, verglichen mit den Daten des UNHCR (2016) über die geflüchtete syrische Bevölkerung, dass die Umfrage der "Syrian Campaign" wenig repräsentativ war, und daher keinerlei Recht hat, Aussagen über die allgemeine syrische Bevölkerung zu machen. Wie Tabelle 2 zeigt, waren Männer, insbesondere junge Männer, massiv überrepräsentiert. Zusammen gezogen sehen wir eine Überrepräsentation von 1.76 von Männern und 2.25 von Menschen zwischen 15 und 55 (UNHCR: 18-59; TSC: 15-55). Frauen und Kinder existieren in der Umfrage praktisch nicht. Die Umfrage zeigt auch auf, dass 51% alleine nach Europa kamen, 61% hatten keine Kinder und 68% (0.78 x 0,88) waren junge Männer zwischen 15 und 35 Jahren.
Weitere Daten zeigen auf, dass 74% der Befragten aus Gebieten kamen, die von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen besetzt waren, da sie von Beschuss der Regierung berichteten. Es gibt keine glaubhaften Beweise dafür, dass die Syrische Armee Gebiete beschießt, in denen keine bewaffneten regierungsfeindliche Gruppen sind. Diese Annahme wird verstärkt durch Frage 1 nach der Herkunft der Flüchtlinge. Die Antworten zeigen auf, dass kaum einer der Befragten (bzw. nur 19) aus Tartus, Latakia und Sweida kam. Also aus Gebieten, die 2015 eine durch Binnenflüchtlinge angewachsene Bewohnerzahl von mindestens 5 Millionen aufwiesen. Befragte aus Damaskus (170 oder 17%) sind ebenfalls drastisch unterrepräsentiert. In Damaskus lebten 2015 über 7 Millionen Menschen, ein Drittel von Syriens Bevölkerung. Es gab viele Vertriebene in diesen, von der Regierung kontrollierten Gebieten.

Andererseits können wir eine Überrepräsentation der Antworter aus Hasakah (164 oder 19%) feststellen. Es kommen sicher eine Menge Flüchtlinge aus Hasakah, hauptsächlich auf Grund der Anwesenheit von ISIS und den Türkisch-Kurdischen Kämpfen. Aber es leben dort nur eine halbe Million, weniger als 10% der Bewohner von Damaskus. Sie werden aber gleichgesetzt mit den von der Umfrage befragten Menschen aus der Hauptstadt.

Mit anderen Worten weist die Umfrage eine große Überrepräsentation von jungen Männern auf, wovon viele aus den Gebieten kommen, die von Regierungsgegnern gehalten werden. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Ihnen sind vermutlich selbst ehemalige Kämpfer.

Schauen wir alles zusammen an, können wir feststellen, dass die von der Syria Campaign (2015) zusammengestellte Umfrage nichts davon wirklich aufzeigt, was die Aussage rechtfertigt "70% fliehen vor Assad". Im Gegenteil zeigt die Umfrage (TSC (2015)), dass eine etwas größere Anzahl aus der befragten Gruppe Angst vor den bewaffneten Regierungsgegnern hatten. Darüber hinaus war die Umfrage nicht repräsentativ für die geflüchtete syrische Bevölkerung, sie enthielt eine besonders große Gruppe junger Männer aus den von Dschihadisten gehaltenen Gebieten, einige von Ihnen vermutlich ehemalige Kämpfer, und viele davon waren sicherlich durch die Armee beschossen worden.

Der Grund für die Verfälschung der Daten ist wahrscheinlich eine Kombination aus der voreingenommenen Auswahl in Deutschland (eine Auswahl die vorgenommen wurde durch Verbündete einer der gegnerischen Gruppen) und vermutlich die Überrepräsentation von jungen Männern und ehemaligen Kämpfern unter der derzeitigen Schar von Flüchtlingen, die in den deutschen Städten eintreffen. Die Abwesenheit eines expliziten Auswahlverfahrens und einer Stichprobenfehlerquote unterstreicht die Unprofessionalität  dieser Umfrage.

Von all diesen Bedenken scheint wenig bei westlichen Medien angekommen zu sein. Wie der Deutsche Welle Reporter, scheinen die meisten die Umfrage gar nicht gelesen zu haben. Die Massenmedien wie die Times (UK), Huffington Post, Wall street Journal und Newsweek, verbreiteten die eine oder andere Version der gefälschten Überschrift "70% fliehen vor Assad", die von der PR-Gruppe der Wall-Street verbreitet wurde. ..."

Quellen:

Fuchs, Richard (2015) ‘Survey leaves no doubt: Syrians are fleeing Assad’, Deutsche Welle, 11 October, online: http://www.dw.com/en/survey-leaves-no-doubt-syrians-are-fleeing-assad/a-18775789

Sterling, Rick (2015) ‘Seven Steps of Highly Effective Manipulators’, Dissident Voice, 9 April, online: http://dissidentvoice.org/2015/04/seven-steps-of-highly-effective-manipulators/

The Syria Campaign (2015) ‘Care about refugees? Listen to them’, 9 October, online: https://diary.thesyriacampaign.org/what-refugees-think/

TSC (2015) ‘Listen To Refugees - First Survey of Syrian Refugees in Europe’, survey results spreadsheet, The Syria Campaign, online: https://docs.google.com/spreadsheets/d/1WYn4N7STdP2eW3EYdX86Gsb6lxE4VrcNvZ4aEczsFwI/edit#gid=833561282

UNHCR (2016) ‘Syria Regional Refugee Response’, last updated 4 September, online: http://data.unhcr.org/syrianrefugees/regional.php

2 Kommentare:

  1. Syrien: So entfachen Medien Kriege
    http://www.dzig.de/Syrien-So-entfachen-Medien-Kriege

    Der Staat BRD führt einen Angriffskrieg gegen den Staat Syrien!
    http://www.dzig.de/Der-Staat-BRD-fuehrt-einen-Angriffskrieg-gegen-den-Staat-Syrien

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  2. Darauf hingewiesen + weitere Anmerkungen dazu: http://blauerbote.com/2016/10/18/merkels-manipulierte-umfrage/

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