Am Beispiel Thailands wird dargestellt, dass die These, moderne Massenmedien würden Demokratie zum Durchbruch verhelfen, längst widerlegt ist, und dass das Internet zwar Dissidenten ein Sprachrohr gibt, aber auch Eliten ein mächtiges Werkzeug, sie effektiver zu verfolgen, und „rechtsstaatlich“ aus dem Verkehr zu ziehen, wenn sie zu einflussreich werden. Was 2006 bis 2014 in Thailand passierte, sollte uns Allen, auch und insbesondere in Deutschland, zu denken geben. Sagt nie "das kann bei uns nicht passieren".
Immer wieder wird behauptet, dass die modernen Medien das Ende von autokratischen oder totalitären Systemen wären, weil soziale Medien und globalisierte Nachrichten es unmöglich machen würden, den freien Informationsfluss zu kontrollieren. Tatsächlich muss man diese These in Frage stellen. Weltweit spielen „Die Medien“ nicht mehr die Rolle eines Aufpassers. Nicht nur die klassische Gewaltenteilung wurde in vielen Ländern, wie z.B. Deutschland, längst unterminiert, sondern Journalisten stellen längst keine „Vierte Macht“ mehr dar. Medien gehören einer immer kleiner werdenden Zahl von Eigentümern, die ihre politische und wirtschaftliche Agenda verfolgen, die identisch mit der das Kapital beherrschenden Eliten ist, und meist auch weitgehend mit der der politischen Elite übereinstimmt. Daher spielt es keine Rolle, ob die Fernsehsender, wie in Thailand, direkt dem Militär gehören, oder, wie die The Nation-Gruppe, privaten Eigentümern. Deutlich wurde das, als ein Co-Eigentümer der Gruppe, offensichtlich zur Belohnung nach medialer Unterstützung des Putsches von 2006, Intendant eines enteigneten kritischen privaten Fernsehsenders (iTV) wurde, der, wie bemängelt wurde, seinen Nachrichtenanteil gegenüber Unterhaltungsanteil von 30 auf 50% erhöht hatte.
Zu Beginn des Internets war die Hoffnung, dass es, mit seinen enormen Möglichkeiten der Informationsvermittlung, als Ersatz für die leicht kontrollierbaren Massenmedien, die Rolle einer „Vierten Gewalt im Staat“ übernehmen könnte. Seit dem neuesten Militärputsch in Thailand vom 22. Mai 2014 stellt sich wieder einmal die Frage, welche Rolle moderne Medien für die Demokratisierung spielen, wenn es darum geht, zu verhindern, dass die Verfassung ent-demokratisiert, und Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Ich will zurückschauen, wie Aktivisten auf der einer Seite, und Putschisten und ihre Anhänger auf der anderen Seite, in der Vergangenheit versuchten, herkömmliche Medien wie Fernsehen und Radio, später moderne Medien im Internet, für ihre Zwecke einzuspannen. Dann die Reaktion und Gegenreaktion in der Vergangenheit, und in den ersten Wochen nach dem Coup von 2014, kurz analysieren. Am Schluss will ich eine Voraussage wagen, ob soziale Medien kurz- bzw. mittelfristig der Demokratisierung noch einmal eine Chance verschaffen.
Rückblick 2006
Die Verfassung von 1997 hatte zum ersten Mal seit der Verfassung von 1946, die schon 1947 durch einen Militärputsch vernichtet worden war, den Anspruch erfüllt, demokratisch genannt zu werden. So wurden z.B. Unter- und Oberhaus vollständig gewählt. Aber mit dem Putsch von 2006 wurde das Rad zurück gedreht. Das Militär änderte die Wahlordnung, passte die Wahlkreise an und erließ eine neue Verfassung, nach der die Hälfte der Oberhaussitze, durch mit ihnen sympathisierende Kreise, besetzt wurde. Dies unter wohlwollendem bis neutralen medialen Echo. Zensur wurde in unterschiedlichster Form praktiziert, um Abweichler auf Kurs zu bringen.
Als über 200 Politiker Berufsverbot erhielten, war das Medien-Echo durchgehend positiv, da dem eine pauschalisierende, jahrelange Diffamierungskampagne voraus gegangen war. Das reichte aber nicht aus. Sowohl in den folgenden Wahlen von 2007 als auch 2011, gewannen wieder, und zwar mit dramatischer Deutlichkeit, die angeblichen Unterstützer von „Terroristen“ und „Feinden der Monarchie“. Dies wird von Befürwortern der These, als Beleg für die Wirksamkeit des Internets gewertet. Tatsächlich aber kann es auch nur bedeuten, dass die Propaganda der Putschisten, und mit ihr sympathisierenden Kreisen, einfach zu grobschlächtig, zu durchsichtig war, so dass die Wähler keinen Anlass sahen, ihre Meinung zu ändern.
Im Jahr 2006 gab es bereits zahlreiche Blogs im Internet, die kritische Berichte über Politik, Militär und Putsch veröffentlichten. Aber im Fokus der Aufmerksamkeit standen noch die klassischen Medien, wie Zeitungen, Fernsehen, Radio. Ein Grund, den die Putschisten für ihre Machtübernahme nannten, war die angebliche Beherrschung der Medien durch Premierminister Thaksin Shinawatra. Wodurch es keine Meinungsfreiheit mehr gäbe. Dabei war 2006 die Situation genau entgegengesetzt:
D.h. weder Premierminister Thaksin Shinawatra, noch seine Anhänger, sondern vielmehr seine Feinde, hatten ein quasi Oligopol über die thailändischen Medien. Aber eine Entwicklung hatte begonnen, in der die Menschen in Thailand immer mehr das Internet als alternative Informationsquelle zu nutzen begannen. 2006 bis zur Wahl 2007 war nur der Beginn einer Bewegung. Die Wirkung war aber zunächst nur beschränkt auf die Gruppe junger Gebildeter und Intellektueller.
Die Demokratiebewegung „United Front for Democracy Against Dictatorship (UDD)“ war zunächst ein kleiner Haufen ehemaliger Politiker und Anhänger der letzten gewählten Regierung Thailands. Sie hatte praktisch keine Propagandamittel, außerdem sorgten Demonstrationsverbote und Zensur dafür, dass ein ständiger Druck auf ihnen lastete. 2006 und 2007 boomten dann Chat-Blogs wie Pantip.com oder Sanook.com, die durch die Möglichkeit des politischen Meinungsaustauschs, innerhalb kürzester Zeit, zu den 10 beliebtesten Seiten Thailands wurden. Bis jedoch die Sicherheitskräfte einschritten, Benutzer, die „kritisch über die Monarchie“ schrieben, verhafteten und anklagten, und Webmaster bedrohten, die nicht genügend schnell, kritische Einträge zensierten.
Mitglieder der ehemaligen Regierungspartei Thai Rak Thai hatten nach dem Militärputsch 2006 eine eigene Fernsehstation gegründet, die PTV oder People’s Television. Sie nahm den Betrieb am 28.02.2007 auf . Die Reichweite des Senders war jedoch zunächst beschränkt. Und zu Beginn gehörten nur Aktivisten der alten Regierungspartei und der „Rothemden“ zu den Zuschauern.
Rückblick 2007
Die Nutzung des Internets für kritische Berichterstattung und Diskussion, über den Putsch und seine Folgen, fällt den Mächtigen des Landes auf. Das Information and Communications Technology Ministry sperrte am 04.04.2007, angeblich wegen Lèse-Majesté, den Zugang zu YouTube. Zuvor hatte sich Google, der Eigner von YouTube, geweigert, Video-Clips zu entfernen, die angeblich den König beleidigen sollten. Nach der Sperrung gab YouTube nach, und sagt Hilfe bei der Sperrung der Videos zu. Daraufhin wird die Blockade von You Tube für Thailand am 30. August aufgehoben. YouTube entwickelte eine Politik, von denen in der Zukunft auch andere Diktaturen und Autokratien profitieren sollten.
Webboards mit politischen Diskussionen werden geschlossen. Ihre Öffnung erfolgt erst nach Unterwerfung unter die Forderungen der Zensurbehörde. Über die beliebteste Info-Börse Pantip.com wurde am 11.04.2007 berichtet (Link 2016 aus Deutschland nicht mehr errreichbar):
Auf die Herausforderung von immer mehr Blogs, die kritisch gegenüber den Putschisten eingestellt waren, erließ die Putschregierung im Jahr 2007 ein neues Gesetz gegen „Computerkriminalität“.
Die The Nation vom 07.09.2007 veröffentlichte Einzelheiten über eine von mehreren Verhaftungen auf Grund des neuen Gesetzes:
Rückblick 2008
2008 verglich ein italienischer Journalist (Link 2016 nicht mehr erreichbar), die von Armee und Monarchisten unterstützten gewalttätigen Demonstranten, mit Entstehung des Faschismus, zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Europa. Im Guardian konnte man Ähnliches lesen. Das Militär versuchte, durch nationalistische Parolen, und einen kleinen Grenzkrieg mit Kambodscha, propagandistisch zu punkten. Sie wurde dabei durch den Fernsehsender ASTV von Sondhi Limthongkul, der 24 Stunden über die angeblichen Verbrechen der Regierung, und die Demonstrationen der Antidemokraten, berichtete, unterstützt. Und natürlich wirkte die Propaganda der Streitkräfte, die eigene Radio- und Fernsehsender betrieb, sowie die der privaten Sender, die sich nicht wagten, gegen den Strom zu schwimmen. ASTV war so wertvoll für das Militär und seine Unterstützer, dass es wunderbarerweise mindestens zweimal. von unbekannten Sponsoren. vor dem bereits erklärten Konkurs bewahrt wurde.
ASTV und seine Ableger hatten insbesondere Einfluss auf den Mittelstand in Bangkok. Dieser sah Thaksins Reformen, die die Landbevölkerung und Arme bevorzugte, als Gefahr für ihren frisch erworbenen bescheidenen Wohlstand an. ASTV war das propagandistische Rückgrat der antidemokratischen Bewegung. Die Regierung versuchte durch ihre Kontrolle staatlicher Gesellschaften gegenzusteuern, sah sich aber immer sofort in der Kritik der anderen Sender und der Printmedien, Propaganda zu betreiben.
Bereits zur Zeit von Thaksins Regierungen, war das ganze Kabinett regelmäßig für längere Zeit in die Provinzen gefahren, um sich vor Ort ein Bild zu machen, und Kabinettssitzungen öffentlich abzuhalten. Dies versuchte die neue Regierung weiterzuführen. Die Veranstaltungen wurden dann im staatlich kontrollierten Fernsehsender, und teilweise auch im Internet, übertragen. Aber durch die Kooperation von Armee, Justiz und Teilen der Monarchie, wurden immer mehr Protagonisten der Regierung, wegen allen möglichen angeblichen Verbrechen verfolgt. So z.B. Jakrapob Penkair, ein Regierungssprecher unter Thaksin, und Minister für staatliche Medien 2008, der die staatlichen TV-Kanäle reformieren wollte. Ihm wurde Majestätsbeleidigung vorgeworfen, worauf er unter dem Druck der drohenden Anklage zurücktreten musste. Er lebt seitdem im Exil.
Ende des Jahres 2008 schließlich, nachdem gewaltsame Demonstranten, unter Live-Berichterstattung von ASTV, und anderen Sendern, die internationalen Flughäfen besetzt hatten, entmachtete ein Justizcoup die gewählte Regierung, und ebnete durch neue Berufsverbote einer Regierung den Weg, die durch das Militär zusammengestellt worden war.
Die Chat-Webseiten von Pantip und Yahoo hatten 2008 ihren Höhepunkt erreicht, worauf die Armee und Justiz Sondereinheiten bildeten, um eine systematische Verfolgung von Kritikern im Internet zu starten.
Rückblick 2009
Mit dem Beginn der Demonstrationen gegen den Regierungswechsel nach dem „Justizputsch“, begann Anfang 2009 die Demokratiebewegung, unterstützt von Mitgliedern der früheren Regierung, mit einem eigenen Sender, der „Democracy Station“. Der Sender wurde am 19.01.2009 gegründet und nahm den 24-Stunden-Betrieb am 01.03.2009 auf. Der Sender wurde über Satellit ausgestrahlt und teilweise im Internet gestreamt, wodurch er schnell zu einem gefragten alternativen Informationskanal wurde.
Maßgeblich mit Hilfe dieses Senders, mobilisierte die UDD, innerhalb von 5 Monaten, hunderttausende Menschen im ganzen Land. Alleine in Bangkok trafen im April über 100.000 Demonstranten für eine große und friedliche Demonstration ein.
Schließlich wurden aber die Demonstrationen von der Armee mit Kriegswaffeneinsatz aufgelöst, 120 Menschen wurden mit schweren Schussverletzungen in Krankenhäusern behandelt, 6 Tote waren zu beklagen. Eine unbekannte Zahl von Verletzten entstand durch den Einsatz ziviler Milizen, die das Innenministerium zusammengestellt hatte (Blauhemden). Der Sender der UDD wurde am 11. bzw. 12. /13. April geschlossen, alle Radiostationen und sogar Fotokopierer und Computer, mit denen angeblich Verbrechen gegen das Computer Straf-Gesetz begangen worden waren, wurden beschlagnahmt oder zerstört. Natürlich wurden alle kritischen Webseiten geschlossen, oder blockiert, wenn sie im Ausland gehostet wurden. Die Protagonisten wurden verhaftet oder tauchten unter, und suchten Schutz im Ausland, wegen Verstößen gegen diverse Gesetze angeklagt.
Die UDD hatte ihre Führung und ihre Kommunikationsmedien verloren, denn 2009 war die Kontrolle über das Internet bereits wesentlich verbessert.
Aber der Erfolg war nicht so vollkommen wie gedacht. Sobald der Ausnahmezustand aufgehoben war, entstanden viele neue Internetseiten, kleine Zeitungen, Radiostationen, die den Widerstand aufnahmen. Vorsichtiger als vorher, weniger direkt in der Kritik, aber standhaft. Und neue Führer übernahmen das Ruder. Viele Menschen, die bisher der Bewegung eher kritisch gegenüber gestanden waren, da sie diese als verlängerten Arm der alten Regierung angesehen hatten, begannen nun mit der UDD zu sympathisieren. Einer von ihnen war Nattakorn Devakula, genannt „KhunPleum“ ein politischer Kommentator im Fernsehen.
Der ehemalige Premierminister Thaksin Shinawatra begann den Betrieb eines Fernsehsenders im Internet, „Voice TV“. Er war nicht eindeutig Teil der UDD, sondern betrieb sehr vorsichtige Kritik, auf hohem intellektuellem Niveau. Und einer seiner wichtigsten politischen Redakteure war Khun Pleum. Selbst entfernt mit der königlichen Familie verwandt, und mit einem Vater, der ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident der Militärjunta war, konnte er mehr wagen als jeder andere, und er ging jeweils bis an die Grenzen. Da aber die Sendungen nur im Internet, und nur mit einem guten Internetanschluss empfangen werden konnten, blieb die Breitenwirkung gering.
Internetseiten, die auftauchten, wurden inzwischen durch spezielle Polizeieinheiten aufgespürt und meist nach kurzer Zeit blockiert. Am 30.07.2009 wurde die offizielle Zahl der blockierten Seiten mit 16.944 angegeben, davon ca. 11.000 aus Gründen der „Nationalen Sicherheit“. Die Verhaftungen nahmen noch einmal zu, und sandten folgende klare Signale an die thailändische Bevölkerung und Ausländer, die sich für Thailand interessierten:
Aber auch die Regierung der Putschisten hatte das Internet für ihre Zwecke entdeckt. Freiwillige wurden geschult und in einem Zentrum der Polizei eingesetzt, um gezielt Meinung in Foren zu vertreten und Kritiker zu denunzieren. Und die Regierung startete die Webseite www.ilovethailand.org. Während sie heute eine allgemeine Werbung für Thailandurlauber darstellt, war sie 2009 zur Aktivierung von nationalistischen und monarchistischen Ideen gedacht. Zum Beispiel wurden auf der Seite geschichtlich vollkommen verfälschte Darstellungen über „verlorene Territorien“ veröffentlicht. Wodurch der Fokus auf Laos und Kambodscha als Feindstaaten gerichtet werden sollte. In Kambodscha wurde daraufhin prompt die Seite www.ilovekhmer.org eröffnet, die propagandistisch dagegen hielt, inzwischen auch aufgegeben wurde.
Die thailändische Seite warb um Artikel, die folgenden Ansprüchen genügen sollte:
Eigentlich sollten Webseitenblockierungen nach einem Gesetz aus 2007 nur nach richterlicher Anordnung möglich sein. Aber keine der Regierungen hatte sich seitdem darum gekümmert. Erst in der Woche vor der Veröffentlichung hatte die ICT-Ministerin Ranongruk Suwunchwee, in einem Interview, erklärt, dass die Polizei Seiten blockieren würde, schon mal im Vorgriff auf den Gerichtsbeschluss, weil der so lange auf sich warten lassen würde.
Besonders drastisch wurde das Gesetz gegen Computerkriminalität von 2007 nun eingesetzt, um gegen Kritiker vorzugehen. Awzar Thi „Rule of Lords“ (Link 2016 nicht mehr erreichbar), verglich die thailändische Gesetzgebung 2009, mit der von Myanmar. Sein Fazit:
Rückblick 2010 - Das Jahr des Massakers
Am 15. Juni 2009 begann ein Fernsehsender „People Channel“ der UDD, Sendungen erneut 24 Stunden auszustrahlen. Im Oktober wurde ein Logo eingeführt, das fast gleich zu dem früher verwendeten aussah. 2010 lieferte der UDD-Sender politische Informationen, Meinungen, Berichte über Demonstrationen. Er war das Rückgrat, der wie Phoenix aus der Asche, innerhalb eines halben Jahres, neu entstandenen Demokratiebewegung. Die Station wurde dann aber, im Rahmen der blutigsten Massaker an Demonstranten seit 1976, am 19. Mai 2010, durch das Militär geschlossen.
Neben den sozialen Medien wurden sowohl vom Militär, als auch den Aktivisten, eigene Fernseh- und Radiosender für ihre Propaganda genutzt. Allerdings hatte die Armee 2009, 2010 und jetzt 2014 jeweils praktisch alle Sender ausgeschaltet.
Im Jahr 2010 hatten dann beide Seiten versucht, für sich Profit aus öffentlichen Verhandlungen, übertragen durch staatliche Fernsehsender, zu schlagen. Es hatte, wie es schien, historisch erste direkte Verhandlungen zwischen der vom Militär unterstützten Regierung, und der Demokratiebewegung, live übertragen im Fernsehen, gegeben. Die Demonstranten meldeten nur eine einzige Forderung an: Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Sie hatten die Forderung nach einer Wiedereinsetzung der Verfassung von 1997 ausdrücklich nicht in die Verhandlungen eingebracht. AP berichtete (Link 2016 nicht mehr erreichbar):
Aussagen von hohen Militärs, die angeblich bereit wären, in einem Prozess in Den Haag auszusagen, deckten sich mit den Artikeln und zeigten, dass von Anfang an die militärische Zerschlagung der Demokratiebewegung, die einzige diskutierte Option war. Und die Fernsehdiskussion lediglich Teil einer Strategie, die öffentliche Meinung dazu zu bringen, den Militäreinsatz zu akzeptieren. (Ausführlichere Analyse in http://www.xinxii.com/gratis/114070dir1315395432.pdf Seite 14-17)
2010 war die Nutzung des Mediums Fernsehen für die Aktivisten zu einer Falle geworden. Aber sie hatten ja auch ihren eigenen Fernsehsender. Die Satellitenübertragung war zwar vom Militär gewaltsam unterbrochen worden, aber immer wieder wurden Bilder des Senders im Internet gestreamt. Und der Sender berichtete noch, als die Schüsse bei der Erstürmung der letzten Zelte der Demokratieaktivisten zu hören waren. Die Senderinhalte wiederum wurden über Live-Blogs und Twitter-Meldungen an jene verbreitet, die den Stream nicht sehen konnten. Damit war die Verheiratung des Mediums TV mit dem Medium Internet zu einem Mittel geworden, auf das die Armee 2010 noch keine wirkliche Antwort hatte.
Eine Antwort hatte sie jedoch gegen unliebsame Kritik aus dem Internet. Chiranuch Premchaiporn, die Webmasterin eines absolut unabhängigen Online Magazins, gegründet von NGO-Führern und Thaksin-Kritikern, wurde mit einer Haftstrafe von 50 Jahren wegen Lése Majèsté bedroht, da sie angeblich den König beleidigende Postings, nicht schnell genug gelöscht hatte. Prachatai.com verlegte sein Webhosting daraufhin ins Ausland, beließ aber die Redaktionen in Thailand. Die Blog- und Kommentarseiten wurden jedoch „zur Sicherheit unserer Leser“ aufgegeben.
Die Verhaftungen häuften sich erneut. Inzwischen wurde wohl langsam auch den "Panzerliberalen" klar, dass die Unterdrückung auch vor Ihnen nicht halt machen würde. Die The Nation schrieb z.B. am 05. April 2010 über das Gesetz gegen Computerkriminalität:
Die Bilder der Demonstrationen gingen trotzdem immer wieder live um die Welt. Und auch in Deutschland, konnte man die Demonstrationen, ebenso wie die Trauer um die Getöteten, verfolgen, und verbrachte manche Nacht vor dem Fernseher, wenn z.B. über die Seite www.uddthailand.com, ein Stream verbreitet wurde. Aber es bewirkte nichts bei den wichtigsten Partnern Thailands. Außer ein paar harten Worten durch einige Europaabgeordnete, blieb der „Freie Westen“ stumm. Allenfalls Lippenbekenntnisse wurden verbreitet. In den USA wurden die Demonstranten auf öffentlichen Informationsveranstaltungen, durch Vertreter der US-Regierung, und der Regierung Thailands, bzw. von Kongressabgeordneten, als „Terroristen“ beschrieben. Im April 2010 war nach Aussagen von Tulsatit Taptim, eines Redakteurs der „The Nation“, die Zahl der blockierten Webseiten auf 300 pro Tag angewachsen.
Am 10. April 2010 begann das größte Massaker seit 1976. In der ersten Nacht des gewaltsamen Vorgehens des Militärs gegen Demonstranten, starben dutzende, hunderte wurden verhaftet. Auslöser war angeblich eine nie aufgeklärte Explosion, in den Reihen der schwer bewaffneten Soldaten, gewesen, die sich zum Angriff versammelt hatten. Nach dem 10. April waren nur noch zivile Opfer zu beklagen . Am 19. Mai, dem Tag des letzten Angriffs auf die Zeltstadt der Demonstranten, waren über 90 Tote und ca. 4000 Verletzte gezählt worden. Wobei nur solche Verletzungen überhaupt registriert wurden, die schwere dauerhafte Folgen hinterlassen hatten. So traten später Menschen auf, denen die Hälfte der Schädeldecke fehlte, und die nur wie durch ein Wunder, die Schüsse der Scharfschützen der Armee, überlebt hatten.
Während dieser Zeit wurde das Internet überflutet mit Handy-Videos, aber auch semi-professionellen Videos und unendlich vielen Fotos, die die Übergriffe der Armee dokumentierten. Augenzeugenberichte ausländischer Journalisten ergänzten sie. Blogs berichteten, teilweise als Live-Blogging. Aber die Übergriffe der Armee wurden dadurch nicht verhindert oder gemildert. Stattdessen wurden offensichtlich Journalisten und Blogger, Ziele für tödliche Schüsse und Angriffe.
Die Welt reagierte „besorgt“ ging aber ungehindert ihren Geschäften mit Thailand nach. (Man vergleiche das mit dem Auftreten der westlichen Politiker während der Unruhen auf dem Maidan.) Ein Beispiel stellt das Schicksal von Fabio Polenghi dar. Der italienische Fotojournalist wurde offensichtlich bewusst und gezielt erschossen. Er hatte in seinen Taschen Skizzen der Standorte von Scharfschützen der Armee, die tödliche Schüsse auf Demonstranten abgaben.
Am 14.05.2010 scheinen die thailändischen Machthaber den Befehl, „Feuer Frei“ auf Journalisten und Blogger mit Kameras, gegeben zu haben. Der kanadische Journalist Nelson Rand z.B., wurde am 14.05.2010, mit drei Schüssen, aus den Waffen der Armee, in ein Krankenhaus gebracht, und notoperiert. Er wurde am Bein, im Bauch und an der Hüfte, insgesamt lebensgefährlich verletzt. Sein Sender France24 war der erste gewesen, der am 10.04.2010, Bilder von Soldaten gesendet hatte, die mit scharfer Munition, in die Menge der Demonstranten schossen, obwohl die Regierung noch behauptet hatte, dass Soldaten nur Warnschüsse abgegeben hätten. Nachdem Nelson aus der Narkose aufgewacht war erklärte er: „Ich kann bestätigen, dass die Armee die einzige Seite war, die Schusswaffen eingesetzt hat.“ Aber das war nur der vorläufige Höhepunkt einer Serie von Schüssen auf fotografierende und filmende Zeugen des Vorrückens des Militärs.
Aber die Beweise, die tausenden von Fotos, Videos, auch von offiziellen Stellen, sind in großer Zahl aus dem Internet verschwunden. In einem AFP-Video konnte man ab Minute 2 sehen, wie ein vollkommen gewaltfreier Beobachter mit Videokamera, einen Kopfschuss erhielt. (Und eine Kugel ins Bein und in den Rücken). Es war ein Blogger, der Aufnahmen für seinen Webblog machen wollte.
Alleine am 14.05.2010 wurden 11 Zivilisten getötet, davon waren 5 Journalisten und Blogger. (Ein Soldat wurde durch Schüsse der eigenen Kameraden getötet.) Die Vereinigte Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD) hatte in diesen Tagen immer wieder erklärt: „Unsere Waffen sind unsere Hände und unsere Kameras. Wir fordern jeden auf, der eine Videokamera hat, eine Mobiltelefon mit Kamera: Macht Aufnahmen und stellt sicher, dass die Welt erfährt, was hier in Thailand passiert“. Die Armee hat diese Waffen offenbar ernst genommen.
Ein englischer Blogger, Andrew Spooner, schrieb damals: "Die Regeln für den Schusswaffengebrauch scheinen klar: Schießt französische Journalisten mindestens drei Mal. Für englische reicht ein Schuss, thailändische Blogger erhalten einen Schuss in den Kopf".
Aber die Morde blieben trotz der Beweislage ungesühnt. Insofern versagte das Medium Internet und die Ergebnisse der Gewaltexzesse sind nicht anders als 1973, 1976 und 1992.
Die Politik der Armee hatte offensichtlich Erfolg. Die internationalen Agenturen hielten sich ebenso mit scharfer Kritik, und Forderungen an die eigene Politik, zurück, wie Fernsehsender und Zeitungen. Andrew MacGregor Marshall hatte 17 Jahre für Reuters gearbeitet, und war 2003 bis 2005 Bürochef in Bagdhad gewesen, wurde dann zum Analysten, mit Basis in Singapur. Als er Zugang zu Wikileaks-Dokumenten erhielt, wollte er über die thailändische Politik objektiviert berichten, was ihm von seinen Vorgesetzten verboten wurde. Er kündigte daraufhin und bloggt jetzt als ZenJournalist über Thailand und die Region.
Aber seine Veröffentlichungen, so wie die des ins Exil geflüchteten Hochschullehrers Giles Ji Ungpakorn, oder die hervorragenden Bücher von Federico Ferrara, der zu dem Zeitpunkt in Singapur lehrte, dann an die Universität von Hongkong wechselte, oder anderer, auch thailändischer Blogger, Wissenschaftler und Journalisten, blieben weitgehend ohne Wirkung, auf die internationale Politik, und die Verhältnisse in Thailand.
Der Druck auf jede Art von Kritik erreichte kurz nach der gewaltsamen Zerschlagung der UDD ihren Höhepunkt. Der Redakteurin von Prachatai, Chiranuch Premchaiporn, die zunächst mit 50 Jahren Gefängnis bedroht worden war, wurden nun 68 Jahre als mögliches Strafmaß vorgerechnet. Der Journalist Jonathan Head wurde mit einem halben Dutzend Anzeigen, je mit 15 Jahren Gefängnisandrohung, konfrontiert, bis ihn die BBC aus der Schusslinie nahm, und in die Türkei versetzte. Der Journalist Dan Rivers von CNN verließ frustriert Thailand, weil er auf der Straße verfolgt wurde, bedroht, und ohne Zugang zu Interviews mit Politikern oder Militärs war.
Die Verhaftung, das Verschwinden und die Einschüchterung von weniger prominenten Bloggern wurde oft gar nicht bekannt.
Rückblick 2011
Wer nach dem Blutbad glaubte, dass die Demokratiebewegung nun endgültig zerstört wäre, der wurde nach wenigen Monaten, und sofort nach Aufhebung des Ausnahmezustandes, eines Anderen belehrt. Besonders in den Provinzen im Norden und Nordosten, hatte der Widerstand nie aufgehört. Studenten organisierten Vorlesungen für Bauern über Politik und Gesellschaft, illegale Radiosender tauchten wieder auf, und natürlich CDs und DVDs, mit Kopien von Bildern, Videos und Texten, aus dem weitgehend gesperrten Internet.
Und schon im April begannen wieder größere Demonstrationen. Als der Druck offenbar wieder anwuchs, erklärte die mit dem Militär kooperierende Regierung, das Parlament im Mai auflösen zu wollen, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Ein Jahr zuvor hatte man ein Massaker in Kauf genommen, um Neuwahlen zu verhindern, und nun sollten sie plötzlich stattfinden? Das Militär glaubte offensichtlich, mit der Stigmatisierung der Opposition als Terroristen, die ein Teil Bangkoks in Brand gesetzt haben sollten, oder gegen die „Terroristen-Freunde“, ausreichend Chancen bei Wahlen zu haben. Viele Videos waren inzwischen vom Internet verschwunden, das Blockieren von Webseiten wurde immer engmaschiger, und schließlich glaubte General Prayuth, der Armeechef, als „Beschützer des Königs“, Wähler für die Democrat Party mobilisieren zu können. Ein Jahr unglaublicher Falschinformationen, Propaganda und Zensur, konnte nicht ohne Folgen geblieben sein, schien die Elite zu glauben. Prayuth ging so weit, im Fernsehen zu erklären, dass die Wähler die Wahl hätten zwischen „Feinden des Königs“ und ihren Beschützern. Es war der letzte Schritt, um die Monarchie endgültig in die politische Auseinandersetzung hinein zu ziehen.
Als die „falsche Partei“ mit einem Erdrutschsieg, trotz Manipulationen und aller erdenklichen Tricks, die Wahl gewonnen hatte, da hatte dank der Aussagen des Armeechefs, auch das Image der Monarchie einen letzten und größten Schaden erlitten. Es war klar geworden, dass eine überwiegende Mehrheit der Wähler, die Monarchie nicht mehr als Beschützer und Wohltäter anerkennen wollte.
Und sofort nach der Wahl erschienen neue Internetseiten und monarchiekritische Blogs, die ständig wechselnde Internetadressen nutzten. Und sich mit den Cyber-Spezial-Einheiten der Polizei ein gefährliches Katz- und Maus-Spiel lieferten.
Mit der Wahl von 2011, so glaubte man, war die Phase des Militärputsches von 2006 überwunden. Aber vom ersten Tag an bedrohte ein neuer Putsch die jetzt zum zweiten mal nach dem Putsch von 2006 gewählten Regierung. Die neue Regierung stand von zwei Seiten unter Druck. Auf der einen Seite forderten die Demonstranten, die Freilassung der inhaftierten politischen Gefangenen. Auf der anderen Seite, wurde die Regierung von Anfang an vom Verfassungsgericht, das eng mit dem Militär und Vertretern der Monarchie, zusammen arbeitete, unter Druck gesetzt.
Facebook und Twitter wurden immer beliebter, und für immer mehr wurden die sozialen Medien zum einzigen Informationsmittel. Dabei lebten aber sowohl die Minderheit der Befürworter von Militär und Monarchie gegenüber einem gewählten Parlament, als auch die Mehrheit der Anhänger einer parlamentarischen Demokratie nach westlichem Vorbild, jeweils in ihrer „Filterblase“. Es gab kaum ein Austausch von Argumenten und konstruktive Diskussionen.
Rückblick 2012 - 2013
Keiner der profilierten Oppositionspolitiker hatte sich 2011 bereit erklärt, die Führung der Partei, und damit die Bewerbung für das Amt des Premierministers, zu übernehmen. Gegen den Widerstand des Militärs anzutreten war das sichere Zeichen für Verfolgung und Unterdrückung. Bis schließlich der im Exil lebende Ex-Premierminister Thaksin, seine jüngere Schwester Yinlak Shinawatra, eine erfolgreiche Unternehmerin, überzeugte, in den Wahlkampf zu gehen. Wie hatte man über die politisch unerfahrene junge Frau gelästert. Und doch hatte sie, allen Widerständen zum Trotz, 2012 bis 2013, dem Militär, und ihrer parlamentarischen Opposition, die Stirn gezeigt. Auch als sie, wie die Regierung, die aus der Wahl von 2007 hervorgegangen war, mit immer radikaleren und gewalttätigeren Demonstrationen konfrontiert wurde, behielt sie Ruhe und die Macht. Und ihre mediale Wirkung war von Anfang an durch männliche Politiker unschlagbar.
Doch dann unterlief ihr, bzw. der Regierungspartei, ein gravierender Fehler. 2013 wollte die Regierung ein Amnestiegesetz durchsetzen, was sowohl alle Verbrechen der Soldaten, als auch die angeblichen Verbrechen ihres Bruders, von Strafverfolgung befreien sollte. Das Militär sah überhaupt keine Notwendigkeit für eine Amnestie, da sie sich die schon längst selbst gegeben hatte. Und die Rothemden, ursprünglich die Verbündeten der Regierung, wandten sich von Yinlak ab. Sie wollten nicht wieder, wie in der Vergangenheit, den Mantel des Vergessen, über die Verbrechen und Toten und Verwundeten, legen. Selbst nicht mit Ausblick auf die Chance, dass einige der politischen Gefangenen entlassen werden könnten. Und so saß die Regierung plötzlich zwischen den Stühlen. In Blogs begannen Rothemden die Regierung zunehmend zu kritisieren, Forderungen nach einer eigenen Partei wurden wieder laut. Und die durch das Militär gestützte Opposition, mobilisierte Anhänger, weil das Gesetz nur beabsichtigen würde, den verteufelten ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra „reinzuwaschen“.
Viele Blogger, die lange freundlich mit der Regierung umgegangen waren, beendeten frustriert ihre Arbeit, wenn sie nicht sogar kritisch eingestellt wurden. Fernsehen und Printmedien hatten wieder einen Ansatz, um vom „Korruptionssystem Shinawatra“ zu schreiben. Bis die Regierung den Plan wie eine heiße Kartoffel fallen ließ. Aber da war es bereits zu spät. Der Druck war so groß geworden, dass Yinglak das Parlament auflöste und Neuwahlen ankündigte.
Während des Wahlkampfes zum Parlament, gelang es der Regierung, die Anhänger wieder zu mobilisieren. Aus Angst vor einer erneuten Machtübernahme, der mit dem Militär kooperierenden Democrat Party, unterstützte der größte Teil der Rothemden, die Regierungspartei. Es entstanden neue Blogs, und die Aktivitäten im Internet nahmen zu. In Diskussionen innerhalb der Rothemden setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine eigene Partei nur eine Zersplitterung der Front gegen das Militär bedeuten würde. Und so stand die Demokratiebewegung zur Wahl wieder hinter der Regierungspartei.
Man sollte wissen, dass normale Bürger Thailands, in der Vergangenheit, ungern öffentlich über Politik geredet hatten. Es widersprach dem Harmoniebedürfnis der Gesellschaft. Das Internet hatte das verändert. Durch das Fehlen der körperlichen Nähe, begannen Thailänder offen und heftig zu diskutieren, was schnell in Beleidigungen abglitt. Menschen, die über Jahre befreundet waren, begannen, sich hasserfüllte Posting-Kriege auf Facebook zu liefern, beschimpften sich. Die Demonstrationen der Regierungsgegner und Antidemokraten, wurden nun noch gewalttätiger. Und mündeten am Wahltag, dem 02.02.2014 schließlich in Blockaden, die in 42 von insgesamt 375 Wahlkreisen, erfolgreich waren. Der Grund war die weitgehende Untätigkeit der Sicherheitskräfte, die durch die Armee eindeutige Anweisungen erhalten hatte. Was Blogger öffentlich machten, und die Auseinandersetzung weiter anheizte.
Der Putsch von 2014
Im Jahr 2014 erreichte die Internetnutzung in Thailand einen historischen Höhepunkt. Die Kommunikations-APP LINE wurde in Thailand von 22 Millionen angemeldeten Mitgliedern genutzt. Das ist die zweitgrößte Zahl weltweit nach Japan. Beobachter rechnen damit, dass LINE bald sogar Facebook in Thailand überholen wird. Viele nutzen LINE auf dem Mobiltelefon und Facebook auf dem heimischen Computer. Und natürlich ist die Cyber-Divison der politischen Polizei Thailands in der Lage, LINE lückenlos zu überwachen . „Um die öffentliche Ordnung, die Sicherheit und die Moral Thailands zu sichern“. Damit folgt LINE den anderen Internetanbietern wie Google, Twitter und YouTube, die schon länger eng mit der Regierung kooperieren.
Das Wahlergebnis, das die Regierungspartei als erneute Gewinnerin auswies, wurde von der Justiz, wegen der blockierten Wahlkreise, für ungültig erklärt. Ohne jedoch ernsthaft die Verursacher der Blockaden zu verfolgen. Die Regierung gab einen neuen Wahltermin bekannt, aber dann putschte das Militär, genau wie 2006, bevor „die falsche“ Partei erneut gewählt werden konnte.
Im Internet kursierten Fotos der Siegesfeier der Opposition. Denn genau was das Militär nun machte, war ihre Forderung gewesen: Keine Wahlen , aus denen wieder eine Regierung hervorgeht, die von „den ungebildeten Massen“ gewählt wurde.
Nach dem Putsch wurden hunderte von Aktivisten verhaftet, „vorgeladen“ und ermahnt, interniert und eingeschüchtert. Sie hatten gegen den erneuten Coup demonstriert, indem sie Plakate hoch gehalten hatten, und Lieder skandierten. Als die erste Verhaftungswelle klar machte, dass diese Art von Protest „illegal“ war, begannen Aktivisten damit, ein Handzeichen ohne Worte zu machen. Die mittleren drei Finger der Hand, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit darstellen sollten, wurden nach oben gereckt und der Daumen bedeckte den kleinen Finger als Zeichen des Schutzes Schwacher durch Stärkere. Und immer wurden die neuen Zeichen blitzschnell über die sozialen Medien verbreitet.
Auch hatten die Aktivisten gelernt, die Beobachtung des Internets durch die Polizei zur Irreführung zu nutzen. So wurde eine Demonstration am Demokratiedenkmal angekündigt, wo dann starke Armeekräfte auf die Demonstranten warteten. Während in Wirklichkeit 5 Minuten vor der Zeit der neue Demonstrationsort über Twitter und Facebook verbreitet wurde. Aber auch dagegen fand die Armee bald ein Rezept. Da sie auf fast unbegrenzte Personalressourcen zurückgreifen konnte, verteilte sie Soldaten in Zivil an allen kritischen Punkten. Und zusätzlich wurden Prämien ausgesetzt, für die Verhaftung von „Rädelsführern“ von Spontandemonstrationen, oder Flashmobs.
Immer mehr Soldaten in Zivil nahmen Menschen fest, verschleppten Sie, und von einigen weiß man nicht, wohin sie gebracht wurden. Darüber berichteten dutzende von Handy-Videos im Internet, von denen inzwischen die meisten wieder verschwunden sind. Dann begannen Aktivisten in Gruppen zu 4 (Versammlungen ab 5 waren verboten) still im öffentlichen Raum zu sitzen, und wissenschaftliche Bücher, über Diktatur und Demokratie, zu lesen, bis auch das als Provokation gewertet wurde, und erste Verhaftungen auch solche Zeichen des Stillen Widerstandes brachen.
Schon 2010 hatten Demokratieaktivisten in Thailand das Baguette, als Hinweis auf die Französische Revolution, in den öffentlichen Raum eingebracht. Da das demonstrative Tragen eines Baguettes nun 2014 verfolgt wurde, begann man Sandwiches still aber demonstrativ auf öffentlichen Plätzen einzeln, oder in Gruppen zu 2-3 Menschen, zu essen. Bis auch das zu Verhaftungen führte.
Nach dem Putsch vom 22. Mai 2014 wurden noch mehr Cyber-Spezialeinheiten aufgebaut. Sie verfolgten auch akademische Webseiten, wie New Mandala. Akademiker, die im Ausland kritische Artikel veröffentlichten wurden nach Bangkok vorgeladen, wenn sie sich weigerten, dem Folge zu leisten, wurde ihr Pass für ungültig erklärt. So geschehen z.B. Professor Pavin Chachavalpongpun, gegen den sogar ein Haftbefehl ausgestellt wurde.
Facebook spielt bei der Verfolgung von Regierungsgegnern inzwischen eine tragende Rolle. Seit 2006 hatten die Machthaber dazu gelernt und ein Heer an Mitarbeitern darauf angesetzt, die sozialen Medien zu kontrollieren, besonders auffällige von ihnen, in Thailand zu blockieren, und aus den sozialen Netzwerken Beweise zu generieren, um Aktivisten den Prozess zu machen. Weitere Beispiele :
Noch nie in der Geschichte Thailands waren so viele Verfahren wegen „Majestätsbeleidigung“ (und Verstoß gegen „Computerkriminalität“) eröffnet wurden wie 2014. Dutzende von Dissidenten verbringen seit den letzten Demonstrationen im Jahr 2010 ihr Leben im Gefängnis, hunderte kamen nun hinzu, Ausgang ungewiss.
Auf Grund der zögerlichen Haltung, des insbesondere westlichen Auslandes, lief der Protest, auf den Straßen und im Internet, weitgehend ins Leere. In Deutschland berichtete der Deutschlandfunk am 22.05.2014, dass das Militär „die Kontrolle übernommen“ hätte, und wiederholte die Behauptungen des Militärs „lediglich die politischen Gegner an den Verhandlungstisch bringen zu wollen“. Die Öffentlich rechtlichen Medien taten sich schwer, mehr als Stellungnahmen der Junta zu verbreiten. Einzelne Lichtblicke waren zu sehen, aber im Allgemeinen wurden offizielle Stellungnahmen wieder gegeben. Kritische deutschsprachige Internetseiten waren praktisch nicht mehr vorhanden, nachdem die Seite „schoenes-thailand.de“, auf Grund von Denunziationen, den Betrieb eingestellt hatte. So dass große Teile des thailändischen Widerstandes, gar nicht in das Bewusstsein der deutschsprachigen Ausländer drangen.
Während das nationale Fernsehen streng zensiert wurde, und zum großen Teil sowieso unter der absoluten Kontrolle des Militärs steht, enttäuschten auch die internationalen Sender. Sie machten sich über den Putsch lustig, teilweise wurden aus Nachrichten Satiresendungen, aber eine scharfe politische Reaktion mit Forderungen an die Politiker im eigenen Land, blieb aus.
FAZIT
Die modernen Medien wie Facebook, Twitter oder Blogs, haben nur eine beschränkte Wirkung. Die Machthaber hatten gelernt, die Informationen dieser Seiten für die Beobachtung, und notfalls Verfolgung ihrer Kritiker oder Gegner zu nutzen. Das zeigt, dass nur mit großem finanziellen Aufwand, wie z.B. während des gewaltsamen Umsturzes in der Ukraine, dem, wie Vertreter der USA erklärten, mit 5 Milliarden US-Dollar zur „Demokratisierung“ geholfen worden war, und nur mit größtem politischen Druck des Auslandes, soziale Medien Wirkung entfalten können. Wobei interessant ist, dass ein Wissenschaftlerteam inzwischen 15.000 gefälschte Twitter-Profile entlarvte, die Propaganda für den Machwechsel in der Ukraine verbreiten.
Statt mehr Demokratie zu bringen, hat das Internet geholfen, illegale Angriffskriege propagandistisch vorzubereiten und akzeptabel zu machen, oft unter Ausnutzung des "Guten Glaubens" seiner Nutzer, die Informationen wären keine Propaganda.
Und so zeigt sich das Militär in Thailand, m.E. stellvertretend für die Elite überall auf der Welt, bisher vollkommen unbeeindruckt von Sozialen Medien. Sie kontrollieren, entweder mit Gewalt, Gesetzen oder einfach stillschweigender Übereinstimmung, die Massenmedien, und zunehmend auch das Internet. Andererseits dienen soziale Medien inzwischen dazu, „Rädelsführer“ einfacher zu identifizieren, zu verfolgen, und notfalls auszuschalten. Spätestens seit wir wissen, dass Meta-Daten, also wer mit wem, wie oft, und wie lange, kommuniziert, den Geheimdiensten wichtiger erscheint, als Inhalte, ist klar, dass die totale Kontrolle hinter der nächsten Krise, dem nächsten Terroranschlag lauern kann.
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Bemerkung: Redshirt ist kein Hinweis auf linke oder sozialistische Bewegungen. Das ROT der Hemden sollten die Nein-Forderung gegenüber der Militärverfassung von 2007 demonstrieren, nachdem grüne Hemden 1997 Werbung für die erste demokratische „Volksverfassung“ seit 1946 gemacht hatten.
Immer wieder wird behauptet, dass die modernen Medien das Ende von autokratischen oder totalitären Systemen wären, weil soziale Medien und globalisierte Nachrichten es unmöglich machen würden, den freien Informationsfluss zu kontrollieren. Tatsächlich muss man diese These in Frage stellen. Weltweit spielen „Die Medien“ nicht mehr die Rolle eines Aufpassers. Nicht nur die klassische Gewaltenteilung wurde in vielen Ländern, wie z.B. Deutschland, längst unterminiert, sondern Journalisten stellen längst keine „Vierte Macht“ mehr dar. Medien gehören einer immer kleiner werdenden Zahl von Eigentümern, die ihre politische und wirtschaftliche Agenda verfolgen, die identisch mit der das Kapital beherrschenden Eliten ist, und meist auch weitgehend mit der der politischen Elite übereinstimmt. Daher spielt es keine Rolle, ob die Fernsehsender, wie in Thailand, direkt dem Militär gehören, oder, wie die The Nation-Gruppe, privaten Eigentümern. Deutlich wurde das, als ein Co-Eigentümer der Gruppe, offensichtlich zur Belohnung nach medialer Unterstützung des Putsches von 2006, Intendant eines enteigneten kritischen privaten Fernsehsenders (iTV) wurde, der, wie bemängelt wurde, seinen Nachrichtenanteil gegenüber Unterhaltungsanteil von 30 auf 50% erhöht hatte.
Zu Beginn des Internets war die Hoffnung, dass es, mit seinen enormen Möglichkeiten der Informationsvermittlung, als Ersatz für die leicht kontrollierbaren Massenmedien, die Rolle einer „Vierten Gewalt im Staat“ übernehmen könnte. Seit dem neuesten Militärputsch in Thailand vom 22. Mai 2014 stellt sich wieder einmal die Frage, welche Rolle moderne Medien für die Demokratisierung spielen, wenn es darum geht, zu verhindern, dass die Verfassung ent-demokratisiert, und Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Ich will zurückschauen, wie Aktivisten auf der einer Seite, und Putschisten und ihre Anhänger auf der anderen Seite, in der Vergangenheit versuchten, herkömmliche Medien wie Fernsehen und Radio, später moderne Medien im Internet, für ihre Zwecke einzuspannen. Dann die Reaktion und Gegenreaktion in der Vergangenheit, und in den ersten Wochen nach dem Coup von 2014, kurz analysieren. Am Schluss will ich eine Voraussage wagen, ob soziale Medien kurz- bzw. mittelfristig der Demokratisierung noch einmal eine Chance verschaffen.
Rückblick 2006
Die Verfassung von 1997 hatte zum ersten Mal seit der Verfassung von 1946, die schon 1947 durch einen Militärputsch vernichtet worden war, den Anspruch erfüllt, demokratisch genannt zu werden. So wurden z.B. Unter- und Oberhaus vollständig gewählt. Aber mit dem Putsch von 2006 wurde das Rad zurück gedreht. Das Militär änderte die Wahlordnung, passte die Wahlkreise an und erließ eine neue Verfassung, nach der die Hälfte der Oberhaussitze, durch mit ihnen sympathisierende Kreise, besetzt wurde. Dies unter wohlwollendem bis neutralen medialen Echo. Zensur wurde in unterschiedlichster Form praktiziert, um Abweichler auf Kurs zu bringen.
Als über 200 Politiker Berufsverbot erhielten, war das Medien-Echo durchgehend positiv, da dem eine pauschalisierende, jahrelange Diffamierungskampagne voraus gegangen war. Das reichte aber nicht aus. Sowohl in den folgenden Wahlen von 2007 als auch 2011, gewannen wieder, und zwar mit dramatischer Deutlichkeit, die angeblichen Unterstützer von „Terroristen“ und „Feinden der Monarchie“. Dies wird von Befürwortern der These, als Beleg für die Wirksamkeit des Internets gewertet. Tatsächlich aber kann es auch nur bedeuten, dass die Propaganda der Putschisten, und mit ihr sympathisierenden Kreisen, einfach zu grobschlächtig, zu durchsichtig war, so dass die Wähler keinen Anlass sahen, ihre Meinung zu ändern.
Im Jahr 2006 gab es bereits zahlreiche Blogs im Internet, die kritische Berichte über Politik, Militär und Putsch veröffentlichten. Aber im Fokus der Aufmerksamkeit standen noch die klassischen Medien, wie Zeitungen, Fernsehen, Radio. Ein Grund, den die Putschisten für ihre Machtübernahme nannten, war die angebliche Beherrschung der Medien durch Premierminister Thaksin Shinawatra. Wodurch es keine Meinungsfreiheit mehr gäbe. Dabei war 2006 die Situation genau entgegengesetzt:
".... Es ist nicht korrekt zu behaupten, dass „die derzeitige Regierung die Medien monopolisiert“. Nie zuvor in der thailändischen Geschichte hatte eine Regierung die Medien weniger kontrolliert. Man sollte nicht vergessen, dass bis in die 1990er Jahre MCOT eine Regierungsorganisation war, dass es damals keine Kabelanbieter gab und dass alle Radiostationen lizenziert waren. Heute: MCOT wird von Aktieninhabern kontrolliert, ITV wurde von Thaksin verkauft, Sondhi hat 8 Kanäle Satellitenfernsehen, die The Nation-Group hat ein dutzend Kanäle, und es gibt tausende von nicht lizenzierten Radiosendern. Jeder kann sich billig einen Piratensender aufbauen oder einen Satellitensender. Mehr könnte getan werden – MCOT sollte vollkommen privatisiert werden und die Armee sollte aus dem Fernsehgeschäft gezwungen werden (Aber ich glaube niemand hat den Mut es ihnen zu sagen, nicht einmal Thaksin). Der Mythos eines Regierungsmonopols ist einfach falsch...." (Siehe http://www.xinxii.com/der-coup-band-p-323698.html Seite 71 ff)
D.h. weder Premierminister Thaksin Shinawatra, noch seine Anhänger, sondern vielmehr seine Feinde, hatten ein quasi Oligopol über die thailändischen Medien. Aber eine Entwicklung hatte begonnen, in der die Menschen in Thailand immer mehr das Internet als alternative Informationsquelle zu nutzen begannen. 2006 bis zur Wahl 2007 war nur der Beginn einer Bewegung. Die Wirkung war aber zunächst nur beschränkt auf die Gruppe junger Gebildeter und Intellektueller.
Die Demokratiebewegung „United Front for Democracy Against Dictatorship (UDD)“ war zunächst ein kleiner Haufen ehemaliger Politiker und Anhänger der letzten gewählten Regierung Thailands. Sie hatte praktisch keine Propagandamittel, außerdem sorgten Demonstrationsverbote und Zensur dafür, dass ein ständiger Druck auf ihnen lastete. 2006 und 2007 boomten dann Chat-Blogs wie Pantip.com oder Sanook.com, die durch die Möglichkeit des politischen Meinungsaustauschs, innerhalb kürzester Zeit, zu den 10 beliebtesten Seiten Thailands wurden. Bis jedoch die Sicherheitskräfte einschritten, Benutzer, die „kritisch über die Monarchie“ schrieben, verhafteten und anklagten, und Webmaster bedrohten, die nicht genügend schnell, kritische Einträge zensierten.
Mitglieder der ehemaligen Regierungspartei Thai Rak Thai hatten nach dem Militärputsch 2006 eine eigene Fernsehstation gegründet, die PTV oder People’s Television. Sie nahm den Betrieb am 28.02.2007 auf . Die Reichweite des Senders war jedoch zunächst beschränkt. Und zu Beginn gehörten nur Aktivisten der alten Regierungspartei und der „Rothemden“ zu den Zuschauern.
Rückblick 2007
Die Nutzung des Internets für kritische Berichterstattung und Diskussion, über den Putsch und seine Folgen, fällt den Mächtigen des Landes auf. Das Information and Communications Technology Ministry sperrte am 04.04.2007, angeblich wegen Lèse-Majesté, den Zugang zu YouTube. Zuvor hatte sich Google, der Eigner von YouTube, geweigert, Video-Clips zu entfernen, die angeblich den König beleidigen sollten. Nach der Sperrung gab YouTube nach, und sagt Hilfe bei der Sperrung der Videos zu. Daraufhin wird die Blockade von You Tube für Thailand am 30. August aufgehoben. YouTube entwickelte eine Politik, von denen in der Zukunft auch andere Diktaturen und Autokratien profitieren sollten.
Webboards mit politischen Diskussionen werden geschlossen. Ihre Öffnung erfolgt erst nach Unterwerfung unter die Forderungen der Zensurbehörde. Über die beliebteste Info-Börse Pantip.com wurde am 11.04.2007 berichtet (Link 2016 aus Deutschland nicht mehr errreichbar):
"... Die Webseite www.pantip.com wiedereröffnete sein politisches Webboard „Ratchadamnoen Room“ gestern Nacht (am 10. April). Pantip hat die Nutzungsbedingungen im Detail mit dem Ministerium für Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) abgesprochen. … Pantip.com hat dem Ministerium versichert, dass man das Webboard aufmerksam kontrollieren wird, und hat die Nutzer auf die Forderungen des Ministeriums aufmerksam gemacht, und sie aufgefordert, keine Nachrichten mehr zu hinterlassen, die als Majestätsbeleidigung angesehen werden könnten. Das Ministerium hatte außerdem gefordert, dass keine Privatangelegenheiten von Kronräten mehr erwähnt werden dürften...."
Auf die Herausforderung von immer mehr Blogs, die kritisch gegenüber den Putschisten eingestellt waren, erließ die Putschregierung im Jahr 2007 ein neues Gesetz gegen „Computerkriminalität“.
Die The Nation vom 07.09.2007 veröffentlichte Einzelheiten über eine von mehreren Verhaftungen auf Grund des neuen Gesetzes:
"... Ein 37 Jahre alter Mann wurde für zwei Wochen in Bangkoks Untersuchungsgefängnis wegen Anklagen unter dem neuen Computer Straf-Gesetz festgehalten und nun auf Kaution frei gelassen, sagte die Quelle. Die Quelle bestätigte, dass der Mann der Webmaster von www.propaganda.forumotion.com wäre, auf der hauptsächlich Diskussionen über die Monarchie stattfinden. ... Der Webmaster, der in weiten Teilen der Cyber-Gemeinschaft als Phraya Phichai bekannt ist, wurde stillschweigend vor zwei Wochen verhaftet, und seitdem wird der Zugang zu der Webseite unterbunden. Phraya Phichai, ein Pseudonym, wurde das erste Opfer des neuen Computer-Straf-Gesetzes...."Wir erinnern uns, dass das Gesetz damit begründet wurde, kriminelle Hacker und Pornoanbieter verfolgen zu können. Am gleichen Tag wurde auch eine Frau verhaftet. Prachatai berichtete am 22.10.2007:
"...Die ungenannte Frau wurde nach Berichten am 24. August gegen Mittag verhaftet. Beamte, vielleicht vom Ministerium für Kommunikation und Technologie, und Polizei führten eine Hausdurchsuchung durch, indem sie die Tür aufbrachen, und Computer, ohne Vorliegen eines Durchsuchungsbefehls, beschlagnahmten. Eine Quelle besagte, dass die Inhaftierte Gesundheitsprobleme hat. Prachatai wurde erklärt, dass die Familie von der Inhaftierung informiert worden wäre, und dass diese wegen finanzieller Beschränkungen Probleme hätte, eine Kaution zu stellen...."In den letzten Tagen vor der Wahl von 2007 wurden innerhalb von 3 Tagen, durch die Putschregierung, und das handverlesene Parlament, 64 Gesetzentwürfe verabschiedet. Auch wenn nicht alle Lücken zur Verfolgung von Kritikern geschlossen wurden, so setzten sich in der Folge die Behörden einfach über die Gesetze hinweg, z.B. wenn es um die Sperrung von Webseiten ging. Oder sie konnten sich einer sympathisierenden Justiz sicher sein, so dass z.B. Internet-Sperrungen, ohne Ansicht der Fakten, auch in großen Paketen, durch Richter einfach durchgewinkt wurden.
Rückblick 2008
2008 verglich ein italienischer Journalist (Link 2016 nicht mehr erreichbar), die von Armee und Monarchisten unterstützten gewalttätigen Demonstranten, mit Entstehung des Faschismus, zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Europa. Im Guardian konnte man Ähnliches lesen. Das Militär versuchte, durch nationalistische Parolen, und einen kleinen Grenzkrieg mit Kambodscha, propagandistisch zu punkten. Sie wurde dabei durch den Fernsehsender ASTV von Sondhi Limthongkul, der 24 Stunden über die angeblichen Verbrechen der Regierung, und die Demonstrationen der Antidemokraten, berichtete, unterstützt. Und natürlich wirkte die Propaganda der Streitkräfte, die eigene Radio- und Fernsehsender betrieb, sowie die der privaten Sender, die sich nicht wagten, gegen den Strom zu schwimmen. ASTV war so wertvoll für das Militär und seine Unterstützer, dass es wunderbarerweise mindestens zweimal. von unbekannten Sponsoren. vor dem bereits erklärten Konkurs bewahrt wurde.
ASTV und seine Ableger hatten insbesondere Einfluss auf den Mittelstand in Bangkok. Dieser sah Thaksins Reformen, die die Landbevölkerung und Arme bevorzugte, als Gefahr für ihren frisch erworbenen bescheidenen Wohlstand an. ASTV war das propagandistische Rückgrat der antidemokratischen Bewegung. Die Regierung versuchte durch ihre Kontrolle staatlicher Gesellschaften gegenzusteuern, sah sich aber immer sofort in der Kritik der anderen Sender und der Printmedien, Propaganda zu betreiben.
Bereits zur Zeit von Thaksins Regierungen, war das ganze Kabinett regelmäßig für längere Zeit in die Provinzen gefahren, um sich vor Ort ein Bild zu machen, und Kabinettssitzungen öffentlich abzuhalten. Dies versuchte die neue Regierung weiterzuführen. Die Veranstaltungen wurden dann im staatlich kontrollierten Fernsehsender, und teilweise auch im Internet, übertragen. Aber durch die Kooperation von Armee, Justiz und Teilen der Monarchie, wurden immer mehr Protagonisten der Regierung, wegen allen möglichen angeblichen Verbrechen verfolgt. So z.B. Jakrapob Penkair, ein Regierungssprecher unter Thaksin, und Minister für staatliche Medien 2008, der die staatlichen TV-Kanäle reformieren wollte. Ihm wurde Majestätsbeleidigung vorgeworfen, worauf er unter dem Druck der drohenden Anklage zurücktreten musste. Er lebt seitdem im Exil.
Ende des Jahres 2008 schließlich, nachdem gewaltsame Demonstranten, unter Live-Berichterstattung von ASTV, und anderen Sendern, die internationalen Flughäfen besetzt hatten, entmachtete ein Justizcoup die gewählte Regierung, und ebnete durch neue Berufsverbote einer Regierung den Weg, die durch das Militär zusammengestellt worden war.
Die Chat-Webseiten von Pantip und Yahoo hatten 2008 ihren Höhepunkt erreicht, worauf die Armee und Justiz Sondereinheiten bildeten, um eine systematische Verfolgung von Kritikern im Internet zu starten.
Rückblick 2009
Mit dem Beginn der Demonstrationen gegen den Regierungswechsel nach dem „Justizputsch“, begann Anfang 2009 die Demokratiebewegung, unterstützt von Mitgliedern der früheren Regierung, mit einem eigenen Sender, der „Democracy Station“. Der Sender wurde am 19.01.2009 gegründet und nahm den 24-Stunden-Betrieb am 01.03.2009 auf. Der Sender wurde über Satellit ausgestrahlt und teilweise im Internet gestreamt, wodurch er schnell zu einem gefragten alternativen Informationskanal wurde.
Maßgeblich mit Hilfe dieses Senders, mobilisierte die UDD, innerhalb von 5 Monaten, hunderttausende Menschen im ganzen Land. Alleine in Bangkok trafen im April über 100.000 Demonstranten für eine große und friedliche Demonstration ein.
Schließlich wurden aber die Demonstrationen von der Armee mit Kriegswaffeneinsatz aufgelöst, 120 Menschen wurden mit schweren Schussverletzungen in Krankenhäusern behandelt, 6 Tote waren zu beklagen. Eine unbekannte Zahl von Verletzten entstand durch den Einsatz ziviler Milizen, die das Innenministerium zusammengestellt hatte (Blauhemden). Der Sender der UDD wurde am 11. bzw. 12. /13. April geschlossen, alle Radiostationen und sogar Fotokopierer und Computer, mit denen angeblich Verbrechen gegen das Computer Straf-Gesetz begangen worden waren, wurden beschlagnahmt oder zerstört. Natürlich wurden alle kritischen Webseiten geschlossen, oder blockiert, wenn sie im Ausland gehostet wurden. Die Protagonisten wurden verhaftet oder tauchten unter, und suchten Schutz im Ausland, wegen Verstößen gegen diverse Gesetze angeklagt.
Die UDD hatte ihre Führung und ihre Kommunikationsmedien verloren, denn 2009 war die Kontrolle über das Internet bereits wesentlich verbessert.
Aber der Erfolg war nicht so vollkommen wie gedacht. Sobald der Ausnahmezustand aufgehoben war, entstanden viele neue Internetseiten, kleine Zeitungen, Radiostationen, die den Widerstand aufnahmen. Vorsichtiger als vorher, weniger direkt in der Kritik, aber standhaft. Und neue Führer übernahmen das Ruder. Viele Menschen, die bisher der Bewegung eher kritisch gegenüber gestanden waren, da sie diese als verlängerten Arm der alten Regierung angesehen hatten, begannen nun mit der UDD zu sympathisieren. Einer von ihnen war Nattakorn Devakula, genannt „KhunPleum“ ein politischer Kommentator im Fernsehen.
Der ehemalige Premierminister Thaksin Shinawatra begann den Betrieb eines Fernsehsenders im Internet, „Voice TV“. Er war nicht eindeutig Teil der UDD, sondern betrieb sehr vorsichtige Kritik, auf hohem intellektuellem Niveau. Und einer seiner wichtigsten politischen Redakteure war Khun Pleum. Selbst entfernt mit der königlichen Familie verwandt, und mit einem Vater, der ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident der Militärjunta war, konnte er mehr wagen als jeder andere, und er ging jeweils bis an die Grenzen. Da aber die Sendungen nur im Internet, und nur mit einem guten Internetanschluss empfangen werden konnten, blieb die Breitenwirkung gering.
Internetseiten, die auftauchten, wurden inzwischen durch spezielle Polizeieinheiten aufgespürt und meist nach kurzer Zeit blockiert. Am 30.07.2009 wurde die offizielle Zahl der blockierten Seiten mit 16.944 angegeben, davon ca. 11.000 aus Gründen der „Nationalen Sicherheit“. Die Verhaftungen nahmen noch einmal zu, und sandten folgende klare Signale an die thailändische Bevölkerung und Ausländer, die sich für Thailand interessierten:
- Wer ausländische Nachrichten, einem thailändischen Publikum, in Thai, zur Verfügung stellt muss möglicherweise mit Konsequenzen rechnen
- Kommentatoren von Webseiten sollten weiter eingeschüchtert werden, ein mögliches zukünftiges Verbot durch immer neue Vorwürfe untermauert werden.
- Falls der König wirklich schwer krank sein, oder sogar sterben sollte, ist jedes Wort darüber, das nicht von der Public Relation Abteilung der Regierung stammt, mit Gefängnis bedroht.
Aber auch die Regierung der Putschisten hatte das Internet für ihre Zwecke entdeckt. Freiwillige wurden geschult und in einem Zentrum der Polizei eingesetzt, um gezielt Meinung in Foren zu vertreten und Kritiker zu denunzieren. Und die Regierung startete die Webseite www.ilovethailand.org. Während sie heute eine allgemeine Werbung für Thailandurlauber darstellt, war sie 2009 zur Aktivierung von nationalistischen und monarchistischen Ideen gedacht. Zum Beispiel wurden auf der Seite geschichtlich vollkommen verfälschte Darstellungen über „verlorene Territorien“ veröffentlicht. Wodurch der Fokus auf Laos und Kambodscha als Feindstaaten gerichtet werden sollte. In Kambodscha wurde daraufhin prompt die Seite www.ilovekhmer.org eröffnet, die propagandistisch dagegen hielt, inzwischen auch aufgegeben wurde.
Die thailändische Seite warb um Artikel, die folgenden Ansprüchen genügen sollte:
- Diese Seite ist für alle Thais
- Kommentare müssen die Liebe und den Respekt zu Thailand zeigen
- Meinungen dürfen andere Mitglieder nicht angreifen
- Meinungen sollten vorzeigbar formuliert sein
- Kommentare dürfen nicht die Nation, Religion oder den König beleidigen
- Autoren müssen Thailand mehr lieben als ihr Leben
- Wer auch immer diese Regeln bricht, muss mit entsprechenden Konsequenzen rechnen.
Eigentlich sollten Webseitenblockierungen nach einem Gesetz aus 2007 nur nach richterlicher Anordnung möglich sein. Aber keine der Regierungen hatte sich seitdem darum gekümmert. Erst in der Woche vor der Veröffentlichung hatte die ICT-Ministerin Ranongruk Suwunchwee, in einem Interview, erklärt, dass die Polizei Seiten blockieren würde, schon mal im Vorgriff auf den Gerichtsbeschluss, weil der so lange auf sich warten lassen würde.
Besonders drastisch wurde das Gesetz gegen Computerkriminalität von 2007 nun eingesetzt, um gegen Kritiker vorzugehen. Awzar Thi „Rule of Lords“ (Link 2016 nicht mehr erreichbar), verglich die thailändische Gesetzgebung 2009, mit der von Myanmar. Sein Fazit:
"... Auch wenn das Gesetz in Burma weit reichender und seine Strafen härter sind, ist der Grundsatz der gleiche wie in Thailand. Die zwei Gesetze werden in bemerkenswert unterschiedlichen Zusammenhängen angewandt, und mit unterschiedlichen Ausprägungen, aber sie haben einen gemeinen Zweck.2009 sammelten die Rothemden der UDD über 5,3 Millionen Unterschriften für eine Petition, die eine Amnestie für den ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra, und eine Rückkehr zur Verfassung von 1997 verlangte. Und das trotz erheblicher Drohungen und propagandistische Verteufelung, in praktisch allen Printmedien und Fernsehsendern Thailands (außer dem Kanal der UDD und Voice 21 im Internet). Am 17. August, wurden unter Begleitung von 1000 buddhistischen Mönchen, und 1500 Vertretern der UDD, die Petition in mehr als 600 Kisten, beim ersten Sekretär des Königs deponiert. Sie hatte natürlich niemals irgendeine Folge.
....... Der gemeinsame Nenner geht wie folgt: Sie als Computer-Benutzer, könnten etwas tun, was wir nicht wissen und nicht verstehen. Wir respektieren Sie nicht, und wir haben Angst vor Ihrer Technologie. Wir wissen nicht, was wir davon halten sollen und deshalb haben wir eine Kategorie von Verboten erlassen, die auf praktische jede Nutzung des Internet angewandt werden kann, und wir werden entscheiden, was zu tun ist, oder was nicht, von Fall zu Fall.
....Auch wenn die Größenordnung des Missbrauchs in Burma, und die Rachsucht der Regierung in Burma, weit die von Thailand übersteigen, sind die Computergesetze in den beiden Ländern nicht substantiell unterschiedlich. Sie sind in jeder Hinsicht ein Angriff auf die Menschenrechte, und in ihrer freimütigen Auslegung verstoßen sie selbst gegen Gesetze. Sie sind illegale Gesetze. Sie sind eine Beleidigung für Millionen von Internetnutzern, die eine bessere Behandlung verdient hätten ....."
Rückblick 2010 - Das Jahr des Massakers
Am 15. Juni 2009 begann ein Fernsehsender „People Channel“ der UDD, Sendungen erneut 24 Stunden auszustrahlen. Im Oktober wurde ein Logo eingeführt, das fast gleich zu dem früher verwendeten aussah. 2010 lieferte der UDD-Sender politische Informationen, Meinungen, Berichte über Demonstrationen. Er war das Rückgrat, der wie Phoenix aus der Asche, innerhalb eines halben Jahres, neu entstandenen Demokratiebewegung. Die Station wurde dann aber, im Rahmen der blutigsten Massaker an Demonstranten seit 1976, am 19. Mai 2010, durch das Militär geschlossen.
Neben den sozialen Medien wurden sowohl vom Militär, als auch den Aktivisten, eigene Fernseh- und Radiosender für ihre Propaganda genutzt. Allerdings hatte die Armee 2009, 2010 und jetzt 2014 jeweils praktisch alle Sender ausgeschaltet.
Im Jahr 2010 hatten dann beide Seiten versucht, für sich Profit aus öffentlichen Verhandlungen, übertragen durch staatliche Fernsehsender, zu schlagen. Es hatte, wie es schien, historisch erste direkte Verhandlungen zwischen der vom Militär unterstützten Regierung, und der Demokratiebewegung, live übertragen im Fernsehen, gegeben. Die Demonstranten meldeten nur eine einzige Forderung an: Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Sie hatten die Forderung nach einer Wiedereinsetzung der Verfassung von 1997 ausdrücklich nicht in die Verhandlungen eingebracht. AP berichtete (Link 2016 nicht mehr erreichbar):
"...{Premierminister} Abhisit hatte am Morgen gesagt, dass er sich einem Ultimatum {die Verhandlungen zu führen} nicht beugen würde. Zwei Stunden später stimmte er Gesprächen zu. … „Um einen Weg zu finden, den Frieden wieder zu errichten, und die Gefahr von Gewalt zu verringern, hat der PM die Bedingung akzeptiert, mit den Demonstranten zu verhandeln“, sagte ein Mitarbeiter von Abhisit in einer kurzen Stellungnahme im Fernsehen...."Es folgte die Übertragung der Gespräche zwischen Regierung und UDD im Fernsehen. Während die Aktivisten zahlreiche konkrete Vorschläge unterbreiteten, wich die Regierung jedoch aus, und übte sich in Rhetorik. Besonders Premierminister Abhisit, der neben dem thailändischen, auch einen britischen Pass hat, und in den besten Eliteschulen Englands aufgezogen wurde, konnte seine schon in der britischen Eliteschule trainierte Rhetorik, einsetzen. Schließlich aber wird offensichtlich, dass die Regierung keine Anstalten machte, über die Forderungen der Aktivisten zu verhandeln. In einem Live-Blog wurde berichtet:
"... {Abhisit sagte:}„Manche sagen ich sollte das Parlament nicht auflösen, aber ich kam heute um mit Ihnen zu reden. Wir können uns hinsetzen und den Rahmen für weitere Gespräche besprechen …“ …Damit ist die Katze aus dem Sack. Abhisit wird nicht auflösen, sondern versucht nur Zeit zu gewinnen um in der Öffentlichkeit als konzilianter Gesprächspartner angesehen zu werden. Ich glaube die Enttäuschung in den Gesichtern der Verhandlungsführer der UDD zu erkennen. Jatuporn reibt sich am Kinn, Dr. Weng neigt den Kopf in die Schräge und Veera lächelt und fasst sich an den Kopf. ..."Spätere Äußerungen von Abhisit nach dem Massaker vom 19. Mai 2010 bestätigten diese Annahme. Ebenso wie von der zweitgrößten Tageszeitung Thailands, Matichon am 26.06.2011 veröffentlichte Artikel über Beiträge in militärischen Fachzeitschriften (https://www.schoenes-thailand.de/startseite/enthuellungen/8122-bericht-ueber-die-rolle-der-armee-waehrend-der-niederschlagung (Link 2016 nicht mehr verfügbar).
Aussagen von hohen Militärs, die angeblich bereit wären, in einem Prozess in Den Haag auszusagen, deckten sich mit den Artikeln und zeigten, dass von Anfang an die militärische Zerschlagung der Demokratiebewegung, die einzige diskutierte Option war. Und die Fernsehdiskussion lediglich Teil einer Strategie, die öffentliche Meinung dazu zu bringen, den Militäreinsatz zu akzeptieren. (Ausführlichere Analyse in http://www.xinxii.com/gratis/114070dir1315395432.pdf Seite 14-17)
2010 war die Nutzung des Mediums Fernsehen für die Aktivisten zu einer Falle geworden. Aber sie hatten ja auch ihren eigenen Fernsehsender. Die Satellitenübertragung war zwar vom Militär gewaltsam unterbrochen worden, aber immer wieder wurden Bilder des Senders im Internet gestreamt. Und der Sender berichtete noch, als die Schüsse bei der Erstürmung der letzten Zelte der Demokratieaktivisten zu hören waren. Die Senderinhalte wiederum wurden über Live-Blogs und Twitter-Meldungen an jene verbreitet, die den Stream nicht sehen konnten. Damit war die Verheiratung des Mediums TV mit dem Medium Internet zu einem Mittel geworden, auf das die Armee 2010 noch keine wirkliche Antwort hatte.
Eine Antwort hatte sie jedoch gegen unliebsame Kritik aus dem Internet. Chiranuch Premchaiporn, die Webmasterin eines absolut unabhängigen Online Magazins, gegründet von NGO-Führern und Thaksin-Kritikern, wurde mit einer Haftstrafe von 50 Jahren wegen Lése Majèsté bedroht, da sie angeblich den König beleidigende Postings, nicht schnell genug gelöscht hatte. Prachatai.com verlegte sein Webhosting daraufhin ins Ausland, beließ aber die Redaktionen in Thailand. Die Blog- und Kommentarseiten wurden jedoch „zur Sicherheit unserer Leser“ aufgegeben.
Die Verhaftungen häuften sich erneut. Inzwischen wurde wohl langsam auch den "Panzerliberalen" klar, dass die Unterdrückung auch vor Ihnen nicht halt machen würde. Die The Nation schrieb z.B. am 05. April 2010 über das Gesetz gegen Computerkriminalität:
… Suvicha Thakor, ein Blogger, erhielt eine Strafe von 20 Jahren unter dem gleichen Gesetz. …. Unter dem Gesetz wurden sechs weitere Personen verhaftet aber die Ankläger haben noch die Anklage zu erheben. …Orchestriert zum Beginn des Massakers, steigerten sich, im inzwischen durch die Regierung gut genutzten Internet, und allen Fernsehsendern, (außer dem der UDD,) die Propaganda gegen die Demonstrationen der Rothemden. Marc Askew, ein Hochschullehrer für Anthropologie an der Universität in Melbourne, der zu der Zeit in Bangkok war, schrieb 2010:
"... Die andere wichtigste Entwicklung, ist die Verstärkung und Ermunterung der paranoiden Diskussion, über die „Nation und Monarchie in Gefahr“. Nach der Ausrufung des Ausnahmezustandes, zeigte am 8. April der Kabelsender TAN den Beitrag „Political Hot Pot“, moderiert von Sophon Ongkara, der die Regierung beschimpfte zu wenig zu tun, und das dann zu spät. Er verdammte die Rothemden als „eine Bande von Schlägern“ die „für Thaksins Ziele arbeiten um die Monarchie zu beseitigen“. … Es dürfte nicht überraschen, dass viele besorgte Beobachter in Thailand, nun die Atmosphäre, mit dem durch konservative Kräfte verursachten Massaker, gegen demonstrierende Studenten im Oktober 1976, vergleichen...."Fernsehen, Internetseiten von so genannten Neutralen, oder „ohne Farbe Hemden“, die in Wirklichkeit von den gleichen Vertretern der gewalttätigen Demonstrationen von 2008 betrieben wurden, die den Sturz der gewählten Regierung durch Gerichte vorbereitet hatten, Printmedien … standen einem einzigen Fernsehsender, der immer wieder unterbrochen wurde, und einer immer wieder geänderten Anzahl von Seiten im Internet, gegenüber.
Die Bilder der Demonstrationen gingen trotzdem immer wieder live um die Welt. Und auch in Deutschland, konnte man die Demonstrationen, ebenso wie die Trauer um die Getöteten, verfolgen, und verbrachte manche Nacht vor dem Fernseher, wenn z.B. über die Seite www.uddthailand.com, ein Stream verbreitet wurde. Aber es bewirkte nichts bei den wichtigsten Partnern Thailands. Außer ein paar harten Worten durch einige Europaabgeordnete, blieb der „Freie Westen“ stumm. Allenfalls Lippenbekenntnisse wurden verbreitet. In den USA wurden die Demonstranten auf öffentlichen Informationsveranstaltungen, durch Vertreter der US-Regierung, und der Regierung Thailands, bzw. von Kongressabgeordneten, als „Terroristen“ beschrieben. Im April 2010 war nach Aussagen von Tulsatit Taptim, eines Redakteurs der „The Nation“, die Zahl der blockierten Webseiten auf 300 pro Tag angewachsen.
Am 10. April 2010 begann das größte Massaker seit 1976. In der ersten Nacht des gewaltsamen Vorgehens des Militärs gegen Demonstranten, starben dutzende, hunderte wurden verhaftet. Auslöser war angeblich eine nie aufgeklärte Explosion, in den Reihen der schwer bewaffneten Soldaten, gewesen, die sich zum Angriff versammelt hatten. Nach dem 10. April waren nur noch zivile Opfer zu beklagen . Am 19. Mai, dem Tag des letzten Angriffs auf die Zeltstadt der Demonstranten, waren über 90 Tote und ca. 4000 Verletzte gezählt worden. Wobei nur solche Verletzungen überhaupt registriert wurden, die schwere dauerhafte Folgen hinterlassen hatten. So traten später Menschen auf, denen die Hälfte der Schädeldecke fehlte, und die nur wie durch ein Wunder, die Schüsse der Scharfschützen der Armee, überlebt hatten.
Während dieser Zeit wurde das Internet überflutet mit Handy-Videos, aber auch semi-professionellen Videos und unendlich vielen Fotos, die die Übergriffe der Armee dokumentierten. Augenzeugenberichte ausländischer Journalisten ergänzten sie. Blogs berichteten, teilweise als Live-Blogging. Aber die Übergriffe der Armee wurden dadurch nicht verhindert oder gemildert. Stattdessen wurden offensichtlich Journalisten und Blogger, Ziele für tödliche Schüsse und Angriffe.
Die Welt reagierte „besorgt“ ging aber ungehindert ihren Geschäften mit Thailand nach. (Man vergleiche das mit dem Auftreten der westlichen Politiker während der Unruhen auf dem Maidan.) Ein Beispiel stellt das Schicksal von Fabio Polenghi dar. Der italienische Fotojournalist wurde offensichtlich bewusst und gezielt erschossen. Er hatte in seinen Taschen Skizzen der Standorte von Scharfschützen der Armee, die tödliche Schüsse auf Demonstranten abgaben.
Am 14.05.2010 scheinen die thailändischen Machthaber den Befehl, „Feuer Frei“ auf Journalisten und Blogger mit Kameras, gegeben zu haben. Der kanadische Journalist Nelson Rand z.B., wurde am 14.05.2010, mit drei Schüssen, aus den Waffen der Armee, in ein Krankenhaus gebracht, und notoperiert. Er wurde am Bein, im Bauch und an der Hüfte, insgesamt lebensgefährlich verletzt. Sein Sender France24 war der erste gewesen, der am 10.04.2010, Bilder von Soldaten gesendet hatte, die mit scharfer Munition, in die Menge der Demonstranten schossen, obwohl die Regierung noch behauptet hatte, dass Soldaten nur Warnschüsse abgegeben hätten. Nachdem Nelson aus der Narkose aufgewacht war erklärte er: „Ich kann bestätigen, dass die Armee die einzige Seite war, die Schusswaffen eingesetzt hat.“ Aber das war nur der vorläufige Höhepunkt einer Serie von Schüssen auf fotografierende und filmende Zeugen des Vorrückens des Militärs.
Aber die Beweise, die tausenden von Fotos, Videos, auch von offiziellen Stellen, sind in großer Zahl aus dem Internet verschwunden. In einem AFP-Video konnte man ab Minute 2 sehen, wie ein vollkommen gewaltfreier Beobachter mit Videokamera, einen Kopfschuss erhielt. (Und eine Kugel ins Bein und in den Rücken). Es war ein Blogger, der Aufnahmen für seinen Webblog machen wollte.
Alleine am 14.05.2010 wurden 11 Zivilisten getötet, davon waren 5 Journalisten und Blogger. (Ein Soldat wurde durch Schüsse der eigenen Kameraden getötet.) Die Vereinigte Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD) hatte in diesen Tagen immer wieder erklärt: „Unsere Waffen sind unsere Hände und unsere Kameras. Wir fordern jeden auf, der eine Videokamera hat, eine Mobiltelefon mit Kamera: Macht Aufnahmen und stellt sicher, dass die Welt erfährt, was hier in Thailand passiert“. Die Armee hat diese Waffen offenbar ernst genommen.
Ein englischer Blogger, Andrew Spooner, schrieb damals: "Die Regeln für den Schusswaffengebrauch scheinen klar: Schießt französische Journalisten mindestens drei Mal. Für englische reicht ein Schuss, thailändische Blogger erhalten einen Schuss in den Kopf".
Aber die Morde blieben trotz der Beweislage ungesühnt. Insofern versagte das Medium Internet und die Ergebnisse der Gewaltexzesse sind nicht anders als 1973, 1976 und 1992.
Die Politik der Armee hatte offensichtlich Erfolg. Die internationalen Agenturen hielten sich ebenso mit scharfer Kritik, und Forderungen an die eigene Politik, zurück, wie Fernsehsender und Zeitungen. Andrew MacGregor Marshall hatte 17 Jahre für Reuters gearbeitet, und war 2003 bis 2005 Bürochef in Bagdhad gewesen, wurde dann zum Analysten, mit Basis in Singapur. Als er Zugang zu Wikileaks-Dokumenten erhielt, wollte er über die thailändische Politik objektiviert berichten, was ihm von seinen Vorgesetzten verboten wurde. Er kündigte daraufhin und bloggt jetzt als ZenJournalist über Thailand und die Region.
Aber seine Veröffentlichungen, so wie die des ins Exil geflüchteten Hochschullehrers Giles Ji Ungpakorn, oder die hervorragenden Bücher von Federico Ferrara, der zu dem Zeitpunkt in Singapur lehrte, dann an die Universität von Hongkong wechselte, oder anderer, auch thailändischer Blogger, Wissenschaftler und Journalisten, blieben weitgehend ohne Wirkung, auf die internationale Politik, und die Verhältnisse in Thailand.
Der Druck auf jede Art von Kritik erreichte kurz nach der gewaltsamen Zerschlagung der UDD ihren Höhepunkt. Der Redakteurin von Prachatai, Chiranuch Premchaiporn, die zunächst mit 50 Jahren Gefängnis bedroht worden war, wurden nun 68 Jahre als mögliches Strafmaß vorgerechnet. Der Journalist Jonathan Head wurde mit einem halben Dutzend Anzeigen, je mit 15 Jahren Gefängnisandrohung, konfrontiert, bis ihn die BBC aus der Schusslinie nahm, und in die Türkei versetzte. Der Journalist Dan Rivers von CNN verließ frustriert Thailand, weil er auf der Straße verfolgt wurde, bedroht, und ohne Zugang zu Interviews mit Politikern oder Militärs war.
Die Verhaftung, das Verschwinden und die Einschüchterung von weniger prominenten Bloggern wurde oft gar nicht bekannt.
Rückblick 2011
Wer nach dem Blutbad glaubte, dass die Demokratiebewegung nun endgültig zerstört wäre, der wurde nach wenigen Monaten, und sofort nach Aufhebung des Ausnahmezustandes, eines Anderen belehrt. Besonders in den Provinzen im Norden und Nordosten, hatte der Widerstand nie aufgehört. Studenten organisierten Vorlesungen für Bauern über Politik und Gesellschaft, illegale Radiosender tauchten wieder auf, und natürlich CDs und DVDs, mit Kopien von Bildern, Videos und Texten, aus dem weitgehend gesperrten Internet.
Und schon im April begannen wieder größere Demonstrationen. Als der Druck offenbar wieder anwuchs, erklärte die mit dem Militär kooperierende Regierung, das Parlament im Mai auflösen zu wollen, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Ein Jahr zuvor hatte man ein Massaker in Kauf genommen, um Neuwahlen zu verhindern, und nun sollten sie plötzlich stattfinden? Das Militär glaubte offensichtlich, mit der Stigmatisierung der Opposition als Terroristen, die ein Teil Bangkoks in Brand gesetzt haben sollten, oder gegen die „Terroristen-Freunde“, ausreichend Chancen bei Wahlen zu haben. Viele Videos waren inzwischen vom Internet verschwunden, das Blockieren von Webseiten wurde immer engmaschiger, und schließlich glaubte General Prayuth, der Armeechef, als „Beschützer des Königs“, Wähler für die Democrat Party mobilisieren zu können. Ein Jahr unglaublicher Falschinformationen, Propaganda und Zensur, konnte nicht ohne Folgen geblieben sein, schien die Elite zu glauben. Prayuth ging so weit, im Fernsehen zu erklären, dass die Wähler die Wahl hätten zwischen „Feinden des Königs“ und ihren Beschützern. Es war der letzte Schritt, um die Monarchie endgültig in die politische Auseinandersetzung hinein zu ziehen.
Als die „falsche Partei“ mit einem Erdrutschsieg, trotz Manipulationen und aller erdenklichen Tricks, die Wahl gewonnen hatte, da hatte dank der Aussagen des Armeechefs, auch das Image der Monarchie einen letzten und größten Schaden erlitten. Es war klar geworden, dass eine überwiegende Mehrheit der Wähler, die Monarchie nicht mehr als Beschützer und Wohltäter anerkennen wollte.
Und sofort nach der Wahl erschienen neue Internetseiten und monarchiekritische Blogs, die ständig wechselnde Internetadressen nutzten. Und sich mit den Cyber-Spezial-Einheiten der Polizei ein gefährliches Katz- und Maus-Spiel lieferten.
Mit der Wahl von 2011, so glaubte man, war die Phase des Militärputsches von 2006 überwunden. Aber vom ersten Tag an bedrohte ein neuer Putsch die jetzt zum zweiten mal nach dem Putsch von 2006 gewählten Regierung. Die neue Regierung stand von zwei Seiten unter Druck. Auf der einen Seite forderten die Demonstranten, die Freilassung der inhaftierten politischen Gefangenen. Auf der anderen Seite, wurde die Regierung von Anfang an vom Verfassungsgericht, das eng mit dem Militär und Vertretern der Monarchie, zusammen arbeitete, unter Druck gesetzt.
Facebook und Twitter wurden immer beliebter, und für immer mehr wurden die sozialen Medien zum einzigen Informationsmittel. Dabei lebten aber sowohl die Minderheit der Befürworter von Militär und Monarchie gegenüber einem gewählten Parlament, als auch die Mehrheit der Anhänger einer parlamentarischen Demokratie nach westlichem Vorbild, jeweils in ihrer „Filterblase“. Es gab kaum ein Austausch von Argumenten und konstruktive Diskussionen.
Rückblick 2012 - 2013
Keiner der profilierten Oppositionspolitiker hatte sich 2011 bereit erklärt, die Führung der Partei, und damit die Bewerbung für das Amt des Premierministers, zu übernehmen. Gegen den Widerstand des Militärs anzutreten war das sichere Zeichen für Verfolgung und Unterdrückung. Bis schließlich der im Exil lebende Ex-Premierminister Thaksin, seine jüngere Schwester Yinlak Shinawatra, eine erfolgreiche Unternehmerin, überzeugte, in den Wahlkampf zu gehen. Wie hatte man über die politisch unerfahrene junge Frau gelästert. Und doch hatte sie, allen Widerständen zum Trotz, 2012 bis 2013, dem Militär, und ihrer parlamentarischen Opposition, die Stirn gezeigt. Auch als sie, wie die Regierung, die aus der Wahl von 2007 hervorgegangen war, mit immer radikaleren und gewalttätigeren Demonstrationen konfrontiert wurde, behielt sie Ruhe und die Macht. Und ihre mediale Wirkung war von Anfang an durch männliche Politiker unschlagbar.
Doch dann unterlief ihr, bzw. der Regierungspartei, ein gravierender Fehler. 2013 wollte die Regierung ein Amnestiegesetz durchsetzen, was sowohl alle Verbrechen der Soldaten, als auch die angeblichen Verbrechen ihres Bruders, von Strafverfolgung befreien sollte. Das Militär sah überhaupt keine Notwendigkeit für eine Amnestie, da sie sich die schon längst selbst gegeben hatte. Und die Rothemden, ursprünglich die Verbündeten der Regierung, wandten sich von Yinlak ab. Sie wollten nicht wieder, wie in der Vergangenheit, den Mantel des Vergessen, über die Verbrechen und Toten und Verwundeten, legen. Selbst nicht mit Ausblick auf die Chance, dass einige der politischen Gefangenen entlassen werden könnten. Und so saß die Regierung plötzlich zwischen den Stühlen. In Blogs begannen Rothemden die Regierung zunehmend zu kritisieren, Forderungen nach einer eigenen Partei wurden wieder laut. Und die durch das Militär gestützte Opposition, mobilisierte Anhänger, weil das Gesetz nur beabsichtigen würde, den verteufelten ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra „reinzuwaschen“.
Viele Blogger, die lange freundlich mit der Regierung umgegangen waren, beendeten frustriert ihre Arbeit, wenn sie nicht sogar kritisch eingestellt wurden. Fernsehen und Printmedien hatten wieder einen Ansatz, um vom „Korruptionssystem Shinawatra“ zu schreiben. Bis die Regierung den Plan wie eine heiße Kartoffel fallen ließ. Aber da war es bereits zu spät. Der Druck war so groß geworden, dass Yinglak das Parlament auflöste und Neuwahlen ankündigte.
Während des Wahlkampfes zum Parlament, gelang es der Regierung, die Anhänger wieder zu mobilisieren. Aus Angst vor einer erneuten Machtübernahme, der mit dem Militär kooperierenden Democrat Party, unterstützte der größte Teil der Rothemden, die Regierungspartei. Es entstanden neue Blogs, und die Aktivitäten im Internet nahmen zu. In Diskussionen innerhalb der Rothemden setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine eigene Partei nur eine Zersplitterung der Front gegen das Militär bedeuten würde. Und so stand die Demokratiebewegung zur Wahl wieder hinter der Regierungspartei.
Man sollte wissen, dass normale Bürger Thailands, in der Vergangenheit, ungern öffentlich über Politik geredet hatten. Es widersprach dem Harmoniebedürfnis der Gesellschaft. Das Internet hatte das verändert. Durch das Fehlen der körperlichen Nähe, begannen Thailänder offen und heftig zu diskutieren, was schnell in Beleidigungen abglitt. Menschen, die über Jahre befreundet waren, begannen, sich hasserfüllte Posting-Kriege auf Facebook zu liefern, beschimpften sich. Die Demonstrationen der Regierungsgegner und Antidemokraten, wurden nun noch gewalttätiger. Und mündeten am Wahltag, dem 02.02.2014 schließlich in Blockaden, die in 42 von insgesamt 375 Wahlkreisen, erfolgreich waren. Der Grund war die weitgehende Untätigkeit der Sicherheitskräfte, die durch die Armee eindeutige Anweisungen erhalten hatte. Was Blogger öffentlich machten, und die Auseinandersetzung weiter anheizte.
Der Putsch von 2014
Im Jahr 2014 erreichte die Internetnutzung in Thailand einen historischen Höhepunkt. Die Kommunikations-APP LINE wurde in Thailand von 22 Millionen angemeldeten Mitgliedern genutzt. Das ist die zweitgrößte Zahl weltweit nach Japan. Beobachter rechnen damit, dass LINE bald sogar Facebook in Thailand überholen wird. Viele nutzen LINE auf dem Mobiltelefon und Facebook auf dem heimischen Computer. Und natürlich ist die Cyber-Divison der politischen Polizei Thailands in der Lage, LINE lückenlos zu überwachen . „Um die öffentliche Ordnung, die Sicherheit und die Moral Thailands zu sichern“. Damit folgt LINE den anderen Internetanbietern wie Google, Twitter und YouTube, die schon länger eng mit der Regierung kooperieren.
Das Wahlergebnis, das die Regierungspartei als erneute Gewinnerin auswies, wurde von der Justiz, wegen der blockierten Wahlkreise, für ungültig erklärt. Ohne jedoch ernsthaft die Verursacher der Blockaden zu verfolgen. Die Regierung gab einen neuen Wahltermin bekannt, aber dann putschte das Militär, genau wie 2006, bevor „die falsche“ Partei erneut gewählt werden konnte.
Im Internet kursierten Fotos der Siegesfeier der Opposition. Denn genau was das Militär nun machte, war ihre Forderung gewesen: Keine Wahlen , aus denen wieder eine Regierung hervorgeht, die von „den ungebildeten Massen“ gewählt wurde.
Nach dem Putsch wurden hunderte von Aktivisten verhaftet, „vorgeladen“ und ermahnt, interniert und eingeschüchtert. Sie hatten gegen den erneuten Coup demonstriert, indem sie Plakate hoch gehalten hatten, und Lieder skandierten. Als die erste Verhaftungswelle klar machte, dass diese Art von Protest „illegal“ war, begannen Aktivisten damit, ein Handzeichen ohne Worte zu machen. Die mittleren drei Finger der Hand, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit darstellen sollten, wurden nach oben gereckt und der Daumen bedeckte den kleinen Finger als Zeichen des Schutzes Schwacher durch Stärkere. Und immer wurden die neuen Zeichen blitzschnell über die sozialen Medien verbreitet.
Auch hatten die Aktivisten gelernt, die Beobachtung des Internets durch die Polizei zur Irreführung zu nutzen. So wurde eine Demonstration am Demokratiedenkmal angekündigt, wo dann starke Armeekräfte auf die Demonstranten warteten. Während in Wirklichkeit 5 Minuten vor der Zeit der neue Demonstrationsort über Twitter und Facebook verbreitet wurde. Aber auch dagegen fand die Armee bald ein Rezept. Da sie auf fast unbegrenzte Personalressourcen zurückgreifen konnte, verteilte sie Soldaten in Zivil an allen kritischen Punkten. Und zusätzlich wurden Prämien ausgesetzt, für die Verhaftung von „Rädelsführern“ von Spontandemonstrationen, oder Flashmobs.
Immer mehr Soldaten in Zivil nahmen Menschen fest, verschleppten Sie, und von einigen weiß man nicht, wohin sie gebracht wurden. Darüber berichteten dutzende von Handy-Videos im Internet, von denen inzwischen die meisten wieder verschwunden sind. Dann begannen Aktivisten in Gruppen zu 4 (Versammlungen ab 5 waren verboten) still im öffentlichen Raum zu sitzen, und wissenschaftliche Bücher, über Diktatur und Demokratie, zu lesen, bis auch das als Provokation gewertet wurde, und erste Verhaftungen auch solche Zeichen des Stillen Widerstandes brachen.
Schon 2010 hatten Demokratieaktivisten in Thailand das Baguette, als Hinweis auf die Französische Revolution, in den öffentlichen Raum eingebracht. Da das demonstrative Tragen eines Baguettes nun 2014 verfolgt wurde, begann man Sandwiches still aber demonstrativ auf öffentlichen Plätzen einzeln, oder in Gruppen zu 2-3 Menschen, zu essen. Bis auch das zu Verhaftungen führte.
Nach dem Putsch vom 22. Mai 2014 wurden noch mehr Cyber-Spezialeinheiten aufgebaut. Sie verfolgten auch akademische Webseiten, wie New Mandala. Akademiker, die im Ausland kritische Artikel veröffentlichten wurden nach Bangkok vorgeladen, wenn sie sich weigerten, dem Folge zu leisten, wurde ihr Pass für ungültig erklärt. So geschehen z.B. Professor Pavin Chachavalpongpun, gegen den sogar ein Haftbefehl ausgestellt wurde.
Facebook spielt bei der Verfolgung von Regierungsgegnern inzwischen eine tragende Rolle. Seit 2006 hatten die Machthaber dazu gelernt und ein Heer an Mitarbeitern darauf angesetzt, die sozialen Medien zu kontrollieren, besonders auffällige von ihnen, in Thailand zu blockieren, und aus den sozialen Netzwerken Beweise zu generieren, um Aktivisten den Prozess zu machen. Weitere Beispiele :
„…Ein Mann in den Zwanziger wurde verhaftet und wegen Lèse Majèsté (Majestätsbeleidigung), sowie wegen Verstoßes gegen das Gesetz „gegen Computerkriminalität“ angeklagt. Die Cyber-Spezialeinheit der Polizei hatte in den sozialen Medien Informationen gesammelt, und war der Überzeugung, dass er einer der „Cyber Warrior“ war, die im Nordosten Thailands, in der Provinz Ubon Ratchathani, den digitalen Widerstand übten. Er wurde wegen, die Monarchie beleidigenden Postings im Internet, angeklagt, das erste Verhör findet am 16. Juli 2014 statt….“Der zweite Fall, der Mitte Juli des Jahres 2014 bekannt wurde, betraf Krisada S., 49. Er war ein Demonstrant der so genannten „Redshirts“. Er hatte im Jahr 2010 (!) bei einer Demonstration in Chiang Mai eine thailändische Fahne, und andere Objekte, in den Fluss geworfen. Dies war seine spontane Reaktion auf die Nachricht gewesen, dass das Militär in Bangkok, am 19. Mai 2010, mit militärischer Gewalt, ein Blutbad unter den Demonstranten angerichtet hatte. Ein Video über den Vorfall war in den sozialen Medien zirkuliert, und diente der Polizei als Beweismittel für die Anklage. Aber nicht nur er wurde angeklagt, seine ganze Familie wurde mit Verhören und Verhaftungen eingeschüchtert und bedroht. Er gehört zu den wenigen, mit Lèse Majèsté Verfolgten, die gegen Kaution auf freiem Fuß sind.
Noch nie in der Geschichte Thailands waren so viele Verfahren wegen „Majestätsbeleidigung“ (und Verstoß gegen „Computerkriminalität“) eröffnet wurden wie 2014. Dutzende von Dissidenten verbringen seit den letzten Demonstrationen im Jahr 2010 ihr Leben im Gefängnis, hunderte kamen nun hinzu, Ausgang ungewiss.
Auf Grund der zögerlichen Haltung, des insbesondere westlichen Auslandes, lief der Protest, auf den Straßen und im Internet, weitgehend ins Leere. In Deutschland berichtete der Deutschlandfunk am 22.05.2014, dass das Militär „die Kontrolle übernommen“ hätte, und wiederholte die Behauptungen des Militärs „lediglich die politischen Gegner an den Verhandlungstisch bringen zu wollen“. Die Öffentlich rechtlichen Medien taten sich schwer, mehr als Stellungnahmen der Junta zu verbreiten. Einzelne Lichtblicke waren zu sehen, aber im Allgemeinen wurden offizielle Stellungnahmen wieder gegeben. Kritische deutschsprachige Internetseiten waren praktisch nicht mehr vorhanden, nachdem die Seite „schoenes-thailand.de“, auf Grund von Denunziationen, den Betrieb eingestellt hatte. So dass große Teile des thailändischen Widerstandes, gar nicht in das Bewusstsein der deutschsprachigen Ausländer drangen.
Während das nationale Fernsehen streng zensiert wurde, und zum großen Teil sowieso unter der absoluten Kontrolle des Militärs steht, enttäuschten auch die internationalen Sender. Sie machten sich über den Putsch lustig, teilweise wurden aus Nachrichten Satiresendungen, aber eine scharfe politische Reaktion mit Forderungen an die Politiker im eigenen Land, blieb aus.
FAZIT
Die modernen Medien wie Facebook, Twitter oder Blogs, haben nur eine beschränkte Wirkung. Die Machthaber hatten gelernt, die Informationen dieser Seiten für die Beobachtung, und notfalls Verfolgung ihrer Kritiker oder Gegner zu nutzen. Das zeigt, dass nur mit großem finanziellen Aufwand, wie z.B. während des gewaltsamen Umsturzes in der Ukraine, dem, wie Vertreter der USA erklärten, mit 5 Milliarden US-Dollar zur „Demokratisierung“ geholfen worden war, und nur mit größtem politischen Druck des Auslandes, soziale Medien Wirkung entfalten können. Wobei interessant ist, dass ein Wissenschaftlerteam inzwischen 15.000 gefälschte Twitter-Profile entlarvte, die Propaganda für den Machwechsel in der Ukraine verbreiten.
Statt mehr Demokratie zu bringen, hat das Internet geholfen, illegale Angriffskriege propagandistisch vorzubereiten und akzeptabel zu machen, oft unter Ausnutzung des "Guten Glaubens" seiner Nutzer, die Informationen wären keine Propaganda.
Und so zeigt sich das Militär in Thailand, m.E. stellvertretend für die Elite überall auf der Welt, bisher vollkommen unbeeindruckt von Sozialen Medien. Sie kontrollieren, entweder mit Gewalt, Gesetzen oder einfach stillschweigender Übereinstimmung, die Massenmedien, und zunehmend auch das Internet. Andererseits dienen soziale Medien inzwischen dazu, „Rädelsführer“ einfacher zu identifizieren, zu verfolgen, und notfalls auszuschalten. Spätestens seit wir wissen, dass Meta-Daten, also wer mit wem, wie oft, und wie lange, kommuniziert, den Geheimdiensten wichtiger erscheint, als Inhalte, ist klar, dass die totale Kontrolle hinter der nächsten Krise, dem nächsten Terroranschlag lauern kann.
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Bemerkung: Redshirt ist kein Hinweis auf linke oder sozialistische Bewegungen. Das ROT der Hemden sollten die Nein-Forderung gegenüber der Militärverfassung von 2007 demonstrieren, nachdem grüne Hemden 1997 Werbung für die erste demokratische „Volksverfassung“ seit 1946 gemacht hatten.
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