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Donnerstag, 7. Februar 2013

Freiheit statt ... Angst?

Manchmal, wenn Piraten in der Diskussion kein sachliches Argument mehr einfällt, greifen Sie schon mal auf verschiedene Schlagworte zurück, mit denen die Diskussion dann abgebrochen wird. Eines dieser Schlagworte ist „Freiheit“, gerne auch in Verbindung mit „Neiddebatte“. Dabei zeigt die leider oft unreflektierte Nutzung des Begriffs „Freiheit“ von einer fehlenden Auseinandersetzung mit der Bedeutung. Daher hier eine kleine Einführungsdiskussion in das Thema. Dabei will ich Kants Metaphysik der Sitten oder naturwissenschaftliche Erklärungsversuche wie die von Wolf Singer unbeachtet lassen und versuchen allgemeinverständlich und auf die heutige Situation bezogen zu argumentieren.
Zunächst vier Beispiele, was Freiheit im 21. Jahrhundert für mich bedeutet:

(1) Freiheit nach meinem Verständnis ist die Möglichkeit eines Menschen, das Wissen zu erlangen, welches er anstrebt, um seine Potentiale zu entfalten ohne auf Barrieren zu stoßen, die z.B. ökonomische oder andere Voraussetzungen darstellen.

(2) Freiheit bedeutet, dass jeder ohne Angst seinen Neigungen nachgehen kann, so lange diese nicht die Freiheit anderer einschränken.

(3) Freiheit bedeutet, dass jeder das Recht hat Informationen aus den Massenmedien zu beziehen, die alle Sichtweisen eines Konfliktes gleichgewichtig darstellen, damit sich das Individuum ein eigenes, freies Urteil bilden kann.

(4) Freiheit bedeutet, dass alle gesellschaftlichen Kräfte die gleiche Chance haben müssen, auch gestaltend an der Politik teil zu haben.

An diesen drei Beispielen erkennt man schon die Unterschiede zwischen der Freiheit, wie sie von vielen Piraten vertreten wird, und des Freiheitsbegriffs wie ich ihn für das 21. Jahrhundert versteht wissen möchte.
Von @duesenberg gestohlen, der es einmal über Twitter verbreitet hatte (Erlaubnis der Quelle liegt jetzt auch vor)
Zu (1)

Freie Bildung bedeutet nicht nur, dass Studiengebühren endgültig abgeschafft werden, sondern auch, dass eine wirtschaftliche Unabhängigkeit gegeben sein muss, die das Lernen erst ermöglicht. Diese muss unabhängig vom Einkommen der Eltern sein, unabhängig von Nebenjobs oder „Ausbildungsversicherungen“. Lernen ist zu honorieren wie jede andere Arbeit auch. Im Gegenzug sind aber natürlich die irrwitzigen Einkommensunterschiede, die teilweise zwischen jenen entstehen, die gewisse Eliteuniversitäten besucht haben und jenen, die z.B. sozial wichtige aber vollkommen unterbezahlte Arbeiten verrichten, abzuschaffen. Es hat nichts damit zu tun, dass die „Freiheit“ eingeschränkt wird, wenn man z.B. wie in Frankreich Höchstverdiener mit einer 75%igen Einkommenssteuer belegt, ebenso wenig mit „Neiddebatte“. Es hat aber viel damit zu tun, hierdurch die Freiheit für viele andere zu schaffen, die sonst keine Chance, keine Freiheit hätten.

Zu (2)

Jeder soll seiner Neigung nachgehen können, so lange er andere nicht in ihrer Freiheit einschränkt. Piraten hatten mit dem lächerlichen Ausspruch „Freiheit statt Angst“ ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen abgelehnt. Dabei vollkommen übersehen, wie sehr ein Porschefahrer, der mit 250 kmh an einer älteren Dame vorbei rauscht, die mit 80 gerade auf die Autobahn einbiegen will, letztere in Angst und Schrecken versetzt, ihre Freiheit deutlich einschränkt.

Zu (3)

„Pressefreiheit“ oder „Meinungsfreiheit“ sind die heute vielleicht meistverbreiteten Begriffe mit vollkommen falschen Inhalten. Wenn fünf Medienkonzerne 90% der Informationsverbreitung der westlichen Welt ausmachen, kann es nicht sein, dass diesen fünf Konzernen das Definitionsrecht für Meinungsfreiheit uneingeschränkt eingeräumt wird. Wer eine solche Definitionsmacht besitzt muss sich gesellschaftliche Kontrolle gefallen lassen, die die Freiheit wieder herstellt, indem die Freiheit der Oligopolisten eingeschränkt wird. Eine „Selbstverwaltung“ hat sich als untaugliches Instrument erwiesen. Und „Wettbewerb“ in Form unterschiedlicher Meinungen ist immer seltener zu beobachten. Stattdessen hecheln alle nach den gleichen Informationen und besteht der Wettbewerb darin die gleichen Meinungen möglichst schnell zu verbreiten. Beispiele dafür findet man zu Hauf in meinem Blog http://jomenschenfreund.blogspot.com.

Meinungsfreiheit kann in einer durch Gewinninteressen bestimmten Welt nicht bedeuten, dass jeder seine Meinung sagen darf, wenn diese Meinung im Getöse der gleich geschalteten Meinung untergeht und gar nicht gehört werden kann. Meinungsfreiheit kann in einem solchen System nur bedeuten, dass Medien von der Gesellschaft daraufhin kontrolliert werden, ob die Informationen und Meinungen einseitig oder ausgeglichen vielseitig dargestellt werden.

Ziel einer solchen Medienpolitik, die das Wort „Freiheit“ verdient, muss es sein, jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, sich ohne Barrieren über die Massenmedien so zu informieren, damit er ein ausgeglichenes Bild davon erhält, wie welche Meinung in der Welt vertreten wird. Dazu gehört, dass unbequeme Filmemacher (z.B. Frieder Wagner) oder Journalisten mit Ansichten, die nicht der gültigen Meinungsströmung entsprechen (z.B. Christoph Hörstel) nicht politisch / gesellschaftlich ausgegrenzt und wirtschaftlich ausgetrocknet und totgeschwiegen werden. Denn dies ist nichts anderes als eine Zensur mit anderen Mitteln. Wer unliebsamen Journalisten die wirtschaftliche Existenz entzieht, macht im Prinzip nichts anderes als Diktaturen die kritische Blogger oder Journalisten inhaftieren oder verschwinden lassen.

Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass große Medienkonzerne ihre Meinung verbreiten können, ohne Rücksicht darauf, welche sonstigen Meinungen es noch gibt, und damit alle anderen Meinungen in Bedeutungslosigkeit zu drängen. Sondern: Meinungsfreiheit bedeutet, dass alle gesellschaftlichen Meinungen die gleichen Chancen haben müssen, sich bekannt zu machen und zur Diskussion zu stellen.

Freiheit statt Angst: Welcher Journalist hat nicht Angst seinen Arbeitsplatz zu verlieren? Und welcher Journalist hat nicht Angst keine Aufträge mehr zu erhalten, wenn er Nachrichten verbreitet oder eine Meinung vertritt, die von den Medienkonzernen und öffentlichen Medien unerwünscht sind? Meinungsfreiheit bedeutet auch, dass Journalisten frei sein müssen von dieser Angst.

Zu (4)

Es kann nicht angehen, dass Beamte drei Monate bezahlten Urlaub erhalten, wenn sie für ein Bundestagsmandat kandidieren, einen Anspruch auf Wiedereinstellung usw., während ein Bauer, Taxifahrer oder Arbeiter, oder auch eine Hausfrau, die ihr Kind erzieht, keine Chance haben, auch nur eines dieser Privilegien zu erhalten. Außer er/sie agiert als LobbyistIn und lässt sich entsprechend finanzieren.

Das bedeutet nichts Anderes als die Notwendigkeit ein System einzuführen, das jedem Bürger die gleichen wirtschaftlichen Möglichkeiten bietet wie z.B. "Beamten", wenn sie sich im Rahmen anerkannter politischer Parteien um ein Mandat bewerben. Natürlich verbunden mit der gleichzeitigen Verpflichtung, alle Einkünfte während der Tätigkeit in dem Mandat offen zu legen. Denn die Freiheit aller Wähler zu erfahren, welchen finanziellen Abhängigkeiten ein Mandatsträger unterliegt ist zweifellos höher einzuschätzen als die Freiheit von Abgeordneten, keine Angaben über Nebeneinkünfte abzugeben.



2 Kommentare:

  1. Wie immer auf den Punkt getroffen, lieber Jo!

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  2. Du kannst ja nach Kuba oder Nordkorea gehen, wenn dir der Begriff von Freiheit in der Freien Welt so gegen den Strich geht ...

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